Im Ehrenamt zuhause: Gerd Wiesner feiert seinen 80. Geburtstag

Der Träger der städtischen Ehrenurkunde, Gerd Wiesner wird 80. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Seinen Weg hat Gerd Wiesner, der kommenden Dienstag, 30. Juni mit seiner Familie seinen 80. Geburtstag feiert, längst gefunden; der nach einem Studium der Theologie üblichen Weg ins Pfarramt war es allerdings nicht. „Ich bin nach meinem Studium zunächst wissenschaftlicher Assistent für praktische Theologie an der Universität in Mainz geworden“, erzählt Wiesner, der vielen Kronbergern als ehemaliger langjähriger Vorsitzender des Kontakt- und Freundeskreises ein Begriff ist. Der Kreis, hatte sich Anfang dieses Jahres aufgelöst und Gerd Wiesner war im Rahmen des Neujahrsdialoges für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement mit der städtischen Ehrenurkunde bedacht worden. Während seines Studiums war es nicht die Tübinger Fakultät, an der er sich wohl fühlte, sondern vor allem sein Studienjahr in Zürich und in Utrecht (Holland), die ihn als weltoffene Städte mit ihrem geistigen Gedankengut prägten. „Gerade Utrecht war uns damals in seiner gesellschaftspolitischen Entwicklung voraus und ist es vielleicht heute wieder“, meint er. Von Mainz schließlich führte ihn nach bald der Gründung des Religionspädagogischen Institutes (RPZ) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) 1968 in Schönberg der Weg in die Burgstadt. „Es wurde jemand gesucht, der sich dem Bereich Sonderschulen annahm“, blickt Wiesner auf seine beruflichen Anfänge zurück. Er übernahm die Lehrplangestaltung und schloss ein Aufbaustudium der Sonderschulpädagogik mit den beiden Schwerpunkten Lernbehindertenpädagogik und Verhaltenspädagogik an, um für seine neue Aufgabe fachlich gut gerüstet zu sein.

Aus dem Dozenten Wiesner, der Bildungspläne in enger Verzahnung mit Lehrern, Kirche und Kultusministerium erarbeitete sowie Seminare zur Aus- und Fortbildung von Religionslehrern und Pfarrern in Hessen und Rheinland-Pfalz leitete, wurde schnell ein stellvertretender Leiter und von 1983 bis 2000 der Leiter des RPZ. „Das Schöne im Rückblick auf meinen beruflichen Werdegang ist, dass ich eigentlich immer die Arbeit machen konnte, die mir Freude bereitet hat. Einen grauen Berufsalltag, durch den man durch muss, habe ich nie erlebt“, gesteht er. Sehr freiheitlich sei seine Arbeit im inzwischen geschlossenen RPZs gewesen, dass sich damals noch mit dem Bau eines Tagungshauses, welches in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde entwickelt wurde, i

in der Expansion befand. Um die verschiedenen fachlichen Bereiche in ihrer Tiefe zu durchdringen, waren Austausch und eigene Weiterbildung Grundvoraussetzung, um einen guten Job zu machen. Interessant findet Gerd Wiesner dabei seine Erfahrung, dass er bei der Zusammenarbeit mit den staatlichen Ämtern gar nicht auf viele „Betonköpfe“ traf, wie er zunächst vermutet hatte. „Ich habe erstaunlich konstruktive Schulamtsleitungen gefunden, offene und flexible Verhältnisse vorgefunden.“ Dagegen habe er die basisdemokratische Arbeit in den Gemeinden, wie der evangelischen Kirchengemeinde Oberhöchstadt, eher manchmal als zäh erlebt. Wohl sei die Gemeindearbeit „lebendiger, dafür aber wenig berechenbar“. 1989 übernahm er als Oberkirchenrat in Darmstadt die Leitung gleich mehrerer Felder wie Diakonie, Kirchenrecht, Seelsorge und schulische Bildung. Zeitgleich wurde der studierte Theologe in Oberhöchstadt in den Kirchenvorstand gewählt. „Als mir in Darmstadt Jugendliche ihr Leid klagten, dass sie innerhalb der Gemeinde nicht richtig verstanden würden und nicht ernst genommen würden, musste ich erkennen, dass sie recht hatten.“ Denn er erlebte in Oberhöchstadt ebenfalls, dass sie, die sich jung und geduldig zu Recht als Zukunft der Kirche verstanden und ihre Ideen verwirklicht sehen wollten, oftmals in der Gemeinde nicht gehört wurden. Oberkirchenrat blieb Wiesner bis zu seiner Pensionierung. „Diese nun eher politische Funktion als Kirchenfunktionär habe ich als eine weitere bereichernde und interessante Aufgabe erlebt“, erzählt er. Nicht gerechnet hatte er allerdings damit, im Ruhestand wieder zu seinen Wurzeln, der Sonderpädagogik zurückzukehren. „Eigentlich dachte ich, damit schließe ich jetzt ab und mache mal etwas ganz anderes.“ Statt dessen sprach ihn der damalige Vorsitzende des Kontaktkreises, Dr. Rainer Bollwan, an. „Er suchte einen Nachfolger für den Freundeskreis, der ursprünglich von Renate Lasson 1978 gegründet worden war. Wiesner ließ sich schnell überreden, denn ihm war auch klar, dass es auf jeden Fall eine neue Aufgabe brauchte. „Warum dann nicht das tun, worin man bewandert ist“, sagte er sich und setzt bescheiden hinzu: „Der Sache geschadet hat es wohl nicht.“ Zwar wurde der Kontakt- und Freundeskreis Behinderter dieses Jahr aufgelöst, aber vor dem Hintergrund, dass behinderte Menschen inzwischen glücklicherweise viel besser in der Gesellschaft eingegliedert sind. Sie sitzen nicht mehr alleine zuhause, sondern viele sind in Arbeitswelt und Freizeit voll integriert. 1978 waren die Gehsteige zur Straße hin noch nicht abgesenkt, es gab keinen Treppenlifter und schon gar keine Rollstühle, die im Museum auf behinderte Besucher warten.

In dem Jahr, als Gerd Wiesner den Vorsitz 2001 übernahm, mit Reinhild Fassler und Beatrix Heute an seiner Seite, trat auch das Schwerbehindertertenrecht mit seinem Diskriminierungsverbot und dem Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung in Kraft. Für Gerd Wiesner kein Grund sich nun vielleicht ganz auf die Theorie zu beschränken, zum Beispiel auf die Debatte aktueller sozialpolitischer Themen, wie dem Thema Inklusion. Mit seinen bald 80 Jahren hat Wiesner noch einige ehrenamtliche Tätigkeiten mehr zu bieten – sie alle scheinen sich wie Perlen auf einem gut erkennbaren roten Faden aufzufädeln: Schon länger besucht er seitens der Kirchengemeinde ältere Gemeindemitglieder zuhause. Und der Fortbildungen nicht müde, hat er sich vor fünf Jahren zum Hospizhelfer ausbilden lassen. „Ich habe das älteste Hospiz in Köln kennengelernt, dort ist mein Vetter gestorben. Das war wohl mein Einstieg in diese Arbeit“, bemerkt er. Außerdem findet er es gut, wenn sich nicht alles immer nur „um die eigene Thematik dreht.“ Die fachliche Weiterbildung helfe ihm natürlich inzwischen auch bei seinen Besuchsdiensten, die er schon viele Jahre lang für die Gemeinde unternimmt. „Man verliert die Scheu, muss auch bei schlimmen Erfahrungen nicht mehr gleich weglaufen.“ Hospizhelfer sei aber in keinem Fall eine traurig stimmende Tätigkeit. „Im Gegenteil, wir lachen viel zusammen mit den Menschen, die wir betreuen und die Aufgabe befriedigt einen sehr, weil man mit dem Menschen, den man sonst nie kennengelernt hätte, ein Stück Leben teilt. Diese persönliche Beziehung bleibt bestehen, auch wenn der Mensch immer weniger wird, wenn es ein ständiges Abschiednehmen ist“, sagt der Jubilar.



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