Die Wanderschaft führt auf die größte Konzertbühne – Mandolinen-Club vermittelt Lebensgefühl seit 100 Jahren

Schriftführer Jürgen Schnöbel (li.) und Vorsitzender Michael Danzer zeigen zwei Schätze aus der Instrumentensammlung des Mandolinen-Club Falkenstein: eine Mandoline und ein Mandoloncello des italienischen Edelherstellers Calace aus Neapel, die sich der Club einst in den 50ern und 60ern hatte anfertigen lassen. Heute werden vor allem Instrumente von Hopf gespielt.Foto: Schramm

Falkenstein (as) – Sie begannen als musizierende Wandersleute in den Wäldern rund um Falkenstein, und noch in diesem Jahr werden sie auf der größten musikalischen Bühne der gesamten Region ein Konzert geben. Eindrucksvoller kann man die Entwicklung eines Vereins innerhalb eines Jahrhunderts kaum auf zwei Ereignisse reduzieren.

Der Mandolinen-Club Falkenstein ist am vergangenen Freitag auf den Tag 100 Jahre alt geworden und hat diesen 24. Januar passenderweise für seinen Jubiläumsfestakt im kleinen Saal des Bürgerhauses Falkenstein genutzt. Der präsentierte sich zu diesem Anlass wie ein kleines Museum mit einer umfänglichen Ausstellung aus historischen Instrumenten, Fotos, Urkunden, Vereinsbüchern und selbst produzierten Tonträgern, von der Schallplatte bis zur CD. Die verbliebenen freien Wände waren mit Leinwänden mit Buchrücken abgehängt worden. Rund 80 Ehrengäste, Freunde und Vertreter anderer Königsteiner Vereine waren erschienen – „ein Interesse, das uns sehr ehrt“, so der Vereinsvorsitzende Michael Danzer zur Begrüßung. Ein besonderer Gruß ging dann noch an Anton Wächtler. Der 94-Jährige spielte mehr als 70 Jahre aktiv im Orchester, war langjähriger Konzertmeister und ist Ehrenmitglied. Er musste kurzfristig absagen, die Gesundheit spielte an diesem Tag nicht ganz mit. Und als dann auch noch ein illustres Quartett aus Langgedienten des Clubs Stücke aus der Anfangszeit darbot, wurde aus der Feierstunde gleich noch ein Kammerkonzert.

Es war auch eine besondere „akademische“ Feier, die der Vorsitzende Michael Danzer, sein Bruder und Vize Rudolf Danzer, Schriftführer Jürgen Schnöbel und Kassierer Martin Nitsche, deren Ehefrauen als „Dekoteam“ und alle Mitstreiter sich ausgedacht hatten. Eine lebhafte Reise durch die verschiedenen Epochen, teils erzählt, teils gespielt und mit einigen Filmeinspielern – die Festredner und offiziellen Gratulanten hatten erst anschließend, und aus eigenen Stücken angenehm kurz, das Wort.

Die Anfänge spannend erzählt

Kurzweilig-gesellig geht es eben bei den Falkensteiner Mandolinern schon immer zu, das drückte sich bereits in der Wahl der Bezeichnung „Club“ aus anstelle des üblichen „Vereins“, die offenbar manchen schon im Jahr 1925 angestaubt wirkte. Was war das für eine Zeit in Falkenstein? 700 französische Soldaten waren als Folge des Ersten Weltkriegs hier noch stationiert bei kaum mehr Einwohnern. Und die suchten nach Zeitvertreib, guter Laune, zumal sie immer wieder Frankfurter Wandergruppen beobachteten, die musizierend und singend durch den Taunus zogen. Die beiden Falkensteiner Pioniere Wilhelm Schalk und Anton Meser hatten es wohl schon ein paar Jahre vorher probiert mit dem Mandolinenspiel. An jenem 24. Januar 1925 aber nahmen sie sich dann ein Herz und gründeten mit drei weiteren Männern und zwei Frauen den Mandolinen-Club Falkenstein. Es gab damals fünf Instrumente und drei Tage später fand die erste Übungsstunde statt. Die Mandoline – und natürlich von Anfang an auch die Gitarre – wurden wohl deshalb gewählt, weil sie mobil gespielt werden kann und, anders als etwa Geige oder Klavier, für einfache Leute erschwinglich war. Mit dem Marsch von Franz Schmid „Über Tal und Berg“ entführten Wolfgang Schnöbel, Martin Nitsche, Thomas Fischer und Rudolf Danzer sogleich in diese Zeit und vermittelten einen guten Eindruck, wie es sich vor 100 Jahren angefühlt haben könnte. Auf alle Fälle beschwingt und fröhlich!

Als Conferencier übernahm das langjährige Vorstandsmitglied Michael Pfaff die weitere Schilderung der ersten Epoche. Die Falkensteiner Mandoliner waren durchaus ambitioniert und verpflichteten schon in den ersten Monaten einen Übungsleiter, der 2,50 Mark für jede Probe bekam – 1,50 Mark aus der Kasse und 1 Mark von den anwesenden Spielern. Disziplin musste auch in den wilden 20ern sein. Es gab bereits eine feste Sitzordnung, eine Strafe von 20 Pfennigen für „ungebührliches“ Verhalten und dreimal unentschuldigtes Fehlen wurde mit dem Ausschluss aus dem Verein geahndet. Und dennoch musste der Spielleiter bereits im Juni aus Geldmangel entlassen werden. Im Laufe des Gründungsjahres hatte dann jedes Mitglied ein Instrument, erste Übungen im Marschieren im Reichenbachtal sind dokumentiert. 1926 wurde das erste Theaterstück geplant und im Februar 1928 gab es einen ersten Maskenball im Café Mühl zum Motto „Münchner Oktoberfest“. So lange reicht diese gesellige Tradition der Mandoliner also zurück. Der Saal sei derart überfüllt gewesen, dass die Getränke bald ausverkauft waren, heißt es in den Archiven. Die feucht-fröhlichen Ausflüge und Zusammentreffen kamen in dieser Zeit jedenfalls nie zu kurz – die dazugehörigen Anekdoten wurden natürlich auch zu Gehör gebracht.

Mit einem Volkslieder-Potpourri erinnerten die vier aktiven Mandoliner an diese tolle Zeit. Die dann abrupt endete. 1933 kam, so berichtete Pfaff, erstmals der Begriff „Führer“ vor. 1934 musizierten die Mandoliner beim Kameradschaftsabend der NSDAP und im gleichen Jahr wurde auf der Generalversammlung ein „Vereinsführer“ gewählt, der seine Vorstandsmitglieder nach eigenem Gutdünken bestimmte. Die Lust am staatlich organisierten Musizieren ging dann vermutlich bald verloren, jedenfalls bricht die Chronik im Jahr 1937 ab, weil der Schriftwart bei einer Versammlung „nicht anwesend“ war. „Wir gehen davon aus, dass der Spielbetrieb zum Erliegen kam“, sagte Pfaff.

Diese Lücke stellt aktuell auch ein Problem dar für Jürgen Schnöbel, der sich seit Monaten intensiv mit den Archiven des Clubs auseinandergesetzt hat. Denn der Verein hat sich für die renommierte „Pro-Musica-Plakette“ beworben, die vom Bundespräsidenten verliehen wird. Die Teilnahmebedingung: Die Vereinsgeschichte muss lückenlos nachgewiesen werden.

Große Erfolge, ewige Freundschaften

Mit Spaß am Spiel ging es historisch gesichert 1950 weiter. Zum Jubiläumskonzert anlässlich der Gründung 25 Jahre zuvor fanden sich zehn Männer zusammen, immer noch unter dem Vorsitzenden Wilhelm Schalk, fünf Mitglieder waren im Krieg geblieben. Ein Bild zeigt Michael Danzers Onkel Eugen Danzer am Kontrabass. „Unsere Familie hat immer den Bass gespielt.“ Er tut es noch heute und ist nebenbei mittlerweile der Vorsitzende mit der längsten Amtszeit (seit 2002).

Die folgende Epoche war die der Wettstreite. „Man wollte etwas erreichen“, berichtete der „Clubchef“ vom ersten internationalen Auftritt 1958 in Kerkrade (Niederlande). 1965 gab es dann den legendären Besuch in Le Mêle-sur-Sarthe. Es habe Diskussionen gegeben, ob man dort überhaupt auftreten könne und willkommen sei. Am Ende brachten die Mandoliner nicht nur den Dirigentenpreis der Ehrenstufe mit nach Hause, sie hatten auch die Grundlage für die Städtepartnerschaft gelegt, die zwei Jahre später beschlossen wurde. Überhaupt die Preise: Ganz Falkenstein war zu jener Zeit geschmückt, wenn die Mandoliner reich dekoriert nach Hause zurückkehrten, es gab Begrüßungen am Ehrenmal (das im Übrigen auch auf eine Initiative der Altvorderen des Vereins im Jahr 1927 zurückgeht). Und Falkenstein war auch ein guter Gastgeber: 1965 gab es den ersten Wettstreit mit 23 Vereinen aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Italien. Und es wurden Bilder aus dem Jahr 1976 von der großen Siegerehrung auf der dicht bevölkerten Falkensteiner Burgruine gezeigt. Alle, die dabei waren, und das waren bereits einige der heutigen Mitglieder, erinnern sich, dass es ein „Riesenereignis“ (Danzer) war.

Das wurde an diesem Abend zwischendurch auch das virtuose Solo eines italienischen Stücks aus den 1920er Jahren von Natalia Alencova. Seit Februar 2010 ist sie bereits Chorleiterin der Mandoliner – und damit die dienstlängste der Vereinsgeschichte. Der Club hatte damals per Anzeige in Fachzeitschriften einen gelernten Mandolinenspieler gesucht, der die Musiker weiterbringt. Als die Bewerbung aus Eisenach kam, wo Alencova immer noch lebt, sei man ob der Distanz äußert skeptisch gewesen, erzählte Michael Danzer. „Beim Probedirigat gab es einen Schneesturm. Und sie war um fünf vor acht da“, erzählte Michael Danzer mit großem Respekt. Wie immer seither, wenn donnerstags die Proben anstehen.

Es gab noch Interessantes aus der „Zeit der Fahrten“. Große Konzerte gab es in den 80er Jahren auch in Le Cannet mit Segeljachten und viel Programm. „Da waren alle dabei, das war überhaupt keine Frage, dafür wurde Urlaub genommen“, berichtete Danzer. Andere Zeiten des Vereinslebens und des gemeinschaftlichen Zusammenhalts, wie auch ein Film des Hessischen Rundfunks aus der Reihe „Mein Verein“ aus den 90er Jahren zeigte. Teilweise standen zu der Zeit mehr als 30 Musikerinnen und Musiker gemeinsam auf der Bühne – auch Frauen hatten längst wieder den Weg zurück in den Club gefunden. Auch in Porto Recanati fungierten die Falkensteiner Mandoliner als Türöffner einer weiteren Städtepartnerschaft mit Kronberg.

Und die Neuzeit: Heute hat der Club noch 21 Mitglieder – und leider Nachwuchssorgen. Ein Mitglied ist in seinen 30ern, die nächsten sind dann schon knapp über 50 Jahre alt. Dem Fachbereich Saiteninstrumente der Musikschule Königstein hat man Instrumente übergeben für junge Menschen, die dort vielleicht leichter zu erreichen sind als direkt in Falkenstein. Der Erfolg der Aktion hält sich noch in Grenzen. Aber noch ist der Mandolinen-Club Falkenstein eines der letzten großen und leistungsstarken Orchester für dieses Instrument in Hessen – und möchte es gerne noch lange bleiben.

Das „exzellente Musikniveau“ würdigte in seinem Grußwort denn auch Josef Allmann vom Bund deutscher Zupfmusiker. „Und sie haben den Lebensalltag bereichert, wie es die Gründer vorgesehen hatten.“ Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko nannte die Mandoliner „musikalische Botschafter unserer Stadt“ und den Klang der Mandolinen als „Teil des Lebensgefühls in Königstein“. Weitere Grußworte und Umschläge überbrachten ihr Vorgänger Leonhard Helm in Vertretung des erkrankten Landrats Ulrich Krebs, Falkensteins Ortsvorsteher Walter Schafer und für den Vereinsring dessen Vorsitzender Markus Schleicher.

Konzert im Casals Forum

Und nochmal zurück zur großen Konzertbühne, auf der sich der hundertjährige Kreis schließen wird. Nach dem ersten Besuch der neuen Königsteiner Partnerstadt Faringdon im Mai, einem Konzert im Rahmen des Event Sommers und dem Oktoberfest findet das große Festkonzert am Termin des Herbstkonzerts im großartigen Casals Forum in Kronberg statt, in dessen Akustik die Mandolinen noch mehr brillieren werden – gemeinsam mit dem Hessischen Landeszupforchester und dem ebenfalls von Natalia Alencova geleiteten Chor Chantiamo der Musikschule Johann-Sebastian Bach in Eisenach. Der Vorverkauf beginnt bald über die Homepage des Vereins. „Das ist kein günstiges Vergnügen, aber das gönnen wir uns dieses Jahr“, so Michael Danzer. „Für uns ist es der absolute Höhepunkt, vielleicht das Ziel unserer Evolution.“

 

Die Termine im Jubiläumsjahr:

28.5.-1.6.: Fahrt nach Faringdon (Anlass 50 Jahre Partnerschaft Faringdon-Le Mêle)

20. Juli: Konzert im Kurpark (Event Sommer)

20. September: Oktoberfest

11. November: Konzert im Rosenhof Kronberg

29. November: Festkonzert im Casals Forum Kronberg

Weitere Artikelbilder



X