Viel Tradition und Partystimmung: Die Schnaademer Kerb trotzt dem Regen und endet sonnig

Die alte Linde ziert die von Kerbevadder Florian Selg gehaltene Kerbefahne, die von Pfarrer Timo Winzler geweiht wurde. Foto: Diehl

Schneidhain (nd/as) – Am vergangenen Wochenende war es endlich wieder so weit – von Freitag bis Montag stieg auf dem Platz vor der Heinrich-Dorn-Halle die Schnaademer Kerb. Zahlreiche Besucher kamen von nah und fern, um bei einem feierlichen wie ausgelassenen Programm Kerb zu feiern. Sogar Jugendliche aus Königstein in Sachsen waren im Rahmen eines städtepartnerschaftlichen Austauschs mit dabei. Ausgerichtet wird die traditionell um den 24. Juni, dem Johannistag, stattfindende Kerb vom Heimat- und Brauchtumsverein Schneidhain i. Ts. 2017 e.V. (HBV). Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche in Schneidhain ist Johannes dem Täufer geweiht, dessen Geburt am Johannistag gefeiert wird.

Für das leibliche Wohl war natürlich bestens gesorgt, ob deftige Bratwürste oder ein süßer Happen vom Crêpes-Stand von Toni Gombold – niemand musste hungrig nach Hause gehen. Neben dem leckeren Ebbelwoi der Apfelschmiede gab es kühles Bier, Aperol und alkoholfreie Getränke. Während der große Autoscooter vor allem jugendliche Besucher anzog, stand bei den Kleinsten das Kinderkarussell hoch im Kurs.

Kerbegottesdienst im Festzelt

Den Startschuss bildete am Freitag um 18.30 Uhr traditionell der ökumenische Gottesdienst im Festzelt, abgehalten von Timo Winzler, dem Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Schneidhain. Zunächst eröffnete jedoch erstmal Oliver Ernst, Vorstandsmitglied des Heimat- und Brauchtumsvereins Schneidhain, die Kerb und begrüßte die trotz des regnerischen Wetters erschienenen Gäste. „Mein herzlicher Dank gilt allen ehrenamtlichen Helfern und Sponsoren“, so Ernst. Die musikalische Begleitung übernahm der Gesangverein 1893 Schneidhain e. V., der die Besucher unter anderem mit der „Ode an die Freude“ begeisterte. „Wir lassen uns das Fest nicht verhageln“, ging Pfarrer Timo Winzler zunächst auf das unbeständige Wetter ein. „Im Leben geht es nicht darum, zu warten, bis der Sturm vorüber ist. Es geht darum, im Regen zu tanzen“, müsse vielmehr das Motto der Kerb sein, bestätigte er mit einem Zitat der hawaiianischen Künstlerin Vivian Greene.

Auf seine Frage, ob es denn eine gesegnete Apfelernte und Keltersaison gab, konnten die Kerbeborsch und -mädscher zum Glück mit einem lauten „Ja“ antworten, denn das hessische Nationalgetränk – der Ebbelwoi – durfte auf der Kerb natürlich nicht fehlen. Schließlich brachten die Kerbeborsch die eigens angefertigte neue Kerbefahne nach vorne, um diese feierlich segnen zu lassen. „Wir haben die alte Linde gezeichnet, sie steht symbolisch für Schneidhain – auf eine gute Kerb und dass unsere Mägen den Ebbelwoi gut vertragen“, erklärten die Kerbeborsch. Die Kerbefahne, die dieses Jahr der mächtige Baum und das gleichnamige Gebäude ziert, wurde, ebenso wie die Fahne vom Vorjahr, beim Kerbeumzug mitgetragen.

Kerbedisko lässt das Festzelt beben

Am Abend begann mit der Kerbedisko der ausgelassene Teil der Kerb, und Oliver Ernst brachte mit seinem Können am DJ-Pult Stimmung unter das Zeltdach. „Das ist inzwischen auch schon Tradition“, erklärte Ernst seinen Arbeitseinsatz. Menschen jeden Alters tanzten und sangen zu den schnellen Beats, die das Zelt zum Beben brachten. Ob neue Hits oder alte Evergreens – die Tanzfläche war proppenvoll. Unter die Gäste hatten sich auch viele Kerbeborsch anderer Gemeinden gemischt – so sah man Tänzer in den bunten Kerbe-T-Shirts von Kriftel, Bremthal, Neuenhain, Mammolshain und vielen mehr.

Die Mammolshainer Kerbeborsch waren indes nicht nur zum Feiern gekommen: Sie übernahmen am Samstagabend eine Schicht an der Theke, genauso wie es die Schneidhainer bei der Kerb in Mammolshain tun werden – man unterstützt sich gegenseitig. „Eine Hand wäscht die andere“, erzählte Florian Selg, der als Kerbevadder (Schlagges) über die 19 Schnaademer Kerbeborsch und -mädscher wacht. „Kein Stadtteil von Königstein hat bei der Kerb einen Autoscooter außer Schneidhain“, so Selg stolz. Florian Selg wurde von einem weiteren Kerbeborsch begleitet, Adrian Klinger – beide waren mit Kabelbindern am Handgelenk verbunden. „Die neuen Kerbeborsch werden heute eingeeicht“, erklärte Selg. Nach dieser feuchtfröhlichen „Eichung“ werden sie dann in die Reihen der Kerbeborsch und -mädscher aufgenommen. „Die Schnaademer Kerb ist einfach immer wieder geil“, sagte Adrian Klinger lachend.

Kerbeumzug bei Nieselregen

Trotz des mäßigen Wetters hatten sich am Samstag um 15 Uhr viele Schaulustige an den Straßen Schneidhains versammelt, um dem Kerbeumzug beizuwohnen. Beginnend am Johanniswald zog dieser durch die Wiesbadener Straße und die Rossertstraße, um dann über die Blumenstraße auf den Kerbeplatz zu gelangen, wo der Kerbebaum gestellt wurde. „Wir haben dieses Jahr besonderen Wert auf die Umzugsdekoration am Umzugsweg gelegt“, erklärte Kerbevadder Selg. Vorbei an mit gelben und weißen Bändern geschmückten Birkenzweigen und mit Flaggen dekorierten Häusern wurde der mächtige Nadelbaum von einem Unimog durchs Dorf gezogen, der mit dem Schneidhainer Wappen geschmückt war. Dahinter folgten eine Blaskapelle und die Kerbeborsch mit der Fahne und verteilten Ebbelwoi an die Zuschauer. Am Kerbeplatz angekommen wurde schließlich der Schlagges, die Kerbepuppe, im Wipfel des Baumes platziert, den es für die Dauer der Kerb zu bewachen galt – denn wenn andere Kerbeborsch den Schlagges stehlen würden, wäre das eine Schmach.

Bongaz rockten die Bühne

Ein weiterer Höhepunkt der Schnaademer Kerb war, wie auch in den vergangenen Jahren, der Auftritt der Party- und Showband Bongaz aus Mannheim. Diese begeisterte das Publikum mit einer aufwendigen Bühnenshow – nicht nur wechselten sich mehrere Sängerinnen und Sänger ab, auch standen sie in unterschiedlichen zum jeweiligen Lied passenden Kostümen auf der Bühne. So präsentierte sich der Lead-Sänger von Bongaz während des Hits „König von Deutschland“ als König und eine der beiden Sängerinnen trat als beflügeltes himmlisches Wesen zum Rammstein-Song „Engel“ auf. „Wem is die Kerb? – Unser!“ erklang es, sobald die Band eine Pause machte, denn auch dann wurde es im Zelt nicht ruhiger. Zwischen den unterschiedlichen Kerbegesellschaften entbrannte ein Wettkampf, wer denn die lautesten Kerbegesänge zum Besten geben konnte. Es wurde lange gefeiert, bis schließlich auch die letzten Besucher im Licht des Vollmondes den Weg nach Hause fanden.

Kurze Nacht für Kerbegänger

Wer am Samstag bis zum Schluss mitgefeiert hatte, dem stand eine kurze Nacht bevor, denn um 10 Uhr am Sonntagmorgen zogen die Kerbeborsch zum „Weckruf“ mit Pauken und Trompeten durch die Straßen Schneidhains. Dieser Weckruf soll daran erinnern, dass das Kerbeprogramm weitergeht, denn pünktlich zum Frühschoppen ab 11.30 Uhr spielte dort die Egerländer Blaskapelle volkstümliche „Dicke-Backe-Mussig“. Beim Familiennachmittag, der im Anschluss stattfand, gab es auch für die jüngeren Besucher allerlei Belustigungen. Während man Kaffee und Kuchen genoss, konnte man die bravourösen Auftritte der drei Kinder- und Teenie-Tanzgruppen des HBV verfolgen. Es folgte die Tombola – es galt, einen der heiß begehrten Preise, den die zahlreichen Sponsoren gespendet hatten, zu ergattern. Spannend wurde es ab 21 Uhr noch beim Public-Viewing des EM-Spiels Deutschland gegen die Schweiz. Großes Aufatmen und den entsprechenden Jubel gab es, als Deutschland in der Nachspielzeit zum 1:1 ausglich.

Sonniger Abschluss

Am letzten Tag wurde es nochmal richtig schön, die Sonne strahlte über Schneidhain. Aber dennoch musste der Kerbebaum um 19.15 Uhr per Säge und Zugkraft der Kerbeborsch fallen. Mit dem Schlagges selbstverständlich, der in der Schneidhainer Kerbehistorie noch nie Beute von Dieben wurde. Vier Nächte hatten die Kerbeborsch und -mädscher unter dem Baum Wache gehalten bzw. „privat weitergefeiert“, wie Franziska Ernst erzählte. Immer noch recht fit, aber traurig hielten sie dann noch einmal mit dem Schlagges auf der Bahre Einzug ins Zelt. Dort wurde es mit der amerikanischen Versteigerung des Kerbebaums nochmal spannend, bei der zum Countdown mit den letzten zeitgleichen Geboten Conny Klinger und Dennis Beuth jeweils den Zuschlag für einen halben Baum erhielten.

Dann hielt Kerbepfarrer Marco Montana seine launige Trauerrede mit vielen Einlagen der Marke „Prost Gemeinde – der Pfarrer säuft“ auf den Schlagges, der dann – auch das hat Tradition in Schnaadem – von der Kerbegesellschaft ins Flammengrab begleitet wurde. Nach Regen und Sonne ein feuriger Abschluss nach vier tollen Tagen in Schnaadem.

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