Kronberger Volontär arbeitet in den Kindergärten der Townships Kapstadts

Kronberg. – Im Township Nomzamo in Kapstadt, blauer Himmel, die Sonne scheint. Auf der staubigen Asphaltstraße steht die Luft, es ist circa 30 Grad warm. Mit einer seltsamen Mischung aus Neugier, Respekt, Argwohn und vielleicht Neid mustern die passierenden Township-Bewohner – alle dunkelhäutig – die drei gerade mit dem Auto angekommenen Weißen, hier auch „Mulungu“ genannt, und gehen ihres Weges. Die drei Weißhäutigen verschwinden in einem durch einen für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich hohen Gitterzaun abgesicherten Gebäude. Nach einigen Minuten kommen sie wieder heraus, hinter ihnen ein Dutzend drei- bis sechsjähriger fröhlich hüpfender Township-Kinder. Bernd Holtkamp, 80 Jahre alt, mehrfacher Gründer von Kindergartenprojekten in der Region und ehemaliger TEVC-Tennisspieler, öffnet den Kofferraum seines Mitsubishi-SUV und verteilt Süßigkeiten aus mehreren Maxi-Tüten an sie. Auf der Straße spielende Kinder, und einige ihrer Kompagnons aus den benachbarten Häusern, treten an die inzwischen entstandene Menschentraube heran. Viele der Kinder freuen sich beim Empfang der Süßigkeiten, einige blicken kritisch drein – etwa als würden sie dem nicht trauen, was hier gerade vor sich geht.

Natürlich beschränkt sich Holtkamps Wirken in der Kapregion nicht auf das Verteilen von Süßigkeiten – das ist vielmehr die Kirsche auf dem Sahnehäubchen einer stattlichen Torte. Während der letzten zwanzig Jahre setzte Holtkamp in Kapstadt Vorhaben aller Art um – alles rund um den Kindergarten: Nicht nur den Bau, die Instandhaltung und Renovierung, beispielsweise als Dachdecker, erledigte er eigens und „hands-on“, auch die Materialbeschaffung sowie die Abwicklung und Einholung von Architekturplänen und Baugenehmigungen erledigte er quasi im Alleingang. Eine wertvolle Arbeit, vor allem, dort wo die einheimischen Erzieherinnen und alle am Kindergartenaufbau Beteiligten gerade mit Formalitäten oftmals Schwierigkeiten haben. Diese Aktivitäten sind auch deshalb so wichtig, weil so zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Bernd Holtkamp – ein Macher

Holtkamp kam 1995 aus dem Frankfurter Raum nach Südafrika. Mit Engagement und Leidenschaft krempelte er die Ärmel seines damals noch weißen Anzughemds hoch und baute im Township Macassar, 45 Kilometer südöstlich von Kapstadt, seinen ersten Kindergarten/Vorschule: „Helderberg Golden Sunbeam“. Holtkamp ist ein besonderer Mensch: Macher, Stehaufmännchen, Netzwerker, Weltenbummler, Unternehmer, Pionier beziehungsweise neumodisch „Early Adopter“ und zum nicht unwesentlichen Anteil Altruist. Er ist ausgebildeter Schlosser, Diplom-Ingenieur und ehemaliger Manager in einem großen deutschen Logistik-, Telekommunikation- und Finanzunternehmen.

Die Not vieler Township-Bewohner, ihre Kinder sicher unterzubringen, während sie arbeiten beziehungsweise auf Arbeitssuche sind, war und ist groß. Darüber hinaus ist die Ausbildung, Versorgung und Sozialisierung der Kinder eine Voraussetzung für Chancengleichheit und eine erfolgreiche und gesicherte Zukunft.

Eindrücke

Ich arbeitete zuerst im besagten Kindergarten, den Holtkamp vor 20 Jahren im Township Macassar bei Kapstadt für rund 90 Kinder baute. Viele der damaligen kleinen Besucher sind heute stolz, dass sie ihr Abitur erfolgreich absolviert haben – auch dank ihrer Vorbildung bei „Helderberg Golden Sunbeam“.

Dabei ist Holtkamps Kindergarten nicht mit den in Deutschland üblichen zu vergleichen: Die vorschulische Ausbildung beschränkt sich zu meiner Überraschung hier nicht wie in Deutschland auf singen, tanzen, basteln und malen. In den Kindergärten des jung gebliebenen Charismatikers sind das Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen an der Tagesordnung, auch gesunde sowie ausgewogene Mahlzeiten mehrmals täglich und eine Ganztagesbetreuung sind gewährleistet. Dies geschieht in der – für die meisten Kinder noch fremden – Sprache Englisch, die Muttersprache der meisten Kinder im Township ist das aus dem östlichen Südafrika stammende isiXhosa.

Andere Projekte in der Kapregion folgten auf dieses erste: Bernd Holtkamp baute und unterstützte vereinsunabhängig weitere Kindergärten und Vorschulen, die größtenteils von ihm selbst und aus privaten Spenden von befreundeten Sponsoren finanziert wurden.

Meine nächste Station war der Kindergarten Sikhuthale im Township Asandra Village, mit 130 Kindern in fünf Räumen der größte in Holtkamps Kindergartenunternehmen. In der nach gleichem Konzept wie „Helderberg Golden Sunbeam“ funktionierenden und für ihre Erzieherinnen mehrfach ausgezeichneten Kinderbetreuungstätte arbeitete ich zusammen mit einer weiteren Volontärin aus Deutschland.

Im Anschluss war ich im Kindergarten „Brak en Jan Creche und Pre-School“ in Raithby, Stellenbosch. Hier hat Bernd Holtkamp seinen Traumkindergarten verwirklicht: Dieser gründet auf nachhaltigen, energiesparenden und umweltfreundlichen Prinzipien. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort kam er mit der kleinen methodistischen Gemeinde in Raithby ins Gespräch. In dieser weitläufigen Gegend leben die Farmarbeiter mit ihren Familien auch heute noch in vielen kleinen, weit verstreuten Townships. Durch die Zersiedelung ist es dort fast unmöglich, den Kindern eine regelmäßige Betreuung und kontinuierliche Bildung zu bieten.

In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München entwickelte er die Idee, den Kindergartenbau als Modellprojekt mit den Lehrstühlen für Bauingenieurwesen und Architektur zu realisieren: 30 Studenten dieser beiden Studiengänge schrieben ihre Diplomarbeiten über den Bau des Kindergartens. Die als bester Entwurf prämierte Arbeit wurde als Grundlage genommen für eine sechswöchige praktische Umsetzung durch die Studenten und Mitarbeiter in Raithby vor Ort.

Finanziert wurde das Projekt durch Eigenmittel, Sponsoren, die Technische Universität München und deren Studenten (Gesamtkosten umgerechnet ca. 140.000 Euro). Das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein perfekter Kindergarten mit Fußbodenheizung (Solarheizsystem) in allen Klassenräumen.

Damit möglichst viele Kinder den Kindergarten täglich besuchen können, kaufte Holtkamp zusätzlich einen Kleinbus, der sie morgens von den umliegenden Farmen abholt und nachmittags wieder nach Hause bringt.

Es war eine große Freude für mich, in diesem in jeder Hinsicht besonderen Kindergarten zu arbeiten. Eindrucksvoll war das große Baumhaus mit sieben verschiedenen Etagen – um ehrlich zu sein, mein Kindheitstraum – das von den Kindern mit viel Freude genutzt wurde.

Eine besondere Erfahrung war ebenso das Kennenlernen mehrerer deutscher beziehungsweise europäischer Mitvolontäre, mit denen ich zusammen gewohnt habe und die sehr engagiert und auch nicht zuletzt idealistisch motiviert an meinem und anderen Kindergärten oder auch Schulen arbeiteten. Darunter waren gerade das gegenseitige Teilen und miteinander Erleben der am Ende wirklich vorzeigbaren und erfolgreichen Ergebnisse – sei es der Lernerfolg beim Zählen und Rechnen oder eine abschließende Zirkus- und Tanzvorstellung anlässlich des Vorschulabschlusses – besondere Erlebnisse. Oder auch das Projekt „Bau_Raum_Afrika“, die Planung und der Bau eines Kindergartenanbaus mit Küche in einem Township durch drei Stuttgarter Architekturstudentinnen, das unter ökologischen, nachhaltigen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten umgesetzt wurde.

Bei den beiden eingangs erwähnten Begleitern Holtkamps („Mulungus“) handelt es sich einerseits um Bernd Holtkamps Projektpartnerin Britta Belz und andererseits um mich, Volontär zur Unterstützung des Vereins.

Britta Belz, ehemalige Managerin in einem Frankfurter Finanzkonzern und Spezialistin für Marketing und Kommunikation, zog 2014 nach Gordons Bay, um in der Kapregion gemeinnützige Projekte für Kinder aus den Townships zu unterstützen.

Der in diesem Jahr von Holtkamp und Belz gegründete gemeinnützige Verein „Golden Sunbeams e.V.“ (www.goldensunbeams.org) betreut heute rund 15 Kindergärten mit insgesamt circa 1.000 Kindern. „Und es sollen noch viel mehr werden!“, so die beiden Netzwerker. Gezielt unterstützt der junge Verein Kinder mit einer Vielzahl von Projekten, welche deren Lebensgrundlagen verbessern und Benachteiligung und Ungleichheit überwinden helfen sollen. Nachhaltigkeit ist dabei die Basis des Handelns, denn der Verein fördert und initiiert insbesondere Projekte zur Selbsthilfe. Er handelt dabei unabhängig von ethnischen, religiösen, ideologischen und wirtschaftlichen Interessen.

Die Projekte gliedern sich in folgende Aufgaben:

Bau und Umbau von Kindergärten, Pflege, Instandhaltung und Inneneinrichtung der Kindergärten, Bau von Spielplätzen und Grünflächen, Bau von Gemüsegärten zur gesunden Selbstversorgung, Unterstützung von Veranstaltungen und Organisation von Exkursionen sowie die Akquisition und Verteilung von Nahrungsmittelspenden

Holtkamp trägt heute längst keine weißen Oberhemden mehr – die kunterbunten Karohemden sind zu seinem Markenzeichen geworden. Und Britta Belz hat mit „Golden Sunbeams e.V.“ ihre wahre Berufung gefunden.

Unvergessliche Erfahrungen

Während meines Aufenthalts habe ich viele unvergessliche Erfahrungen gesammelt. Vor allem das Gefühl, etwas zu tun und dabei tatsächlich etwas zu bewirken und zu verändern ist etwas ganz Besonderes und in dieser Form mit wenig anderem vergleichbar. Mit Sicherheit werde ich die Golden Sunbeam-Kindergärten in der Kapstadt-Region wieder besuchen.

Resümee

Für jemanden aus Kronberg oder Deutschland – ohne Bezug zu Südafrika oder Kindergärten – mit einem vergleichbarem Optimismus und Tatendrang wie Holtkamp, gibt es zugegebenermaßen noch viele andere Möglichkeiten und Projekte, das Leben von Menschen und ganzer Gesellschaften positiv zu beeinflussen – Brunnen in Kenia, Schulen in Tansania, Landwirtschaft in Äthopien, Krankenhäuser in Sierra Leone oder eben auch weitere Kindergärten in Südafrika.

Es gibt jedoch zwei Punkte, in denen sich „die Holtkampsche Nachhaltigkeitsinitiative“ von anderen Projekten maßgeblich unterscheidet:

Es gibt die Theorie: „Maßgeblich verantwortlich für den Erfolg eines Projekts sind nicht seine Ideen, Ressourcen oder sonstigen Mittel, sondern die handelnden Menschen.“ Und diese trifft auf Bernd Holtkamp genau zu.

Zum Zweiten bieten seine Kindergartenprojekte essenzielle, entwicklungsrelevante Unterstützung: Kinder erhalten Bildung und ausgewogene Mahlzeiten. Bildung ist der Schlüssel und die Lösung aller nachhaltigen Probleme – bis hin zur auch in Deutschland relevanten Flüchtlingskrise. Und, Südafrika, als ein politisch und gesellschaftlich einflussreiches Land, spielt auch hierbei als insgeheimer afrikanischer Kopf eine wichtige Rolle. Die Wahrscheinlichkeit mag nicht hoch sein, aber wer kann es schon wissen: Vielleicht kommt der nächste Nelson Mandela aus einem von Bernd Holtkamp gegründeten Kindergärten. Julian Gatti, 9. Oktober bis 23. Dezember 2018 Volontär bei Golden Sunbeams e.V.

Projektgründer Bernd Holtkamp mit Kindern, die dank der entstandenen Kindergärten sicher untergebracht sind und Bildung erfahren.
Fotos: privat

Julian Gatti arbeitet als Volontär in dem Projekt und berichtet uns von seinen Eindrücken „live“ aus Afrika.

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