Kerstin Heinrich ist neue Hospizseelsorgerin

Begleitung von Sterbenden auf der letzten Lebensreise: Pfarrerin Kerstin Heinrich ist als neue Hospizseelsorgerin des Evangelischen Dekanats Hochtaunus nun Ansprechpartnerin und Ausbildungsleiterin für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der ambulanten Hospizdienste im Dekanat. Foto: Bergner

Hochtaunus (a.ber). In ihrer Kirchengemeinde Lorsbach sieht man Pfarrerin Kerstin Henrich nicht selten an der Bahnschranke stehen; die Gleise teilen den kleinen Ort bei Hofheim, und viele Lorsbacher warten dort notgedrungen öfters. Für die 1961 geborene evangelische Theologin, die seit 16 Jahren dort lebt und arbeitet, ist das gemeinsame Warten mit anderen eine willkommene Gelegenheit, „Seelsorge zwischen Tür und Angel“ zu betreiben. Das seelsorgerliche Kurzgespräch im Alltag ist für sie ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.

In den vergangenen anderthalb Jahren begleitete Kerstin Heinrich als Hospizseelsorgerin im Evangelischen Hospiz Frankfurt auch Menschen, deren „Lebenszug“ immer langsamer wird – und wo das geduldige Warten und Zuhören gemeinsam mit den Sterbenskranken für Angehörige, Hospiz-Mitarbeiter und Seelsorger mitunter viel mehr Zeit erfordert als beim ungeduldigen Füßescharren vor einer geschlossenen Schranke. „Das Leben ist eine Reise, die heimwärts führt“, zitiert Kerstin Heinrich den Autor Herman Melville.

Die Hospizarbeit, die gerade Ehrenamtliche in der Begleitung von Kranken bis zum Tod hier leisten, hat in der 59-Jährigen, die 30 Jahre Berufserfahrung als Gemeindepfarrerin hat, mehr und mehr den Wunsch geweckt, „Menschen zu begleiten, die wiederum selbst Begleitende sind“. Nun hat das Evangelische Dekanat Hochtaunus Kerstin Heinrich mit der halben Hospiz- und Besuchsseelsorgestelle für den Bereich Hochtaunus betraut. Am 7. November um 10 Uhr wird sie als Nachfolgerin für Pfarrerin Helgard Kündiger im Gottesdienst in der Gedächtniskirche Bad Homburg durch Dekan Tönges-Braungart in ihr Amt eingeführt.

Die in Mainz aufgewachsene Kerstin Heinrich merkte im Zuge einer Optiker-Lehre nach dem Abitur, wie wichtig ihr der Austausch mit Menschen ist – und änderte nach einem Praktikum in einer Kirchengemeinde ihre Berufspläne: Sie büffelte Latein, Altgriechisch und Hebräisch und machte nach dem Studium in Mainz, Heidelberg und Frankfurt 1989 ihr 1. Theologisches Examen. Pfarrstellen in Kronberg, Walluf und Kelkheim und seit 2005 in Hofheim-Lorsbach brachten Berufserfahrung. Immer wieder bildete sie sich im Bereich Seelsorge fort.

Nachdem die Ev. Landeskirche im Zuge der Strukturreform eine halbe Stelle in Lorsbach wegkürzte, entschloss sich Heinrich, in die Hospiz-Seelsorge einzusteigen. Nach wie vor betreut die verheiratete Mutter einer Tochter die nun halbe Pfarrstelle in Lorsbach. Den neuen Schwerpunkt ihrer Arbeit wird sie jetzt von einem Büro im Dekanat in der Heuchelheimer Straße in Bad Homburg aus gestalten: Zugeordnet zum Bad Homburger Hospizverein als Ansprechpartnerin für Haupt- und Ehrenamtliche der fünf ambulanten Hospizdienste im Dekanat Hochtaunus, in der Organisation und Durchführung von Fortbildungen und in Absprache mit den Gemeindepfarrern am Ort auf Wunsch auch in der seelsorgerlichen Begleitung von Patienten der Hospizdienste zu Hause oder im Hospiz. Ob der Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden nicht sehr belastend sei, werde sie oft gefragt, so Kerstin Heinrich. Sie bezeichnet ihn als eine „dankbare Arbeit, die bei aller Belastung das Herz auch weit macht“. Die Konfrontation mit Sterben und Tod sei in der Hospizarbeit für Betroffene, Angehörige wie Begleitende groß, „und die innere Not kann dem Betroffenen auch das schönste und bestgeführte Hospiz nicht nehmen. Aber es ist gut und richtig, in Begleitung sterben zu dürfen.“ Viele Menschen wollten am Ende ihres Lebens noch Dinge ordnen und Gespräche führen, machten sich Gedanken wegen ungelöster Konflikte oder der gerechten Verteilung ihres Erbes. „Es ist meist der Wunsch des Menschen, ein bestelltes Feld und Frieden zu hinterlassen. Manchen fällt es auch schwer, loszulassen. Und Konflikte, die nicht gelöst werden können – und es gibt Situationen, die nicht in Frieden aufzulösen sind und wo ich als Seelsorgerin den Streit auch nicht lösen helfen kann – wiegen oft schwer am Ende des Lebens. Aber die Möglichkeit, das Unfertige in Gottes Hand legen zu dürfen und im Gebet um Verzeihung zu bitten oder auch für Gutes zu danken, ist für manchen dann ein tröstlicher Gedanke.“

Oft erlebt Heinrich auch, „dass sich Sterbende an jedem Sonnenstrahl freuen können, der in ihr Zimmer fällt, und dem Ende gelassen entgegensehen“. Ihrer Erfahrung nach braucht es für den Begleitenden eine gewisse Lebenserfahrung, um die zugewandte Geduld zum Sterbenden durchzuhalten und nicht alles aus den Gesprächen mit nach Hause zu nehmen. Sie selbst findet Entspannung bei ihrem Hobby Kochen und bei regelmäßigen Reisen mit ihrem Mann in einem alten kleinen Wohnwagen durch osteuropäische Länder wie Slowenien oder Polen.

Ihre Erfahrungen wird die Pfarrerin künftig auch in der neunmonatigen Ausbildung für Ehrenamtliche in der Hospizarbeit weitergeben; in der zweimal jährlich stattfindenden Ausbildung für ehrenamtliche Besuchsseeelsorger, in der es zum Beispiel um Demenz und das System Familie geht, übernimmt sie das Modul „Spiritualität“. Gerade bietet sie eine stundenweise Fortbildung zum Thema „Miteinander reden – Die Kunst der Kommunikation“ an. Gemeinsam mit der Klinikseelsorgerin Margit Bonnet führt sie ab Februar 2022 in zehn Abenden eine „Kleine Seelsorge-Ausbildung: Einführungskurs in das helfende Gespräch“ für Ehrenamtliche aller Altersstufen durch. Einen Pilgertag auf dem Elisabethpfad hat sie bereits für das Dekanat gemacht: „Die Seele baumeln lassen, Austausch und spirituelle Impulse für alle“, das helfe, um Menschen auf ihrer letzten Lebensreise begleiten zu können.

!Die neue Pfarrerin für Hospiz- und Besuchsseelsorge des Evangelischen Dekanats Hochtaunus, Kerstin Heinrich, ist über den Bad Homburger Hospiz-Dienst unter Telefon 06172-8686868 oder per E-Mail an kerstin.heinrich2[at]ekhn[dot]de erreichbar.



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