Dr. Dagmar Giesecke verabschiedet sich nach 35 Jahren

Dankbar für die lange Zeit, in der sie für Schwangere und für kranke und leidende Menschen dasein konnte: Die Gynäkologin Dr. Dagmar Giesecke, Leitende Oberärztin und Leiterin des Brustkrebszentrums an den Hochtaunus-Kliniken, ist nach 35 Jahren am Bad Homburger Krankenhaus in den Ruhestand gegangen. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Wenn man die Ärztin für Frauenheilkunde Dr. Dagmar Giesecke fragt, wie vielen Kindern sie in ihren 35 Jahren Tätigkeit am Bad Homburger Krankenhaus als Geburtshelferin auf die Welt geholfen hat, gibt sie die Antwort „Sehr vielen!“ und lacht. Noch weniger kann sie ausrechnen, wie viele Gespräche sie im Laufe ihres Berufslebens, das sie 1987 mit dem Praktischen Jahr am Kreiskrankenhaus begann und als langjährige Leitende Oberärztin der Gynäkologie an den Hochtaunus-Kliniken und Leiterin des Brustkrebszentrums nun beendet hat, mit Rat und Heilung suchenden Kranken geführt hat.

Für die 1958 in Frankfurt am Main geborene und in Mörfelden-Walldorf aufgewachsene Dagmar Giesecke geht eine intensive Berufszeit als Ärztin zu Ende, die geprägt war von großem fachlichen Engagement und Können, Präsenzzeiten von bis zu zwölf Stunden täglich in der Klinik, vom Einsatz für so viele erkrankte Frauen im Hochtaunuskreis und im ganzen Rhein-Main-Gebiet. Die ungezählten gut verlaufenen Schwangerschaften und Geburten, die sie begleitete, sind dabei sicher leuchtende Steine im Mosaik ihrer Berufserfahrung. Mit ihrer Aussage, sie sei dankbar und glücklich über ihre Zeit am Bad Homburger Krankenhaus, schließt die warmherzige und temperamentvolle Medizinerin aber auch jene vielen Begegnungen mit kranken und leidenden Menschen ein, in denen sie schwere Gespräche führen musste und wo Grenzen des Machbaren zu akzeptieren waren.

Auf der Veranda ihrer Wohnung, in die sie 1995 mit ihrem Mann zog, liegen zwei gutgelaunte große steinerne Frosch-Figuren mit übergeschlagenen Beinen sichtlich entspannt. Im wirklichen Ruhe-Stand ist die 64 Jahre alte Gynäkologin nach eigener Aussage selbst aber noch nicht angekommen. Und nach einer Woche Urlaub, die sie sich zusammen mit ihrem Ehemann erstmal gegönnt hat, erzählt sie im Gespräch von ihrem Vorhaben, die Familiengeschichte aufzuarbeiten, von geplanten Vorträgen, Beiträgen für Fachzeitschriften und ihrem Engagement für den „Förderverein Onkologie der Hochtaunus-Kliniken – Lebensqualität im Fokus“, den sie mitgründete und dessen Vorstandsvorsitzende sie weiterhin ist. Ihre Energie müsse halt irgendwohin, lacht sie. „Oft hatte ich morgens vor sieben schon meine E-Mails auf dem Klinik-Handy gelesen oder war bei Problemen schnell mal außerhalb meiner Dienstzeit zum Krankenhaus gefahren – ich wollte ansprechbar sein für meine Patientinnen mit schweren Krankheitsverläufen, für ihre spontanen Sorgen und Fragen.“

Ihr Wunsch, Ärztin zu werden, entstand schon während der Schulzeit durch einen begeisterungsfähigen Biologielehrer. Trotz guten Abiturs konnte Dagmar Giesecke erst nach fünf Jahren Wartezeit mit dem Medizinstudium beginnen – „aber ich habe die Zeit genutzt und eine sehr gute Krankenschwester-Ausbildung beim Evangelischen Diakonieverband in Berlin gemacht“.

Schon damals faszinierte sie die so vielfältige Medizin in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Am Ende ihrer Studienzeit an der Medizinischen Fakultät der Uni Gießen, als sie ihr Praktisches Jahr beginnen wollte, starb plötzlich ihr Vater. Um in der Nähe von Mutter und Schwester bleiben zu können, wählte die angehende Ärztin als Lehrkrankenhaus das Bad Homburger Kreiskrankenhaus. Diese Wahl und ihr Wahlfach Gynäkologie brachten Dagmar Giesecke mit dem dortigen Leiter der Gynäkologie, PD Dr. Alfred Etzrodt, zusammen, dessen erste PJlerin sie wurde. Sie spricht mit Achtung und Zuneigung von ihrem früheren Chef, der sie immer wieder förderte. 1994 wurde sie Oberärztin, bildete sich im Schwerpunkt gynäkologische Krebserkrankungen fort. Die erfahrene Operateurin erwarb hier weitere Spezialqualifikationen, wurde 2009 Leitende Oberärztin der Frauenklinik und bildete viele junge Gynäkologen aus. Dr. Giesecke trieb die Kooperation mehrerer Kliniken im Rhein-Main-Gebiet auf dem Gebiet der Brustkrebsbehandlung voran; 2011 erfolgte die Gründung des heute renommierten Brustkrebszentrums an den Hochtaunus-Kliniken, das sie wesentlich prägte.

Die Familie mit ins Boot holen

„Ich halte es für entscheidend, Brustkrebspatienten von der ersten Diagnose an durch alle Phasen zu begleiten und zu betreuen. Und die Lebensqualität der Patientinnen kann heute durch Sport, Kreativtherapien und begleitende Psycho-Onkologie in jeder Krankheitsphase entscheidend verbessert werden.“ Das Thema Frauen und Brustkrebs werde heute zum Glück anders gesehen als früher. Noch vor zehn Jahren sei die Diagnose Krebs von den Frauen selbst oft vor Mann und Kindern verheimlicht worden, Narben nach Brustoperationen seien verheimlicht worden. „Da hat sich viel geändert: Heute holen wir gleich die Familie mit ins Boot, Offenheit und Ehrlichkeit auch gegenüber den Kindern in altersgerechter Weise sind sehr wichtig. Ich habe immer in Gesprächen auch zu bedenken gegeben, dass das Leben nicht nur aus hochgesteckten Zielen oder Karriere besteht, sondern dass wir Menschen auch durch Krankheit eine Zurückentwicklung erleben können und der Gedanke an den Tod nicht einfach verdrängt werden darf“, sagt die erfahrene Medizinerin, für die selbst der christliche Glaube eine Rolle spielt. Schwer sei es manchmal gewesen, alleinerziehenden Müttern oder Verwitweten ohne Familienunterstützung die Diagnose Krebs zu stellen oder jungen Frauen, für die der Kinderwunsch ein großes Thema war. Wie sie solche Gespräche immer wieder bewältigt habe? „Ich war fachlich konzentriert und fokussiert“, erklärt Dr. Dagmar Giesecke.

Dass die Bad Homburger Ärztin dabei für viele Kranke in den vergangenen Jahrzehnten ein segensreiches Gegenüber mit viel Empathie war, zeigt die Fülle an dankbaren Zuschriften, die sie anlässlich ihres Eintritts in den Ruhestand im Mai dieses Jahres bekommen hat. Stolz und gerührt zeigt sie ein kleines Gemälde, das eine Krebspatientin ihr zum Abschied gemalt hat: Es zeigt einen Raubvogel, der vor einem hellblauen Himmel schwebt.

„Ich habe oft zu Patientinnen gesagt: Von jetzt ab passe ich auf Sie auf wie der Hühnerhabicht Hugo! Damit wollte ich sagen, ich schaue mit Adleraugen hin und versuche, alles im Blick zu haben, damit eine Heilung und gute Begleitung gelingt.“ Nun sei Entspannung angesagt, meint Dr. Dagmar Giesecke, und mehr Zeit, gemeinsam mit ihrem Mann, dem sie für viele Jahre Verständnis und Unterstützung in ihrer Passion als Ärztin dankbar sei, ihre Heimatstadt Bad Homburg und Begegnungen mit Menschen zu genießen.



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