Königstein (as) – Integration geht nur über die Sprache und die Teilhabe an gemeinsamen Aktivitäten. Niemand in Königstein weiß das besser als Maryam Javaherian. Die 68-jährige Iranerin, 1983 mit ihrem Mann Anousheh Hadzaad vor dem Regime aus ihrer Heimat zunächst nach West-Berlin geflohen und 1998 in den Taunus gekommen, ist seit 2001 Vorsitzende des 1997 gegründeten Ausländerbeirats der Stadt Königstein. Sie steht dem Gremium aus neun Mitbürgerinnen und Mitbürgern vor, das sehr viel bewirken konnte.
Deutschkurse, die im Jahr 2006 an der Grundschule Königstein begannen, 2008 auf die Friedrich-Stoltze-Schule erweitert wurden und längst auch für Erwachsene angeboten werden, sowie gemeinsame Projekte und Feiern wie das Sommerfest oder Zoobesuche mit Kindern, die vom Förderverein des Ausländerbeirats organisiert werden, sind insofern die wichtigsten Instrumente, um ausländischen Neuankömmlingen die Integration in der Burgenstadt zu erleichtern. Zur Aufgabe des Ausländerbeirats gehört auch die Unterstützung bei der Vermittlung von Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten und generell Hilfe für Familien mit geringen Mitteln. Maryam Javaherian, die einen Abschluss als Diplom-Ingenieurin besitzt und für die CDU einige Jahre in der Stadtverordnetenversammlung saß, spricht gerne von einer „Netzwerkarbeit“ des gesamten Teams.
Ihre rechte und linke Hand sind seit vielen Jahren der Österreicher Dr. Oskar Mayr und die Portugiesin Fernanda Georgi. Sie seien die beiden einzigen, die sich perfekt in der deutschen Sprache bewegen könnten. Georgi – Mutter des neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden Daniel Georgi – kam als Kind einer Gastarbeiterfamilie nach Deutschland und hat es zur Prokura in einer amerikanischen Firma geschafft. Als Schatzmeisterin des Fördervereins hält sie die finanziellen Zügel fest in der Hand. „Das Gremium funktioniert so gut und die Arbeit ist derart erfolgreich, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass einer aufhört“, sagt Javaherian im Hinblick auf die Neuwahlen des Ausländerbeirats im kommenden Jahr.
Bei seiner Arbeit ist der Förderverein des Ausländerbeirats fast ausschließlich auf Spenden – und mit geringem Anteil – die Gebühren der Deutschkurse angewiesen, denn direkte finanzielle Zuweisungen von der Stadt gibt es keine. Dafür darf der Ausländerbeirat freitags ein Büro im Rathaus von 9 bis 12 Uhr für Sprechzeiten nutzen, was auch intensiv genutzt wird. „Wir sind der Stadt sehr dankbar dafür“, sagt Maryam Javaherian. Und sie vergisst natürlich auch ihre wichtigsten Unterstützer nicht: den Verein „Bürger helfen Bürgern“, den Rotary-Club Bad Soden-Königstein, die Frauen des Lions Clubs Königstein Burg, die evangelische Kirchengemeinde mit dem i-punkt in der Hauptstraße und einige Privatpersonen. Mit 2.500 bis 3.000 Euro an Spenden pro Jahr könne sich der Verein finanzieren, sagt Fernanda Georgi.
Ehrenamtliche Sprachlehrer gesucht
Dennoch gebe es ein monatliches finanzielles Defizit im Sprachförderunterricht. Der altersbedingte Rückzug von Hiltrud Kainzbauer, die 20 Jahre über den Freundeskreis Asyl, mit dem der Ausländerbeirat eng zusammenarbeitet, ehrenamtlich Deutschkurse gegeben hat, macht sich stark bemerkbar. Man bräuchte mehr Menschen wie Andrea Schönberger, die auch schon seit mehr als 15 Jahren für den Förderverein Deutschkurse gibt, wofür die Königsteinerin vor zwei Jahren mit dem Integrationspreis des Hochtaunuskreises ausgezeichnet wurde. „Wir suchen dringend ehrenamtliche Lehrkräfte“, benennt Javaherian den derzeit größten Engpass.
Denn der Bedarf ist weiterhin steigend, womit die Zahl an Lehrkräften aktuell nicht Schritt halten kann. Nach aktuellen Zahlen mit Stand 31. Dezember 2024, die dem Ausländerbeirat vorliegen, leben Menschen aus 114 Nationen in Königstein. Von den 16.996 ausgewiesenen Einwohnern haben 3.794 einen ausländischen Pass. Das ist ein Anteil von 21,7 Prozent, und dabei sind die Personen mit deutschen Doppel-Staatsbürgerschaften (rund 1.000) noch nicht einmal mitgerechnet. Die größte Gruppe stellen Südkoreaner mit 385 Bürgern („Das sind alles Fachleute, die haben ihre eigenen Netzwerke“, sagt Javaherian), gefolgt von Ukrainern mit 254 (die Zahl ist gegenüber dem Vorjahr um 27 gesunken), 228 Polen, 205 Italienern und 198 Türken.
Den höchsten Bedarf an Unterstützung hätten die Menschen aus der Ukraine, aus Polen, der Türkei, aus Afghanistan und Syrien, berichtet die Vorsitzende des Ausländerbeirats. Sprachkurse würden unter anderem auch von Mexikanern, Indern und Chinesen wahrgenommen. „Man braucht diese Ausländer. Wir müssen alles tun, um sie zu integrieren“, sagt Javaherian und verweist darauf, dass das Krankenhauspersonal in Deutschland mittlerweile zu 90 Prozent aus Menschen mit ausländischer Herkunft bestehe – von der Pflege gar nicht zu sprechen.
Sie macht aber auch deutlich, dass der Ausländerbeirat nicht dazu da sei, Almosen zu verteilen, die Arbeit ist auf Gegenseitigkeit aufgebaut. „Wir motivieren Menschen, die eine Arbeit und eine Aufgabe suchen und die etwas für die Gesellschaft tun möchten“, sagt sie. Es gebe wie überall zwar auch in Königstein einzelne schwarze Schafe, aber der allergrößte Teil sei friedlich und wolle sich „ein Leben aufbauen“.
Dabei hilft Maryam Javaherian seit bald 25 Jahre, dafür hat sie unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande und den Ehrenbrief des Landes Hessen erhalten. Und sie nennt lieber die Positivbeispiele: Kinder, denen der Ausländerbeirat Abitur und Studium ermöglichen konnte oder eine Frau, die kürzlich als Altenpflegerin ans Haus Raphael vermittelt werden konnte. Deshalb sind sie und Georgi auch sehr enttäuscht von der aktuellen politischen Diskussion, in der Flüchtlinge mehr als Gefahr für die Gesellschaft wahrgenommen werden. Meist ist in deren Heimatländern das Gegenteil der Fall – die Menschen werden von den politischen Machthabern bedroht.
In ihrer Heimat waren Maryam Javaherian und ihr Mann seit ihrer Flucht nur noch ein einziges Mal. Das war im Jahr 2000 unter dem gemäßigten Präsidenten Mohammed Khatami. Heute würde sie es nicht mehr riskieren, sie weiß von willkürlichen Verhaftungen. Aber alle Mitglieder der Familie sind längst Weltbürger geworden. Tochter Bahar ist Kinderärztin in Berlin, der bereits in Deutschland geborene Sohn Navid hat sein Abitur in Boston/USA gemacht und arbeitet heute in London. Deutschland und Königstein haben der Familie diese Freiheit ermöglicht. Deswegen wird Maryam Javaherian auch weiter unermüdlich mit ihren Unterstützern im Ausländerbeirat dafür kämpfen, dass sich viele Menschen ein solches Leben aufbauen können.
Der Förderverein des Ausländerbeirats Königstein e.V. ist für seine Arbeit immer auf Spenden angewiesen: Die Bankverbindung lautet DE67 5019 0000 6200 2146 74.