Was am Ende von uns übrig bleibt...

Wer hätte das gedacht! Gabriel (Pascal Spielvogel) und Juanita (Saskia Valencia) spielen im selben Team. Beide gehören zur Agentur „Rent a Friend“ – nur ihre jeweiligen Auftraggeber Sarah und „Big Daddy“ ahnen nichts. Foto: Helmut Seuffert

Von Christine Šarac

Steinbach. Sind sie authentisch? Vorsicht, wenn Sie diese Frage wie aus der Pistole geschossen mit Ja beantworten wollen. Ich gebe nur zu bedenken, dass jeder von uns ein Idealbild von sich hat, von dem er sich wünscht, dass die anderen ihn genau so sehen. Die Frage ist nur, wie weit würden Sie gehen, um dieses Idealbild zu bedienen? Wie und warum wir Dinge tun, um Menschen zu beeindrucken, darum geht es in dem Stück „Rent a Friend“ von Folke Braband, dss am Donnerstagabend in der Theaterreihe Steinbach im Bürgerhaus gezeigt wurde.

 

Rent a Friend – auf Deutsch „Miete dir einen Freund/eine Freundin“, so lautet das Geschäftsmodell der Agentur, bei der Gabriel arbeitet. Der 37-Jährige war als Spaßvogel für einen Kindergeburtstag gebucht, findet sich aber durch einen Irrtum im schicken Apartment der Karrierefrau Sarah, gespielt von Martina Dähne, wieder. Die Powerfrau und erfolgreiche Juristin scheint das Leben zu leben, von dem viele träumen: toller Job, teure Einrichtung, Essen aus dem Feinkostladen. Wo liegt also das Problem? Kaum zu glauben, aber Sarah hat Angst, eine Versagerin zu sein, denn sie hat einen Vater, neben dem James Bond wie ein Schuljunge aussieht. Privat hat Sarah nichts vorzuweisen, Mann Fehlanzeige, für ein Kind ist schon mal gar keine Zeit und „Big Daddy“, der auch noch Selfmade-Millionär ist, hat gerade zum vierten Mal „Ja“ gesagt. Sarah steht unter Druck. Sie glaubt, ihrem Vater etwas beweisen zu müssen. Gut ist nicht gut genug, das glaubt Sarah zumindest. Wie passt der in Schlabberhose, Turnschuhen und Basecap gekleidete Gabriel, verkörpert von Pascal Spielvogel, da rein? Stimmt, gar nicht. „Eigentlich sollte es George Clooney sein, oder wenigstens Captain Kai“, stellt Sarah entsetzt den Irrtum fest, den die Agentur da fabriziert hat. Aber nicht umsonst ist sie eine Macherin. Der Freizeitlook wird von ihr flugs gegen Anzug und Krawatte eingetauscht und Gabriel bekommt ein Briefing für seine Rolle als potenzieller Schwiegersohn für „Big Daddy“. Wir haben noch 23 Minuten. Ihr Name ist Dr. Marc Simon. Sie sind plastischer Chirurg. Spezialgebiet Hände“, erläutert Sarah. Wie es im Stück weitergeht, lässt sich ahnen. Natürlich fällt Gabriel manchmal aus der Rolle, zum Amüsement des Publikums. Und „Big Daddy“ (Torsten Münchow) hat ebenfalls Verstärkung zum Treffen mitgebracht. Seine vierte Frau, die spanisch sprechende ehemalige Schönheitskönigin Juanita (Saskia Valencia), die südländischen Pep in das Doppelmatch bringt. Lacher und gute Unterhaltung garantiert.

Doch der eigentliche Charme des Stücks liegt in der gut ausbalancierten Mischung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, zwischen Komik und Tragik, zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik. Denn es ist alles nur Fassade, wie das Publikum schnell herausfindet. Jeder der vier Protagonisten ist ein Meister darin, Potemkin’sche Dörfer von sich zu bauen. Gabriel und Juanita tun es für Geld. Für sie ist ein Job, denn zur Überraschung aller ist Juanita keine rassige Südländerin, sondern eine stark berlinernde Pflanze mit Sprachtalent, sympathisch und mit viel Herzblut gespielt von Saskia Valencia, die ebenfalls bei „Rent a Friend“ arbeitet. Sie schenkt Gabriel reinen Wein über Sarahs Vater ein. So „Big“ ist Daddy nämlich gar nicht im Geschäft. „Der Mann ist ein Hochstapler und lebt von Sozialhilfe. Er hat seine letzten Piepen zusammengekratzt, um vor seiner erfolgreichen Tochter gut dazustehen.“ Welch eine Ironie! Vater und Tochter leiden beide darunter, dass sie glauben, dem anderen nicht zu genügen und halten mit aller Kraft ein Schauspiel aufrecht, das sie unglaublich viel Kraft kostet. Pascal Spielvogel verkörpert den warmherzigen und lebensklugen Gabriel, der Sarah schließlich dazu bringt, sich dem Vater zu offenbaren. Die Rolle des „Big Daddy“ mit Torsten Münchow zu besetzen, war eine kluge Entscheidung. Den Spagat dieser Figur vom nach außen hin raubeinigen, kantigen Gewinnertyp, an dem alles abzuprallen scheint und der im Innern zerrissen und ängstlich ist, wird von Münchow überzeugend gemeistert. Auch Martina Dähne wird dieser Aufgabe mit ihrer Figur der Sarah mehr als gerecht. Der Zuschauer lacht und leidet mit beiden und hofft auf ein Happy End, das sich schließlich auch einstellt, als die beiden den Mut aufbringen, miteinander ehrlich zu reden. Dabei bringt „Big Daddy“ die Sache auf den Punkt, als er sagt: „Die Menschen wollen immer glänzen, obwohl sie nicht den geringsten Schimmer haben.“

 

!Das Theaterreihe Steinbach beendet die Saison 2023/24 am Mittwoch, 24. April, mit „Je t’aime“ der dem französischen Chonsonnier Serge Gainsbourg gewidmet ist. Der Schauspieler Dominique Horwitz und eine vierköpfige Live-Band sorgen für einen unterhaltsamen Abend, der um 20 Uhr im Bürgerhaus beginnt.



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