Ein sprühendes Energiebündel: Wo Svenja Appuhn auftaucht, bewegt sich was

Anpacken und verändern lautet Svenja Appuhns (rechts) Devise, hier zu sehen beim Getränkekisten Stapeln für den guten Zweck mit weiteren Schülerinnen. Foto: privat

Kronberg (mw) – „Ich wollte schon immer etwas verändern“, sagt die 17-jährige Kronbergerin, Svenja Appuhn. Sich zu treffen, um zu chillen ist nicht ihr Ding. Die stellvertretende Schulsprecherin des Taunusgymnasiums hat früh angefangen, sich einzumischen. Dafür gesorgt hat ihr Gerechtigkeitssinn, gepaart mit einer guten Portion Selbstbewusstsein. „Wenn ich fand, dass Lehrer Schüler ungerecht behandeln, dann habe ich es ihnen gesagt“, erklärt sie. Als kleinen Naseweis ist sie damit nicht immer auf Wohlwollen gestoßen. Aber wenn sie dem Lehrer vorgerechnet hat, dass er sich bei der Notengebung bei einem Mitschüler verrechnet hat, siegte am Ende schließlich doch die Gerechtigkeit. „Inzwischen bin ich älter geworden, jetzt ist es einfacher, ich werde wohl ernster genommen.“ Ihren Mitschülern hat sie schließlich erklärt, dass es bei der Klassensprecherwahl nicht darum gehen sollte, wer die meisten Freunde in der Klasse hat, sprich am beliebtesten ist, sondern darum, denjenigen zu wählen, der sich für die Schüler bereit ist einzusetzen, der für Lösungen sorgt, wenn es Probleme gibt. „Und das war ich, also haben sie mich schließlich auch gewählt“, erzählt sie lachend. Kaum hatte sie sich für das Taunusgymnasium entschieden (damals konnte man nur dort mit Französisch als erster Fremdsprache beginnen), zog es sie dort in die Schülervertretung. „Ich finde es toll und wichtig, dass es ein solches Gremium gibt, in dem sich die Schüler zusammenschließen können und deren Stimme zählt“, sagt sie. Ihr reichte es jedenfalls nicht, den SV-Raum dazu zu nutzen sich zu treffen und die Musikanlage aufzudrehen, sie wollte und will mehr. „Mich hat auch die Politik von klein auf interessiert“, so Appuhn. Schließlich müsse diskutiert werden, um etwas zu verändern. Natürlich seien es oftmals nur kleine Schritte, die man vorankomme. Oftmals aber urteilten die Bürger über die Arbeit der Abgeordneten, ohne sie in ihrer Komplexität wirklich zu verstehen. Svenja Appuhn jedenfalls fand die Wahlen als eigene Einflussnahme auf das politische Geschehen als Kind schon ungeheuer spannend. „Das heißt aber nicht, dass wir zuhause tagtäglich über Politik diskutieren.“ Sie kommuniziert gerne, aber sie verliert dabei nicht ihr anvisiertes Ziel aus den Augen, etwas zum Positiven zu verändern: Das kann die Wiedereinführung der Unterstufenparty sein, die viele Jahre nicht mehr stattfand, weil sich keiner darum kümmerte oder durchzusetzen, neue Stühle und auch ein paar gemütliche Sofas für die Schule zu erhalten. „Ich habe mir einfach gedacht, wenn ich in der Woche sieben Zeitstunden hier verbringe, in denen ich keinen Unterricht habe, dann will ich hier auch einen guten Lebensraum haben.“ Sie freut sich über jeden Schüler, der ihr sein Vertrauen schenkt, dem sie helfen kann. Vergangenes Jahr konnte das Taunusggymnasium 10.000 Euro für seine Partnerschule in Nordostindien spenden. Eine kleine Veränderung machte es möglich, die Einnahmen erheblich zu steigern: „Wir haben die Beobachtung gemacht, dass die Pfandflaschen einfach im Papierkorb landen.“ Jetzt gibt es Pfandboxen in der Schule, die gerne genutzt werden, um die Flaschen zu „entsorgen“. Auf diese Weise spenden viele der Schüler täglich 25 Cent für das Anguri-Projekt im Bundesstaat Assam in Nordostindien. „Und wenn es wieder 500 Kinder mehr sind, die dort durch unseren Einsatz eine Chance auf ein lebenswertes Leben durch Bildung haben, dann ist das gut“, sagt sie. Nach ihrem Abitur möchte sie selbst für fünf Monate mit der Organisation Child Aid vor Ort mit den Schülern arbeiten. „Am liebsten würde ich sie unterrichten.“ Für sie ist das keine Wahl, um im Lebenslauf einen Pluspunkt zu haben, sondern, um fremde Kulturen kennen zu lernen und den Menschen zu helfen. „Wenn man die Armut dort sieht, dann versteht man glaube ich erst wirklich, in welchem Luxus wir hier leben.“ Sie jedenfalls hofft, dass es noch etwas anderes gibt als „Boss in einer großen Firma zu werden, der die Arbeitskräfte in Indien ausbeutet, weil sie dort beispielsweise in einstürzenden Fabriken arbeiten müssen.“ Die Einstellung, die sie von einigen Mitschülern kennt „Ich will mal Chef werden und viel Geld verdienen, egal woher das Geld kommt“, teilt sie jedenfalls nicht. Kapitalismus ja, aber bitte nicht in dieser Form. „Alles strebt allein nach wirtschaftlichem Wachstum, aber es kann nicht alles immer nur wachsen“, findet die 17-Jährige, die sich aktuell als Mitglied des Kreisschülerrats gerade dafür einsetzt, dass möglichst viele Schulen im Hochtaunuskreis ganz auf Recycling-Papier umsatteln. „Das ist gar nicht viel teurer und eigentlich gesetzlich sogar längst vorgeschrieben“, weiß sie. „Wir sind an zehn Schulen dran und zwei haben bereits umgestellt“, freut sie sich über erste Erfolge. Vor Weihnachten hatte sie spontan gemeinsam mit der Kreisschulsprecherin Marie Tebold von der Altkönigschule eine weitere Aktion ins Rollen gebracht. „Marie ist, glaube ich, ähnlich begeisterungsfähig wie ich.“ Gemeinsam riefen sie zu einer Kleider- und Spielzeugsammlung für die Flüchtlinge auf (wir berichteten). Der Erfolg war so groß, dass sie erst mal zwei Tage in den Ferien Kleidung sortieren mussten. „Ein wenig hat man uns leider auch als Kleiderentsorgungsstation missbraucht, aber insgesamt hatten wir trotzdem eine Menge guter Kleidung zum Weitergeben. „Am Ende war noch viel Spielzeug übrig, das nun für SOS-Kinderdörfer und für die Schuhkarton-Packaktionen an Schulen Verwendung finden kann“, freut sie sich. Was ebenfalls zu dem großen Spendenaufkommen für das Anguri-Projekt beitrug, war eine weitere Aktion: „Wir haben uns samstags an einen Getränkemarkt gestellt und für das Pfand für die Leerkästen beim Tragen geholfen. „Die Leute haben sich sehr gefreut, dass wir helfen und uns einfach Geld gespendet. Da kamen allein 200 bis 300 Euro zusammen“, freut sich Svenja Appuhn. „Das müssen wir unbedingt mal wieder machen“, sagt die durchtrainierte junge Frau, deren Hobby seit vielen Jahren Taekwondo ist. Dafür fährt sie bis nach Frankfurt zum Verein „Frauen in Bewegung“, denn die Atmosphäre, die dort herrscht, findet sie einfach toll. Wer sich einmischt, stößt schließlich nicht immer nur auf freudige Gesichter. „Oftmals werde ich auch für arrogant gehalten“, sagt sie. Beim Taekwondo fühlte sie sich von der ersten Stunde als Mensch angenommen und das Training hat sie in ihrem Selbstbewusstein gestärkt. „Oftmals bin ich drei bis viermal pro Woche mit der S-Bahn nach Frankfurt zum Trainieren gefahren“, verrät sie. Inzwischen hat die den zweiten Dan (zweiter Schwarzgurt). Das schafft auch sie, trotz schneller Auffassungsgabe, in der sogenannten „Q-Phase“, in Vorbereitung auf das G8-Abitur, momentan nicht mehr. Aber einmal die Woche Training lässt sie sich nicht nehmen. „Ich könnte gar nicht ohne“, sagt sie. Dem Abitur nach zwölf Jahren erteilt sie eine klare Absage. „Das ist großer Schwachsinn“, findet sie. Vor allem, wenn dann noch durch den Ferienbeginn, extrem kurze Schulhalbjahre hinzukämen. Gemeinsam mit dem Schulelternbeirat und der Lehrergewerkschaft soll nun ein Papier erarbeitet werden, um durchzusetzen, dass das Halbjahr entsprechend flexibel im neuen Jahr später endet. Denn der Begriff „Bulimie-Lernen“, den die Schüler verwenden, sei leider sehr treffend. „Bei 16 Klausuren in sieben Wochen lernt man nicht in kurzer Zeit viel, sondern vergisst in kurzer Zeit viel“, betont sie. „Wie sonst will man für das nächste Thema im Kopf Platz schaffen?“

Ihr soziales Engagement, ihre Energie, sich neben Schule und Alltag für ihre Mitmenschen einzusetzen, hat der Zonta Club Kronberg-Bad Soden, dessen Ziel weltweit die Verbesserung der Stellung der Frau ist, kürzlich erst mit dem „Young Women in Public Affairs Award“ gewürdigt (wir berichteten). Dieser neu ausgerufene Preis soll das soziale und politische Engagement junger Frauen durch Stipendien und Preise fördern.



X