Falkenstein (kw) – Das Alte Rathaus in Falkenstein ist eines der ältesten Häuser Königsteins und natürlich ein Wahrzeichen des höchstgelegenen Stadtteils. Vor dem Jahr 1650 erbaut, reicht es in seiner Strahlkraft zwar nicht ganz an die beiden Burgen der Stadt heran, aber es ist ein wichtiges Kultur- und Baudenkmal und insbesondere für Falkenstein identitätsstiftend.
Das zeigte sich am vergangenen Sonntag, als die Öffentlichkeit bei mehreren Führungen erstmals seit Schließung des darin befindlichen Stadtarchivs vor rund drei Jahren wieder Zugang zu dem sanierten Fachwerk-Schmuckstück im Herzen Alt-Falkensteins erhielt. Das Interesse war riesig, alle Führungen waren ausgebucht – die Königsteiner von diesseits und jenseits der Stadtteilgrenzen wollten sich ein Jahr nach Abschluss der Dach- und Fassadenarbeiten endlich auch ein Bild vom Innenausbau des Rathauses machen. Ein Bild, das bei den allermeisten auf großes Wohlwollen stieß. „Es ist sehr, sehr schön geworden, hell und nicht mehr so beengt“, lautete stellvertretend der Eindruck der früheren Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann, die 30 Jahre ihres Berufslebens größtenteils in den drei Stockwerken verbracht hat. Der neue Raumeindruck liegt in erster Linie daran, dass die klobigen Wandschränke und Regale, die die Archivsachen der Stadt verwahrten, verschwunden sind.
Die neue Nutzung des Erdgeschosses ist die des Ortsgerichts und Schiedsamts, erklärte Erster Stadtrat Jörg Pöschl, der als Ortsgerichtsvorsteher die Führungen im Erdgeschoss auch anmoderierte. Man habe bewusst darauf verzichtet, den größeren der beiden Räume für Sitzungen nutzen zu wollen – für den Ortsbeirat sei bei nur acht Sitzplätzen am zentral gestellten Tisch ohnehin nicht genug Platz. So wird das Ortsgericht, das aus Diskretionsgründen über einen weiteren abgeschlossenen Nebenraum verfügt, der aber nur zwei Personen Platz bietet, hauptsächlich den Hauptraum nutzen.
Derzeit beherbergt dieser neben der ebenfalls restaurierten Figur von Peter Dettweiler (die KöWo berichtete) in einer Vitrine eine kleine Sonderausstellung über das Wirken des berühmten Lungenfacharztes. Zudem war am Sonntag einmalig eine Bembelsammlung mit mehr als 20 besonderen Falkensteiner Unikaten zu sehen, zur Verfügung gestellt von der Keltergesellschaft Falkenstein, die nebenan im MGV-Vereinshaus die Besucher auch mit Äbbelwoi und Brezeln versorgte.
Auch auf die Kosten kam Pöschl zu sprechen. Ursprünglich hatte die Stadt 985.000 Euro für die Sanierung des Alten Rathauses veranschlagt, am Ende sind es knapp 1,5 Millionen Euro geworden. Einige 100.000 Euro sollen auf das Konto des Denkmalschutzes gegangen sein, der Zuschuss dafür habe sich dagegen lediglich im einstelligen Prozentbereich dieser Summe bewegt. Hohe Vorgaben betrafen zum Beispiel die Barockfenster – die historischen Fensterbeschläge mussten wiederverwendet und aufwendig aufgearbeitet werden. Das Denkmalamt entscheidet auch mit, ob überhaupt Gardinen aufgehängt werden dürfen. Befestigungen an den Fensterrahmen sind tabu.
Pöschl erinnerte auch an die Anfänge der Sanierung. Durch die tonnenschweren Archivstücke war der jahrhundertealte Gebäudekörper statisch extrem belastet worden. Deshalb musste unmittelbar nach Beginn der Bestandsaufnahme im Oktober 2019 eine Notsicherung des einsturzgefährdeten Nordgiebels vorgenommen worden.
Insofern konnte die Stadt auch nur mit einer Grobschätzung der Kosten in das Projekt einsteigen. Und der Auftrag, den Architektin Heike Kirch kurz zuvor übernommen hatte, für die Stadt die Arbeiten mit dem Denkmalamt zu koordinieren, welche zunächst bloß eine „Renovierung“ sein sollten, wurde komplexer und komplexer. Das Ausmaß wurde endgültig deutlich nach dem Auszug des Archivs im Jahr 2021, als die Wand und Bodenbeläge zurückgebaut werden konnten. So zeigte sich, dass zunächst die mit Zement angerührte Schlacke, mit der die Decken gefüllt war, entsorgt werden musste. Für die heute so schön eben liegenden Eichenholzdielen, die im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss (im 2. OG Linoleum) verlegt sind, musste zum Ausgleich eine Holzkonstruktion untergebaut werden, berichtet die Architektin. Schwierig gewesen seien vor allem auch die Arbeiten an den Abstrebungen des ersten Stockwerks, das über das Erdgeschoss hinausragt. Hier mussten wegen Fäulnis der Gesimsbretter aufwendige Befestigungen gemacht werden, die sich jetzt unter einem recht massiven Sockel verbergen. An vielen Balken des Fachwerks sieht man auch das „Patchwork“, wie Kirch es nennt: An historische Balken, die an einer rauen Oberfläche zu erkennen sind, wurden an vielen Stellen neue, glatte Balken angestückelt. Teilweise wurde die historische Oberfläche wie eine Diele auf einen neuen Balken aufgeklebt. Alles sehr aufwendig, „aber es ging darum, so viel wie möglich vom alten Holz zu erhalten“, wie die auf Denkmalpflege spezialisierte Architektin erklärt.
Ein solches, ganz besonderes Original gibt es im ersten Stockwerk zu sehen. Über die mit einem besonders beständigen Lack gestrichene, halbgewendelte Holzwangentreppe – die im Übrigen erst sei den 1950er Jahren durch einen Anbau innerhalb des Gebäudes neu gebaut wurde und die historische Außentreppe ablöste – gelangt man direkt zur Türe der öffentlichen Toilette. Die Besonderheit hinter dieser Türe ist ein freigelegter Eichenbalken, der lange Zeit unter Putz lag und einst die Eingangstür in den ersten Stock zierte. „Soli Deo Gloria 1705“ (das große „D“ ist andersherum gestellt) lautet die Inschrift. „Gott allein sei die Ehre“, so die Übersetzung des Spruchs, der aus dem 1. Korintherbrief stammt und mit dem Johann Sebastian Bach viele seiner Kompositionen unterzeichnete, wie Historikerin Ellengard Jung zu ergänzen wusste. Die Jahreszahl zeigt aber auch an, dass der Balken, zumindest seine Inschrift, im Ursprungsbau noch nicht vorhanden war.
Hier endet in Zukunft auch der öffentliche Bereich des Alten Rathauses, denn im restlichen Teil des ersten Stockwerks und unter der Dachschräge des zweiten Stockwerks befinden sich zwei Eigentumswohnungen (mit rund 48 bzw. 39 Quadratmetern Nutzfläche), die mit Küche und Badezimmer (das Alte Rathaus wird mit Gas beheizt) bezugsfertig sind. Pöschl stellt sich als Dauermieter städtische Mitarbeiter, am ehesten Kinderbetreuerinnen oder -betreuer, vor, die aufgrund ihres Gehalts und des Wohnungsmarktes in Königstein nur schwer Wohnraum finden. Zunächst zieht aber ein neuer Stadtmitarbeiter ein, der seine Probezeit abwarten möchte, bevor er sich mit seiner Familie eine größere Bleibe sucht.
Ein größeres Diskussionsthema war zuletzt im Ortsbeirat, dass die historische Glocke, die halbstündlich einmal und zur vollen Stunde die Uhrzeit schlägt, für den Bewohner im Dachgeschoss durchaus störend sein könnte, da der Seilzug – mehr als die Glocke selbst – laute Klopfgeräusche im Wohnraum verursacht. Die Mehrheit konnte sich schließlich auf den Kompromiss einigen, dass die Glocke künftig nicht mehr von 8 bis 20 Uhr, sondern nur noch von 9 bis 18 Uhr aktiviert wird, aber weiterhin läuten soll. Auch das gilt in Falkenstein als identitätsstiftend.
Altes erhalten und für die Zukunft bewahren: Kaum jemand, der dem Schmuckstück Altes Rathaus am Sonntag einen Besuch abstattete, würde der Sanierung nachträglich eine Absage erteilen. Wie oft sich die Stadt solche Projekte noch wird erlauben können, darf man durchaus diskutieren.