Deutsches Rotes Kreuz: Kreisversammlung zieht Bilanz

Hochtaunus (how). Überall auf der Welt, sei es beim Gefangenenaustausch im Gazastreifen, bei Erdbeben und anderen Naturkatastrophen oder beim Krieg in der Ukraine – überall ist das Rote Kreuz im Einsatz, seine Mission, ausgegeben von Gründervater Henry Dunant 1859 nach der Schlacht von Solferino: Menschenleben retten und Not lindern. Die immer volatiler werdende Weltsicherheitslage ist nicht dazu angetan, dass sich die Rotkreuz-Organisationen beruhigt zurücklehnen und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könnten. Diese besorgniserregende Entwicklung zog sich einem roten Faden gleich auch durch die Kreisversammlung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Hochtaunus vor Kurzem in der Kronberger Stadthalle.

Für den DRK-Kreisverband Hochtaunus gilt: Nach den Herausforderungen ist vor den Herausforderungen. Bei der Kreisversammlung des Hilfeleistungsverbandes in der Kronberger Stadthalle zog das Präsidium vor den Delegierten der zwölf Ortsvereine zwar eine insgesamt positive Jahresbilanz 2024. Auch steht der mit rund 400 haupt- und 800 ehrenamtlich beschäftigen Mitarbeitern einem mittelständischen Unternehmen gleichender Verband wirtschaftlich auf solidem Fundament.

Dennoch schworen Präsident Jürgen Banzer und DRK-Landesverbandspräsident Norbert Södler die versammelte Helferschar auch auf weitere schwierige Zeiten ein, die sich teils aus dem Fachkräftemangel ergeben, aber auch aus den ständig wachsenden Aufgaben des DRK im Zivil- und Katastrophenschutz.

Probleme durch Investitionsstau

In diesem Zusammenhang spiele auch der Investitionsstau bei Bund und Land, was deren Zuständigkeit beim Katastrophenschutz anbelangt, beziehungsweise dessen Auflösung, eine sehr wichtige Rolle. Zwar stehen der Organisation vom Land Hessen vorgehaltene Rettungs- und Katastrophenschutzmittel nominell zur Verfügung. „Die Autos sind größtenteils aber weit älter als die, die darin fahren, das geht im Ernstfall nicht lange gut“, mahnte der für die Organisation übergeordneter Einsätze im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit zuständige Rotkreuzbeauftragte Uwe Riehl, dazu, höheren Orts entsprechende Weichen zu stellen und sich der Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung in der Fläche bewusster zu werden.

Auch Norbert Södler sah hier eine enorm wichtige, aber auch dringend zu erledigende Aufgabe angesichts einer sich dramatisch verändernden Sicherheitslage auch in Europa. Früher habe das DRK bei der Bewältigung von Großschadenslagen die Unterstützung der Bundeswehr anfordern können, seit Erlass des Rotkreuz-Gesetzes 2008 sei es umgekehrt, die Bundeswehr sei im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen und im zivilen Bevölkerungsschutz auf das DRK angewiesen, das zusätzlich aber auch noch seinen satzungsmäßigen Auftrag im Sanitätsdienst und der Wohlfahrts- und Sozialarbeit zu erfüllen habe – eine riesige Herausforderung, so Södler.

Größtes Projekt für den DRK-Kreisverband im abgelaufenen Jahr war nach den Worten von Kreisgeschäftsführer Heiko Selzer die Konzentration aller Bereiche der Verwaltung, der ambulanten Pflege, des Bildungszentrums und des Katastrophenschutzes im neuen Verwaltungsgebäude in der Justus-von-Liebig-Straße 3a. Die neuen Räume tragen, so Selzer, deutlich zur Verbesserung der Kommunikation bei und ermöglichen ein effizienteres Arbeiten. Leider seien die Hallen des Katastrophenschutzes noch nicht komplett nutzbar, da die Zuwegung noch fertig asphaltiert werden muss. Bis Ende März soll das aber erledigt sein. Selzer verwies in diesem Zusammenhang auf den „Tag der offenen Tür“ am Samstag, 17. Mai.

Der Rettungsdienst verzeichnete 2024 rund 36 500 Einsätze, 1100 mehr als im Vorjahr. 8400 konnten aufgrund der Indikation, Verweigerung oder weil Patienten nicht angetroffen werden konnten, nicht abgerechnet werden, sehr ärgerlich, so Selzer, denn die eingesetzten Rettungsmittel seien dadurch trotzdem gebunden gewesen.

Die Personalsituation im Rettungsdienst beschrieb er als sehr herausfordernd. Es herrsche weiterhin Fachkräftemangel. Der Kreisverband bilde derzeit jährlich 14 Notfallsanitäter und 22 Rettungssanitäter aus, so Selzer.

Bundesweiter Personalmangel

Der bundesweite Fachkräfte- beziehungsweise Personalmangel, dazu Urlaube und Krankenstände führten zu einer Anhäufung von Überstunden und damit zu sehr hohen Belastungen der Mannschaft. In der ambulanten Pflege sei „ein Team aus Pflegedienstleitung, Verwaltungskräften, Pflege-, Hauswirtschafts- und Betreuungskräften, die ihren Beruf mit viel Leidenschaft ausüben“ im täglichen Einsatz. Ein Wachstum um 6,4 Prozent gab es 2024 beim Hausnotruf/Mobilruf. Aktuell machen über 2600 Kunden das DRK unter den Anbietern zum „Platzhirsch“ im Landkreis. Künftig könnten Hausnotrufe auch über eine Smartwatch abgesetzt werden. Beim Menü-Service habe man mit massiven Preissteigerungen beim Lieferanten zu kämpfen, die an die Kunden weitergegeben werden müssten. Aktuell werden 358 Kunden mit knapp 60 000 Menüs jährlich versorgt.

Die Kindertagesstätten „Spatzennest“ und „Victoria“ befinden sich laut dem Geschäftsbericht personell und konzeptionell weiter auf einem guten Niveau. Mit dem im Februar 2024 vollzogenen Umzug der Kita „Spatzennest“ nach Dornholzhausen ist die neue Krippengruppe mit zwölf Kindern bereits voll ausgelastet.

Der Fachbereich „Flüchtlingshilfe“ habe sich im Laufe der Jahre aufgrund anhaltender Spannungen in der Welt dauerhaft etabliert. In den DRK-Flüchtlingsunterkünften Bad Homburg, Oberursel, Friedrichsdorf, Schmitten und Schloßborn werden derzeit rund 700 geflüchtete Menschen betreut.

Auch die Fachbereiche Kinder, Jugend, Familie und Senioren seien weiterhin eine starke Säule im DRK-Gefüge. Mit den Hauswirtschafts-, Einkaufs- und Begleitdiensten sowie den ehrenamtlichen und aktivierenden Hausbesuchsdiensten habe man bedarfsgerechte und rege nachgefragte Angebote geschaffen, die weiter ausgebaut würden. So finde auch das Besuchshundeteam in den Pflegeeinrichtungen sehr guten Anklang. „Dank des engen Kontaktes zu unseren Klienten und Gästen sowie den innovativen Konzepten ist es uns gelungen, die Bedarfe in der Bevölkerung zu erkennen und Lösungen im Sinne des Rotkreuzgedankens zu schaffen“, bilanzierte Selzer.

Bildungszentrum sehr erfolgreich

Erfolgreich auch die Bilanz des Bildungszentrums als Garant für höchste Qualität und Praxisnähe in der rettungsdienstlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung. Ziel sei es, alle notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, die im Einsatz benötigt werden. 2024 konnten die Teilnehmerzahlen im Bereich der Breitenausbildung um 400 auf 3465 erhöht werden. In der Fachausbildung des Rettungsdienstes und Notarztpersonals sowie der sanitätsdienstlichen Ausbildung konnten 554 Teilnehmer erreicht werden, 150 mehr als 2023.

Um Mitgliederverluste aufzufangen, wurden auch 2024 wieder Werbeaktionen durchgeführt. In Usingen und Neu-Anspach konnten im Herbst 2024 knapp 480 Neumitglieder und Beitragsaufstocker gewonnen werden. „Mehr denn je brauchen wir Mitstreiter und finanzielle Unterstützung für die ehrenamtliche Aktivarbeit der Kreisbereitschaft, des Katastrophenschutzes, der DRK-Aktivitäten und des sozialen Engagements“, sagte Selzer und kündigte weitere Mitgliederwerbeaktionen an.

Noch nicht abgeschlossen sind Gespräche mit dem Landkreis zur Erarbeitung einer dauerhaften Förderrichtlinie für den Katastrophenschutz im Hochtaunus. Der Kreisverband rechnet hier mit einvernehmlichen Ergebnissen bis Sommer/Herbst 2025. In diesem Zusammenhang dankte Selzer Landrat Ulrich Krebs für die in jüngster Vergangenheit geleistete Unterstützung, auch bei der Schaffung neuer Unterkünfte für die Ortsvereine in Usingen, Oberursel und Friedrichsdorf, „man merkt, wie wichtig der Katstrophenschutz genommen wird, aber auch, dass die Aufgaben und vielen Stunden, die von unseren Ehrenamtlichen geleistet werden, mehr und mehr wahrgenommen und gewürdigt werden“, sagte Selzer.

Als ungewiss bezeichnete er die künftige Nutzung des früheren DRK-Standorts in der Kaiser-Friedrich-Promenade. Ursprünglich sollten hier eine neue Kita, ein Stadtteilfamilienzentrum, zwei Wohngruppen für je zwölf Personen, 35 frei vermietbare Wohneinheiten inklusive sozialem Wohnungsbau, Tagespflege, Kleiderkammer sowie 44 Tiefgaragenplätzen entstehen. Nachdem die Stadt Bad Homburg aber erklärt habe, dass sie an dieser Stelle weder Bedarf für eine neue Kita, noch für ein Stadtteilfamilienzentrum sieht, müsse umgeplant werden, da dies für das DRK somit überwiegend Wohnungsbau und damit höhere Aufwendungen bei der Schaffung von Tiefgaragenstellplätzen bedeute. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung dazu sei in Arbeit. Wegen eines neuen Standortes für die nach der Standortaufgabe im Stadtzentrum nach Dornholzhausen ausgelagerte Kita „Spatzennest“ sei das DRK bereits mit der Stadt Bad Homburg im Austausch.

Das zu 99,35 Prozent ausgelastete Alten- und Pflegeheim Kaiserin-Friedrich-Haus in Kronberg habe sich auch 2024 in allen Bereichen dank des engagierten, erfahrenen und stabilen Teams als sichere Bank erwiesen. Die hohe Qualität in der Pflege und Betreuung sei sichergestellt und auch wirtschaftlich sei es dem Team um Geschäftsführer Sebastian Fischer wieder gelungen, nicht nur eine stabile und harmonische Atmosphäre zu schaffen, sondern auch positive wirtschaftliche Entwicklungen zu generieren.

Auch für die Kreisbereitschaftsleitung lagen 2024 die größten Herausforderungen im Umzug in die Justus-von-Liebig-Straße. Kreisbereitschaftsleiter Mark Henning sagte, bereits im Februar seien im Ausbildungszentrum, damals noch in der Otto-Hahn-Straße in Friedrichsdorf, die Umzugskisten gepackt worden. Auch die Informations- und Kommunikationszentrale mit ihrer aufwändigen Technik sei nach und nach abgebaut und für den Umzug vorbereitet worden. Leider seien der Umzug und die nachgeordneten Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen. Henning sprach von einem „Leben auf der Baustelle“.

Er berichtete von mehreren größeren Einsätzen. So habe sich weniger als 24 Stunden nach dem enorm personalintensiven Sanitätswachdienst beim Radrennen am 1. Mai eine Regen- und Gewitterfront über dem Vordertaunus entladen. Der alarmierte DRK-Einsatzstab habe sich aus einem umzugsbedingt provisorischen Lagezentrum heraus organisieren müssen. Dazu kamen noch kleinere und größere Einsätze im Rahmen eines Massenanfalls von Verletzten und bei größeren Bränden und Schadenereignissen, etwa beim Großbrand in der Bad Homburger Altstadt im September und beim Brand einer Lagerhalle in Kronberg, wo das DRK mit seinen multifunktionalen Einsatzeinheiten für die Verpflegung der Einsatzkräfte sorgte. Sehr viel ehrenamtliches Personal sei auch im vorbeugenden Katastrophenschutzeinsatz bei der Fußball-Euro-2024 durch die Bereitstellung schnell verfügbarer Einheiten tagelang gebunden gewesen.

Wichtige Bauprojekte

Der für die Entwicklung der Standorte zuständige Baubeauftragte Axel Bangert fokussierte seinen Jahresbericht im Wesentlichen auf drei Projekte. Größtes Bauvorhaben sei nach 20-jähriger Suche und der Prüfung von nicht weniger als 18 potenziellen Bauflächen die Zusammenführung der Rettungswache Oberursel mit vier sowie der Unterkunft des DRK-Ortsvereins Oberursel mit acht Fahrzeugstellplätzen im Gewerbegebiet „Hammergarten“. Seit September werde dort zügig gearbeitet. Ende April soll der Rohbau fertig sein, Bezug könne demnach bereits Ende des Jahres sein. Etwas langsamer gehe es in Neu-Anspach, wo am Ortsausgang Richtung Schwimmbad auf nicht gerade einfachem, weil hängigem Baugrund, eine neue Rettungswache zur besseren Versorgung der Weiltalgemeinden mit drei Garagen und einem Sozialtrakt entstehen soll. Von der Bauaufsicht seien immer neue Nachforderungen gekommen, die inzwischen aber abgearbeitet seien. Bangert hofft hier auf einen Baubeginn im Sommer und eine Fertigstellung Mitte 2026. Gut vorankommen dagegen die Arbeiten in Friedrichsdorf-Köppern. Dort entsteht direkt gegenüber der neuen Rettungswache im Gewerbegebiet ein Neubau für den Ortsverein. Der Rohbau ist hier bereits fertig. Bangert rechnet mit der Fertigstellung noch in diesem Jahr.

DRK ist tragende Säule

Zu Beginn der Kreisversammlung waren von der Kreisbeigeordneten Antje van der Heide in Vertretung von Landrat Ulrich Krebs, vom Kreistagsvorsitzenden Renzo Sechi sowie vom Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbandes und Präsidenten des Landesfeuerwehrverbandes, Norbert Fischer, Grußworte an die Ehrenamtlichen gerichtet worden. Antje van der Heide nannte das DRK eine tragende Säule der Gesellschaft im Hochtaunuskreises. Nach ihrem Eindruck fragten die Mitglieder nicht, was sie selbst von ihrer Mitgliedschaft haben, sondern wo sie helfen können. Das DRK sei ein ermutigendes „Symbol für die Menschlichkeit“. „In der Not seid Ihr die Ersten“, sagte van der Heide, die bezogen auf die derzeitige Weltsicherheitslage erklärte, dass in Katastrophenlagen verlässliche, noch dazu ehrenamtlich tätige Organisationen wie das DRK gebraucht würden, mehr denn je.

Ähnlich äußerte sich auch Norbert Fischer: „Was wären die Feuerwehren ohne die hervorragende Zusammenarbeit mit dem DRK – wir wären nichts“, sagte Fischer, der mehr finanzielle, aber auch organisatorische Unterstützung der Landes- und Bundespolitik im Katastrophenschutz einforderte. Darüber werde zwar auf höherer Ebene hochkarätig besetzt diskutiert, zunächst müssten aber die Zuständigkeiten im Zivil- und Katastrophenschutz strukturell definiert werden, gerade auch im Hinblick auf die Anforderungen bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Von bewegten Zeiten und zunehmend schwieriger werdender Sicherheitslagen sprach auch Kreistagsvorsitzender Renzo Sechi. Er verurteilte unter dem Beifall der DRK-Mitglieder die zunehmende Zahl von An- und Übergriffen auf Angehörige von Hilfs- und Rettungsorganisationen aufs Schärfste. Andererseits beobachte er mit Freude die hervorragende Zusammenarbeit des Brand- und Katastrophenschutzes und des DRK im Hochtaunuskreis.

Ein weiterer Tagesordnungspunkt war die Wahl des Justiziars in das Präsidium. Marius Bergermann, der selbst ehrenamtlich seit vielen Jahren im DRK ist, Vorsitzender der OV Friedrichsdorf sowie Zugführer im Betreuungszug und beruflich als Rechtsanwalt tätig ist, wurde einstimmig gewählt.

Erstmals waren die Delegierten aus den Ortsvereinen an einem Samstagvormittag, statt wie bisher abends unter der Woche, zusammengekommen. Auch war das Präsidium des Kreisverbandes bei dieser Versammlung vom tradierten Tagungskonzept abgewichen. Die rund ein Dutzend Berichte der einzelnen Fachabteilungen, die bisher immer „live“ vorgetragen wurden, waren den Delegierten vorab im Download zur Verfügung gestellt worden, was zu einem erheblichen Zeitgewinn führte, sodass sich nach dem vom Verpflegungszug des Kronberger DRK zubereiteten Mittagessen themenbezogene Arbeitsgruppen bilden konnten. Themen waren unter anderem die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, die Willkommenskultur im DRK, die Organisation von Altkleidercontainern und Kleidershops sowie ein Brainstorming zur zivil-militärischen Zusammenarbeit zwischen DRK und Bundeswehr im Kriegs- und Katastrophenfall.



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