Bad Soden (Sc) – Mit dem Satz „Europa muss seine Freiheit selbst verteidigen“ warb Prof. Dr. Sven Simon bereits im Juni vergangenen Jahres erfolgreich um Wählerstimmen für einen Sitz im Europäischen Parlament – sicher nicht wissend, wie brandaktuell dieser Satz am Abend des Aschermittwochs in diesem Jahr (noch) sein würde. Als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament und Vorsitzender des Ausschusses für konstitutionelle Fragen gehört Simon zu den einflussreichsten deutschen Europapolitikern
Die CDU Bad Soden hatte am Aschermittwoch zum traditionellen Heringsessen eingeladen und mit Professor Dr. Sven Simon einen Gastredner gewinnen können, der die Anwesenden zum Thema „Deutschland und Europa nach der Wahl“ mit auf eine Reise in die Politik Europas und seines Heimatlandes nahm: Welche Rolle soll Deutschland künftig einnehmen? Wie soll Europa auf die Beschlüsse der amerikanischen Regierung reagieren? Muss Europa politisch, wirtschaftlich und verteidigungstechnisch zusammenrücken? – Nicht nur diesen Fragen widmete sich der Jurist und einflussreiche Europapolitiker im Laufe seines Vortrages.
Bürokratieabbau notwendig
Das Foyer des Kulturzentrums Badehaus war zu Veranstaltungsbeginn bis auf den letzten Platz gefüllt und kurz bevor Dr. Felix Fischer, Vorsitzender der CDU Bad Soden, die Gäste begrüßte, waren auch die letzten Stehtische voll belegt. In seiner Begrüßungsansprache nahm Dr. Fischer bereits Bezug auf das Thema „Europa“ und wünschte sich von den Verantwortlichen in Brüssel nichts sehnlicher als „einen Abbau der überbordenden Bürokratie, deren Auswüchse in planwirtschaftlichen Strukturen zu münden drohen“. Ein „einfach weiter so“ sei keine Option, so Dr. Fischer, wolle man die Unternehmen in Deutschland halten. Andernfalls drohe eine Abwanderung, was nicht Ziel deutscher oder europäischer Politik sein könne. Der Beifall zeigte, dass der CDU-Vorsitzende durchaus einen Nerv bei den Anwesenden getroffen hatte.
„Europa muss verteidigungsfähig werden“
Im Anschluss ergriff Prof. Dr. Sven Simon das Wort. Direkt aus Brüssel angereist, brachte er den Wunsch der europäischen Staaten mit, dass Deutschland innerhalb der EU auch künftig als verlässlicher Partner agieren möge und als solcher auch gefordert sei. Europäische Integration sei notwendig, denn Europa sei in Gefahr – nicht nur aufgrund des mehr als verhaltenen Bekenntnisses des amerikanischen Präsidenten zu NATO. „Der Krieg ist zurück in Europa, auch wenn daran eigentlich niemand geglaubt hatte“, so Simon. Nun gelte es, die Verteidigung auf „europäische“ Füße zu stellen, zu koordinieren und die notwendige Rüstungsindustrie aufzubauen, denn aktuell würden 80 Prozent der Rüstungsgüter von Produzenten außerhalb der EU bezogen. Die Vergabe von „Verteidigungsdarlehn“, die Schaffung von entsprechenden Sondervermögen und die „Umlenkung“ von EU-Mitteln zur Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit Europas bewertete er an diesem Abend als „existenziell“. Die Bedrohungslage müsse, so Simon, neu definiert werden, gemeinsame Rüstungsprojekte müssten angestoßen und Europa auf diesem Weg wieder verteidigungsfähig gemacht werden.
„Industriellen Suizid“ verhindern
Europa müsse sich, so Simon, wieder auf sich selbst besinnen – auch in Bezug auf gemeinsame Werte und wirtschaftliche Aktivitäten. Die deutsche Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre bewertete er als „industriellen Suizid“, dessen Fortgang unbedingt verhindert werden müsse. Eine verfehlte Energiepolitik, zu erkennen u.a. an der Abschaltung der AKWs und den hohen Energiekosten, vertreibe Industrieunternehmen aus Deutschland, da im Inland kaum mehr wirtschaftlich produziert werden könne. Hier müsse dringend nachjustiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und Arbeitsplätze zu erhalten. „Klimapolitik“ sei wichtig, aber sie müsse intelligenter gemacht werden und sowohl den Menschen, als auch der Wirtschaft dienen, so Simon. Industriepolitik müsse wieder in den politischen Fokus rücken – aktuell sei Deutschland nach seiner Auffassung ins Hintertreffen geraten und in vielen Sparten darüber hinaus digital „abgehängt“.
Verantwortungsvolle Migration
Viele Menschen in Deutschland hätten, so Simon, das Vertrauen in den Staat verloren. Dieses müsse zurückgewonnen werden, wobei die Frage der Migration eine zentrale sei. Die Kommunen seien mit den Kosten der Aufnahme und Integration Asylsuchender mittlerweile überlastet und eine solche eigentlich nicht mehr sinnvoll möglich. Es sei den Menschen nicht mehr zu vermitteln, dass es Deutschland einwanderungswilligen Fachkräften enorm schwer mache, Antragsteller auf Asyl aber verhältnismäßig leicht ins Land kämen. Hier müsse ein verantwortungsvoller Weg gesucht werden, um die richtige Verhältnismäßigkeit wieder herzustellen. Dazu zähle auch, dass „illegale Migration gestoppt werden muss, denn sie tötet sonst die Demokratie“ – ein prägnanter Satz, der auf die Stimmengewinne der Parteien am rechten, wie auch am linken Rand, abzielte.
Liberale Demokratie stärken
Mit dem Satz: „Das Individuum muss wieder im Zentrum der Politik stehen“ verwies Dr. Simon auf die notwendige Stärkung der Grund- und Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, denn diese seien einzigartig auf der Welt. Auch in Deutschland müsse wieder mehr und mutiger miteinander geredet und diskutiert werden – ansonsten drohe die „Brandmauer“ zu fallen. Die Europäische Union sei, so erinnerte Prof. Dr. Simon, dereinst als großes Friedensprojekt ins Leben gerufen worden. „Über die Zukunft Europas soll ruhig gestritten werden – aber in Frieden“, so seine abschließenden Worte, denn die EU – und auch Deutschland – müssen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts annehmen und sich den wichtigen Fragen aktiv stellen!
Kommunalwahlkampf naht
Nach einem so umfassenden Einblick in die deutsche, wie auch europäische Politik, war es an Bürgermeister Dr. Frank Blasch, die kommunalen Anliegen in den Fokus zu rücken. Im kommenden Jahr stehen in Deutschland Kommunalwahlen an und man werde als Partei alles daran setzen, stärkste Kraft in der Stadt und im Main-Taunus-Kreis zu bleiben. Es bleiben noch ca. 13 Monate Zeit, den beginnenden Wahlkampf mit kommunalpolitischen Themen zu füllen. Der Schwerpunkt werde, so der Bürgermeister auf den Themen Sicherheit, städtische Lebensqualität und Stadtentwicklung liegen.
Sicherheit
Kommunalpolitisch liegt der Fokus beim Thema „Sicherheit“ auf den Bereichen Bevölkerungs- Katastrophen- und Zivilschutz. Blasch verwies auf die Investitionen in die Feuerwehren und die Förderung der allgemeinen Infrastruktur. Man habe viel in Sachen Starkregenschutz getan und sei als KOMPASS-Gemeinde im stetigen Austausch mit der Polizei.
Lebensqualität
Zum Thema Lebensqualität verwies Blasch auf das aktive Stadtleben, die vielen, gut besuchten, Veranstaltungen und das umfangreiche städtische Kulturprogramm. Man habe aktiv in den Erhalt und den Ausbau der Sportstätten investiert und sei bemüht, dringend notwendigen Wohnraum zu schaffen, allerdings seien die städtischen Möglichkeiten hier begrenzt, so Blasch.
Stadtentwicklung
Ob neue Bussteige, die Neugestaltung des gesamten Bahnhofsumfeldes, die Sanierung des Parkhauses oder der geplante Umzug der Verwaltungseinheiten in das Medicopalais – Bad Soden habe ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm angestoßen und zum großen Teil auch bereits erfolgreich umgesetzt, so Blasch. Auch zur Umgestaltung des Rathauskarrees gebe es bereits gute Ideen, die im Mai erstmals präsentiert werden sollen.
Bevor die anwesenden Gäste nach so umfassenden politischen Informationen das Heringsbuffet „stürmen“ durften, ließ es sich der Bürgermeister nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass für den anstehenden Kommunalwahlkampf sowohl der personelle Einsatz, als auch das Programm bereits in Planung sei.