Hochtaunus (eh) – Mit einer nickenden Kopfbewegung der Giraffen erkundet die kleine Netzgiraffe „Kianga“ auf dünnen Beinchen ihr Gehege. Neugierig blickt sie sich mit ihren großen, dunklen Augen um und wagt dann einige freudige Galoppsprünge, um dann wieder in dem für Giraffen typischen Passgang zurück zu Mutter „Kimia“ gehen, die das Treiben genau im Blick hat.
Erster Giraffennachwuchs seit 1984
Die kleine Netzgiraffe „Kianga“ ist dies der erste Netzgiraffen-Nachwuchs im Opel-Zoo seit 1984. In den frühen Morgenstunden des 10. März um 4:22 Uhr brachte Netzgiraffe „Kimia“ nach einer Tragzeit von 15 Monaten ihr erstes Jungtier zur Welt. Eine kleine Sensation, denn in Zoos sind Giraffengeburten alles andere als alltäglich. Die Tierpfleger gaben dem Weibchen den Namen „Kianga“, was auf Swahili so viel wie Sonnenschein bedeutet. Für Mutter Kimia und Vater Timon ist es der erste Nachwuchs. „Die Geburt ist ein sehr großer Erfolg für den Opel-Zoo“, berichtet Jörg Jebram, wissenschaftlicher Kurator im Opel-Zoo und Koordinator des Europäischen Ex-Situ-Programms (EEP) für die Giraffen. Der Giraffenkenner leitet das europäische Zuchtprogramm für Giraffen und sorgt für eine genetisch gesunde Population. Der kleine „Sonnenschein“ begeistert nicht nur die Besucher im Opel-Zoo: Auch das Opel-Zoo-Team ist glücklich über den Nachwuchs. „Mir geht das Herz auf“, erzählt Giraffenkenner Jebram. „Es ist ein Wunder der Natur.“
Spektakulärer Sturz ins Leben
Auf einem Überwachungsvideo konnten die Tierfpfleger am nächsten Tag sehen, dass es eine ganz normale Geburt gewesen ist, berichtet Giraffenkenner Jebram. Im Gegensatz zu anderen Säugetieren bringt die Giraffe ihr Kalb im Stehen auf die Welt. Während der Geburt glitt das 1,60 m große Jungtier wie jedes andere Giraffen-Neugeborene auch aus fast 2 Metern Höhe auf den Boden. Bei Dienstbeginn der Tierpfleger war das zierliche Giraffenkalb dann schon auf den - noch etwas wackligen - Beinen und durchstreifte die dick mit Stroh ausgestreute Box im Giraffenhaus. „Der Sturz ins Leben ist aber ungefährlich, denn die Natur hat vorgesorgt Die Kochen und Knorpel der Giraffenkälber sind noch sehr weich“, so Jebram. Am Bauch der Mini-Giraffe baumelt noch ein dünner Rest der Nabelschnur. Wie bei Menschenbabys hat sich der Strang schwarz gefärbt und wird bald abfallen.
Stark bedrohte Tierart
Netzgiraffen sind eine stark bedrohte Tierart. Schon in den Jahren 1961 bis 1991 waren die stolzen Tiere im Opel-Zoo heimisch, bevor von 1991-2023 Rothschildgiraffen im Freigehege zu sehen waren und bis zum Tod von Zuchtbulle „Gregor“ im Herbst 2019 sehr erfolgreich gezüchtet wurden. 2021 kamen mit drei Kühen aus Karlsruhe erstmals wieder Netzgiraffen ins Freigehege, der neue Zuchtbulle „Timon“ folgte im März 2023. Nachdem zwei der Karlsruher Kühe dorthin zurückgekehrt waren, komplettierte „Kimia“ im Herbst 2023 die nun dreiköpfige Kronberger Netzgiraffen-Gruppe und schon bald war zu sehen, dass „Timon“ sich für den Neuzugang interessierte. Auch für ihn ist „Kianga“ der erste Nachwuchs.
„Kianga“ sei gesund und es gehe ihr gut. Das zierliche Jungtier, das nach der Geburt schon zwischen 50 und 60 Kilo wog, wurde nach der Geburt von der Zootierärztin gründlich untersucht. Trotzdem sind die ersten Monate im Leben einer kleinen Giraffe sehr aufregend. In der freien Wildbahn erleben mehr als die Hälfte der Jungtiere nicht den ersten Geburtstag. In einigen Jahren wird „Kianga“ dann ausgewachsen sein. Laut Jebram hat der Zoo noch nicht entschieden, wie es mit „Kianga“ weitergeht. Erst einmal müsse sie sich in den nächsten Monaten gut entwickeln. Dann könnte sie entweder in Kronberg bleiben oder in einen anderen Zoo umziehen.
Die Giraffe ist mit bis 5,8 m ist sie das höchste Landtier, hat mit etwa 50 cm eine sehr lange Zunge, besitzt die größten Augen unter den Säugetieren und natürlich den längsten Hals, obwohl sie wie fast alle anderen Säuger nur 7 Halswirbel hat. Die Paarhufer, die sich hauptsächlich von Blättern und jungen Trieben ernähren, können bis zu 1.000 Kilogramm schwer werden und in Zoos bis zu 30 Jahre alt werden. Jede Giraffe besitzt im Übrigen ein einzigartiges Fellmuster, ähnlich wie der Fingerabdruck des Menschen.
Nun hofft Jebram, dass sich bald auch bei Giraffenkuh„Maja“ Nachwuchs ankündigt. Sie hatte bisher noch keinen Nachwuchs und reagierte anfangs etwas skeptisch auf den Neuzugang. Giraffen leben anders als Elefanten in einem losen Herdenverband, um den Nachwuchs kümmere sich nur die Mutter. Der Giraffenkenner Jebram berichtet, „Kianga“ sei „forsch und sehr selbstbewusst“ auf die Kuh zugegangen, und „Maja“ habe die Flucht vor dem viel kleineren Tier ergriffen. Man kann nur abwarten, ob sich bei „Maja“ nun auch Nachwuchs ankündige, so der Giraffenexperte. Noch sei Zuchtbulle „Timon“ sehr interessiert an der Giraffenkuh, was gegen Trächtigkeit bei „Maja“ spreche.
Nachwuchs für Besucher zu sehen
Im Giraffenhaus können Besucherinnen und Besucher das Kalb bei seinen Erkundungstouren schon jetzt beobachten, denn ach den ersten Tagen in der geschützten Box ist das Jungtier nun regelmäßig im Giraffenhaus zu sehen. Neugierig erkundet das Jungtier die Umgebung und wird an die anderen Giraffen der Gruppe gewöhnt. Zwischendurch gibt es noch Ruhepausen in der Box, wo die Mutter ihr Kalb in Ruhe säugen kann.
Bei günstigem Wetter wird es in einigen Wochen auch auf die Außenanlage gehen. Und schließlich wird „Kianga“ auch an die weiteren Tierarten Gnus, Zebras und Impalas gewöhnt werden, mit denen die Giraffen auf der Außenanlage vergesellschaftet sind.
Jörg Jebram ist wissenschaftlicher Kurator im Opel-Zoo und Koordinator des Europäischen Ex-Situ-Programms (EEP) für die Giraffen. Er leitet das europäische Zuchtprogramm für Giraffen und sorgt für eine genetisch gesunde Population.