Oberursel (gt). Der Hochtaunuskreis informierte vorige Woche, dass der Kreis derzeit wöchentlich rund 30 Flüchtlinge von Bund und Land zugewiesen bekommt. Allerdings seien derzeit die Unterbringungskapazitäten für diese Menschen vollständig erschöpft. Kreis und Kommunen seien deshalb gefordert, neue zu erschließen. Dies geschehe solidarisch zwischen Kreis, Städten und Gemeinden, um die Herausforderung zu meistern.
Auch in Oberursel werde deshalb eine weitere Gemeinschaftsunterkunft (GU) entstehen. Der Kreis und die Stadt Oberursel hätten in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv nach möglichen weiteren Unterkunftsmöglichkeiten gesucht und eine geeignete Immobilie gefunden. Allerdings hätten Kreis und Stadt Stillschweigen über den Standort vereinbart, bis auch die letzten offenen Fragen geklärt sind. Dies ist laut dem Hochtaunuskreis derzeit noch nicht der Fall. Erst danach will man zu einer Informationsveranstaltung einladen, hierfür steht der Termin noch nicht fest.
Der Kreis gibt offen zu, dass aufgrund der angespannten Situation und der dringend benötigten Unterkunftsplätze möglicherweise eine Teilbelegung der Unterkunft mit Personen, die derzeit bereits übergangsweise in Oberurseler Hotels untergebracht sind, vor der geplanten Infoveranstaltung erfolgt. Hierbei handle es sich zumeist um Flüchtlinge aus der Ukraine. Am Ende beabsichtige man, zu einem späteren Zeitpunkt rund 400 Personen dort unterzubringen.
Doch auch wenn der Kreis keinen Standort nennen will, brodelt die Gerüchteküche schon lange. Die interfraktionelle Anfrage in der Sitzung des Ortsbeirats Stierstadt am Montag wurde bereits Ende November eingereicht. Darin wird der Magistrat gebeten, über die mögliche geplante Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Bürogebäude der Thomas Cook mit voller Transparenz zu berichten.
Stefan Beitlich (OBG) erläuterte in der Sitzung die Bedenken des Ortsbeirats. Außer den Fragen um die Kosten, des Betreibers und der Verwaltung der Unterkunft gehe es vor allem um die Infrastruktur. Wie und wo sollen die dort aufgenommenen Kinder betreut werden? Wie wird die Sicherheit der Anwohner und der Bewohner der Unterkunft gewährleistet? Wie wird die ärztliche Versorgung der Flüchtlinge sichergestellt? „Die Vorgehensweise macht mich sprachlos“, sagte er, seiner Meinung nach wolle man die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen stellen. Dabei schreibe die hessische Gemeindeordnung vor, dass Ortsbeiräte über wichtige Angelegenheiten zu unterrichten sind. Die „Hinterzimmerpolitik“ des Kreises sei nicht transparent und führe zu Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust, so Beitlich. Und noch mehr: Eine solche Politik sei ein Nährboden für die rechte Szene. Er stellt klar, dass man nicht grundsätzlich gegen die Maßnahme sei, aber 400 bis 500 Menschen entsprächen etwa zehn Prozent der Bevölkerung von Stierstadt. „Ich finde, die Bürger haben ein Recht auf Information.“
Stadtkämmerer Jens Uhlig antwortete, man sei schon länger mit dem Kreis im Gespräch, und die Informationsveranstaltung habe man bereits in der ersten Januarhälfte durchführen wollen. Es habe allerdings Probleme bei der Eigentumsübertragung der Immobilie gegeben. Hinzu komme der personelle Wechsel im Landratsamt durch das Ausscheiden der Kreisbeigeordneten Katrin Hechler. Zum Standort der Unterkunft wollte er sich nicht äußern, erklärte aber, dass viele Familien aus der Ukraine noch in Hotels untergebracht seien und in die neue Unterkunft umziehen würden, die dann vom Roten Kreuz betrieben wird. Zur Informationsveranstaltungsagte er, „es wäre wünschenswert, wenn man dies so früh und transparent wie möglich machen würde“.
Fragen von Jan Schilling (Grüne) zur Integration und Infrastruktur konnte der Stadtkämmerer nicht beantworten. Zwar sollten die Kinder auf verschiedene Schulen verteilt werden und es habe bereits ein erstes Gespräch zwischen dem Ersten Stadtrat Christof Fink und den Schulleitern der Stadt gegeben, aber es lägen noch keine Zahlen des Kreises vor, um weiter planen zu können. Er sei allerdings froh, dass man bei den aktuellen Mangel an Sporthallen in der Stadt keine weiteren schließen müsse.
Heike Giebel (CDU) kritisierte die „Salamitaktik“ des Kreises. Stierstadt sei sehr hilfsbereit, „aber das ist ein ordentlicher Brocken“, sagte sie. Doch bei aller Hilfsbereitschaft blieb die Kritik an der Kommunikation, Jan Schilling appellierte für eine Verbesserung. Ortsvorsteher Thomas Gerecht stimmte zu: „Wenn man es den Menschen erklärt, verstehen sie es auch.“
Einige Gäste im Saal, die in der Vergangenheit in der Flüchtlingshilfe aktiv waren, kritisierten den vermuteten Standort Thomas Cook, denn er liege im Industriegebiet und nicht dort, wo es Nachbarn gibt. Die Kita-, Schul- und Hortplätze seien außerdem bereits jetzt überlastet. Wenn die Kinder aber keinen Platz bekommen, blieben sie in der Unterkunft unter sich, was der Integration nicht förderlich sei. Und man habe aus dem Landratsamt gehört, dass es am Ende mehr als 500 Personen sein würden, was Uhlig allerdings dementierte, weil die Baugenehmigung das nicht hergebe. Außerdem teilte er mit, dass die Kosten für die neue Unterkunft vollständig vom Kreis getragen werden.
Auch wenn weder Stadt noch Kreis den Standort bestätigen wollen, die Menschen, die täglich an dem Gebäude vorbeikommen, berichten von Aktivitäten, die sie im hinteren Gebäude neben dem Hammergarten beobachten konnten. Tatsächlich sieht man durch die Fenster mehrere Doppelstockbetten und Matratzen, sodass das Gebäude eher an eine Jugendherberge erinnert. Auf dem Parkplatz befinden sich tagsüber Dienstfahrzeuge verschiedener Betriebe. Der Standort scheint ein offenes Geheimnis im Ort zu sein, und je länger versucht wird, es geheim zu halten, desto lauter wird die Kritik.