Eine wundersame Geschichte geht zu Ende: Küster von St. Marien nimmt nach 42 Jahren Abschied

Peter Langer mit dem Messbuch in der Sakristei von St. Marien.  Foto: Schramm

Königstein (kw) – Peter Langer hat sie kommen und gehen sehen – die Pfarrer in der Katholischen Gemeinde St. Marien in Königstein. Sechs Pfarrer waren es, die in den vergangenen 42 Jahren für Liturgie und Seelsorge in der Gemeinde und in der mittlerweile gewachsenen Pfarrei Maria Himmelfahrt gewirkt haben. Einer ist über all die Jahre geblieben: Als Küster der Kirche sowie als Hausmeister im Pfarrzentrum und der Kita war Peter Langer die große, allseits beliebte Konstante in Königsteins katholischer Kirchengemeinde.

Mit 23 Jahren hat er am 1. April 1982 seinen Dienst unter Pfarrer Heinze in Königstein angetreten, am kommenden Sonntag, 5. Mai, wird er offiziell in der Sonntagsmesse um 11.15 Uhr verabschiedet werden. Es ist der finale, feierliche Abschied aus „seiner“ Gemeinde. Im Pastoralteam und im Kindergarten hat Peter Langer schon ade gesagt – mit schönen Momenten, aber auch solchen, die schwer ums Herz machen. Es ist ein Abschied aus einem verantwortungsvollen und durchaus fordernden Amt mit einer Sechs-Tage-Woche mit jahrelang mehr als 50 Stunden, bei der meist nur der Mittwoch ein freier Tag war.

Die Aufgaben, die Peter Langer erledigte, waren so vielfältig wie sie es nur an wenigen Arbeitsplätzen sind. Natürlich das Vorbereiten der Kirche für die Liturgie, Handwerkerarbeiten, Putzen, Gartenarbeit in den Grünanlagen, die Begleitung von Pfadfindern und Messdienern und und und. Die Präsenz bei allen Veranstaltungen der Gemeinde war sowieso selbstverständlich, denn der Küster lebte mit seiner Familie mit vier – längst erwachsenen – Kindern bis vor zehn Jahren in einer Wohnung mitten im Gemeindezentrum in der Gerhard-Pingler-Straße. Echte Privatsphäre gab es da meist nur während der Schulferien, bis er vor zehn Jahren in die Thewaltstraße umzog.

Peter Langer hat diese Arbeit gerne gemacht, nur das Schneeschaufeln vor allen Gebäuden morgens um 6 Uhr werde er nicht vermissen: „Es war ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen, für mich war es ein Wunder“, sagt er fast andächtig. „Die Vielfalt, das Handwerkliche, das Menschliche und besonders das Spirituelle hat mir sehr gefallen, man erlebt von jedem etwas“, sagt er mit der Begeisterung eines jung Gebliebenen. Er hat sich auch nie vor den großen Themen des Glaubens versteckt, macht sich tiefe Gedanken über die Zukunft der Gemeinde und der Katholischen Kirche insgesamt, sagt offen, dass sie ihren Schutzbefohlenen und Mitgliedern auch vieles zugemutet hat in der Vergangenheit. „Es gab viele Höhen und auch einige Tiefen“, bringt er vielsagend sein Leben für die Kirche auf den Punkt.

Aber wo ist man als Küster eigentlich während des Gottesdienstes, wenn der Pfarrer die Kirche betritt? Viele werden unsichtbar, Peter Langer nicht, er saß immer auf einem Stuhl rechts vom Hochaltar direkt neben der Tür zur Sakristei. „Ich habe an den Gottesdiensten teilgenommen, manchmal sind mir bei der Predigt aber die Augen zugefallen“, gibt er zu. Tribut an seinen anstrengenden Tagesablauf, sein oberster Dienstherr wird ihm das verziehen haben.

Der Lieblingsplatz von Peter Langer ist allerdings nicht ganz vorne nahe des Allerheiligsten – es ist die letzte Bankreihe. Jeden Tag, wenn er die Kirche aufschließt, sitzt er dort für einen Moment des Innehaltens. „Das gibt mir die Gewissheit meines Glaubens. Ich lege meinen Tag in Deine Hände“, beschreibt der langjährige Küster den Moment, in dem er sich Gott besonders nahe fühlt.

Ungewöhnlicher Werdegang

Gelernt hat Peter Langer den Beruf des Konditors, aber sein Interesse ging schon sehr bald in eine andere Richtung. Aus einer Trinklaune heraus, wie er es nennt, kam er mit Freunden in Kontakt mit Bibeltexten, daraus entwickelte sich die „Idee, etwas auf religiöser Ebene zu machen“. Sie seien in dieser Zeit, mit 17, 18 Jahren, in vielen Kirchen unterwegs gewesen, auch in Freikirchen. Im Zivildienst bei St. Bonifatius in Frankfurt verstärkte sich dieser Wunsch. Er entdeckte die Altenarbeit in einer Zeit, als Caritas- und Sozialstationen gerade aufgebaut wurden. Prägend für Langers Entwicklung wurden in St. Bonifatius Pfarrer Richard Weiler und Küster Julius Grams, den er unter anderem beim Krippen-Aufbau unterstützen durfte. Nach dieser Zeit war klar, dass er trotz einer noch folgenden Station im Steigenberger-Hotel am Flughafen nicht mehr in seinem erlernten Beruf Erfüllung finden würde. Und wieder war es Weiler, der ihm den Weg nach Königstein nahelegte, obwohl dort eigentlich ein erfahrener Mann gesucht wurde. Ein kleines Wunder eben! Die Caritas, die Nächstenliebe, für andere Menschen da zu sein und ihnen zu helfen, ist für Peter Langer der wichtigste Wert, den eine Kirchengemeinde in sich trägt.

Das Getragensein, das Aufgehobensein in der Gemeinde habe ihn durch die Höhen und Tiefen geführt, zu denen auch die Trennung von seiner Frau zählte. Zu dieser Zeit hätte er sich am liebsten unsichtbar gemacht, gesteht Peter Langer im Rückblick, aber er habe selbst in einer katholischen Gemeinde nie Ablehnung gespürt, viele hätten ihm Gesprächsangebote gemacht.

Er schwärmt geradezu von den Blütezeiten der Gemeinde, als bei Festen mehr Helfer bereitstanden als gebraucht wurden, von der Kolpingarbeit, von Jahrgängen mit 60 Messdienern (heute freut er sich über 15), von seinen „sehr loyalen Chefs“, die ihm Freiräume ließen beim Ein- und Abdecken des Altars und bei der Gestaltung des Kirchenraums, von den schönen Krippenspielen. Vieles davon ist weggebrochen, auch Corona habe seinen Teil dazu beigetragen. „Heute müssen wir zu den Leuten gehen, sie kommen nicht mehr von alleine“, sagt Peter Langer. Gleichwohl sieht er positive Entwicklungen in St. Marien und in der Pfarrei: mit jungen Leuten, die sich einbringen, einer Frauengemeinschaft, dem gemeinsamen Essen an jedem zweiten Donnerstag im Monat und dem Wiederaufleben der Krippenspiele. Auch das institutionelle Schutzkonzept, dem sich das Bistum verschrieben hat und das auch in St. Marien erarbeitet wurde, werde dazu beitragen, dass sich die Menschen in ihrer Kirche wieder wohlfühlen, gibt er sich überzeugt.

Wie geht er seinen neuen Lebensabschnitt an? „Ich will jetzt erstmal zur Ruhe kommen“, sagt er. Dann aber auch wieder mehr wandern und seiner Familie, vor allem seinen zwei Enkeln in Berlin, mehr Zeit widmen. Eine neue soziale Aufgabe möchte er sich ebenfalls suchen. St. Marien wird erstmal ohne ihn auskommen müssen. „Wir haben in unserer Pfarrei viele weitere Kirchen, die ich besuchen möchte“, und er wolle seinem Nachfolger Frank Filter, den er noch anlernen durfte, nicht im Nacken sitzen. „Es hat alles seine Zeit, den Abschied wollen wir uns nicht schwerer machen als nötig“, sagt Peter Langer. Aber irgendwann wird bestimmt der Zeitpunkt kommen, dass er wieder in der letzten Reihe in der Pfarrkirche St. Marien Platz nimmt und seinen Tag in die offenen Hände „seiner“ Gemeinde legen wird.



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