Offener Treff thematisierte „Kirche in der Digitalität“

Felix Neumann, Redakteur des Internetportals der katholischen Kirche „katholisch.de“ informierte seine Zuhörer über die Präsens der deutschen Kirchen im Internet.

Foto: Scholl

Schneidhain (gs) – Im Rahmen des Jahresthemas „Fluch oder Segen – Wie die Digitalisierung unser Leben beeinflusst“ konnte Dr. Christian Lauer seine Gäste nun zu einem interessanten Teilaspekt informieren, der in Zeiten vermehrter Kirchenaustritte und (scheinbar) abnehmender Spiritualität der Menschen viele Schneidhainer in das katholische Gemeindezentrum gelockt hatte. Mit Felix Neumann, Online-Redakteur des Internetportals „katholisch.de“, hatte Lauer einen jungen, ambitionierten Redner gewinnen können, der den Gästen einen umfassenden Einblick in die digitale Welt der Kirche eröffnete. Neumann begann seinen Vortrag mit der Feststellung, dass der Bereich „Digitalisierung“ beim Thema „Glaube“ für die meisten Bürger keinesfalls im Vordergrund stehe, es deshalb jedoch umso spannender sei, sich damit auseinander zu setzen. Darüber hinaus standen seine Ausführungen unter der Prämisse der „Digitalität“ und nicht der „Digitalisierung“, denn letzteres sei ein Prozess, der eigentlich weitgehend beendet sei, da uns die digitale Welt bereits in allen Lebensbereichen begegne. Ersteres bezeichne einen erreichten Zustand, über den es sich Gedanken zu machen lohne.

Einstieg kein leichter

Man befinde sich in dem Thema also „Mittendrin“, wobei das von ihm vertretene Portal „katholisch.de“ ein Special-Interest-Portal sei, welches den Anspruch hege, den Nutzern Informationen zugänglich zu machen, die ihnen helfen sollen, kirchliches Geschehen richtig einordnen zu können. Das Portal ist stark katholisch geprägt, weshalb sich auch der Vortrag auf die Erfordernisse und Betrachtungsweisen der katholischen Kirche fokussierte. Der Einstieg in die Digitalisierung war für die sonst eher traditionell geprägte katholische Kirche kein wirklich leichter. In den Anfängen waren es private Initiativen einzelner Pfarrer und privater Gruppen, die die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters entdeckten und erste christliche Inhalte ins Netz stellten. In den vielen Jahren zuvor allerdings, zeigte sich die katholische Kirche durchaus aufgeschlossen für die Nutzung moderner Kommunikationstechniken. Man nutzte bereits früh Telegrafen für den innerkirchlichen Informationsaustausch und segnete sogar Telegrafenstationen. Papst Pius XI. galt als kirchlicher Medienpionier und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Gründung des „Radio Vatikan“. In dieser „Aufbruchphase“ wurde moderne Technik von der katholischen Kirche durchaus positiv betrachtet und ihre Möglichkeiten bereits früh genutzt. Das 2. Vatikanische Konzil im Jahre 1963 verabschiedete darüber hinaus ein Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel. 1967 wurde der „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“ ins Leben gerufen, an welchem der amtierende Papst seither jährlich eine Botschaft zu aktuellen Themen (2018 – unter anderem Fake News) an die Gläubigen verkündet. Aus diesen Entwicklungen war bereits früh ersichtlich, dass die katholische Kirche sich grundsätzlich offen für moderne Kommunikationsmittel zeigte. Mit dem Siegeszug des Internet war es dann allerdings nicht die Amtskirche, die den Weg in das World-Wide-Web fand, sondern engagierte Pfarrer und Ordensleute, die die Möglichkeiten dieses Kommunikationsmediums erkannten und auch nutzten. Privat und ohne kirchlichen Auftrag stellten „PC-Pfarrer“ erste Predigten ins Netz und machten diese für eine Breite Bevölkerungsschicht nutzbar.

Vorreiterin Schwester Judith

Schwester Judith, eine amerikanische Nonne des Franziskanerordens, erkannte die anstehende kommunikative Revolution als eine der Ersten und engagierte sich stark, worauf hin sie die erste Internetbeauftragte des Vatikan wurde. Schon damals wurden Kommunikationsstrukturen aufgebaut, die z.T. noch heute genutzt werden. Neumann berichtete eine nette Anekdote aus der damaligen Zeit, als alle kirchlichen Server die Namen von Erzengeln trugen! Im Jahr 1990 ging dann das erste Amtsblatt des Vatikan online und eröffnete damit ein neues Zeitalter der Kommunikation für die katholische Kirche. Nach den Anfängen, in denen es vorrangig um einseitige Informationsvermittlung ging, öffnete sich die katholische Kirche mit dem Portal „Kirche im Web“ dem neuen Zeitalter, in dem die Verknüpfung der Menschen und ein Wissensaustausch im Vordergrund standen. Da ein eigener Fernsehsender einschließlich notwendigem Equipment eine große Investition dargestellt hätten, verlegte sich die katholische Kirche auf den kostengünstigeren, aber ebenfalls effektiven Betrieb von Internetportalen, um mit den Gläubigen zu kommunizieren. In diesem Kontext beschloss die deutsche Bischofskonferenz die Gründung von „katholisch.de“, in deren Redaktion Felix Neumann heute tätig ist. Man erkannte, dass das ehrenamtliche Engagement einzelner Pfarrer oder Ordensgruppen an seine Grenzen stieß und betreibt das Portals heute hoch professionell mit einem engagierten und hauptamtlichen Redaktionsteam im Hintergrund.

Soziallehre

Nach diesem ausführlichen Rückblick auf die Entwicklung, die die katholische Kirche mit ihrer Netz-Präsenz über viele Jahre durchlaufen hat, stellte Neumann die Frage nach der „Soziallehre der Digitalität“. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbarg sich die Auseinandersetzung der römisch-katholischen Medientheologie mit den ethischen Fragestellungen, die bei einer Internet-Präsenz zum Tragen kommen. Die Frage der „Ethik im Netz“ ist eine zentrale Frage, die gerade bei Glaubensfragen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. War die Kirche in frühen Jahren der Digitalisierung offen für neue Kommunikationsmedien und befürwortete diese, nahm diese Bereitschaft mit der steigenden Präsenz des Internets im Alltag bedauerlicherweise ab.

Neumann führte diese Tatsache darauf zurück, dass die verantwortlichen Bischöfe nun leider nicht mit ihren Kindern oder Enkelkindern über Netzauftritte oder -inhalte am Frühstückstisch diskutieren könnten und das Generationenproblem sein Übriges beitrüge. Noch heute gelten die Veröffentlichungen „Kirche im Internet“ und „Ethik im Internet“ aus dem Jahr 2002 als Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen. Obwohl der Weg manchmal mühsam sei, so Neumann, hat die katholische Kirche sich dem Internet geöffnet. Waren viele Informationen früher nur den „Eliten“ vorbehalten, so stehen sie heute allen interessierten Menschen offen. Neumann wünscht sich mehr Mut zur Kommunikation, wohl wissend, dass mit der Informationsnutzung auch bestimmte Kompetenzen verbunden sein müssen. Fragen des Datenschutzes, der Öffentlichkeit von Daten und die Berücksichtigung des Gemeinwohls sind nur einige Fragen, die immer aufs Neue gestellt und bewertet werden müssten. Schlagworte wie „digitale Mündigkeit“, „Medienbildung“ und „Teilhabegerechtigkeit“ stehen im Fokus derer, die über die Netzinhalte zu entscheiden haben.

Felix Neumann hatte sich mit seinem Vortrag zum Ziel gesetzt, seine Gäste über die Geschichte der kirchlichen Netz-Präsenz zu informieren und gleichzeitig einen Einblick in die nicht immer ganz einfachen Entscheidungsprozesse zu öffnen. Deutlich wurde, dass die (katholische) Kirche keinesfalls medienfeindlich ist, sogar in früheren Jahren sehr medienaffin war und neueste Kommunikationsmedien zu nutzen wusste. Auch heute verschließe sie sich einer Medien-Präsenz im Internet keinesfalls, jedoch schritten die Entwicklungen so rasend schnell voran, dass die „schwerfälligen“ Kirchengremien dem oft nicht gerecht werden könnten. Als Konsequenz sei die (katholische) Kirche durchaus in der Digitalität angekommen, wenn auch nicht immer auf dem allerneuesten Stand. Die Gäste interessierten sich im Anschluss für die Resonanz der Bürger auf die Online-Angebote der Kirchen. Felix Neumann konnte zu der Frage berichten, dass die Nutzerdatenerhebungen durchaus steigendes Interesse widerspiegeln. Die Nutzer sind allerdings in der Großzahl älter als 35 Jahre, mit einer Tendenz zur Nutzung durch vermehrt ältere Bürger. Junge Menschen seien für die kirchlichen Angebote im Netz eher schwer zu begeistern. Es gab auch die besorgte Frage, ob die Digitalisierung der Kirche (und ihrer Inhalte) nicht zu einer weiteren Vernachlässigung der Gemeinden führen würde. Hier bemerkte Neumann an, dass die digitalen Inhalte oft ergänzend wirken und die fehlende Seelsorge „vor Ort“ teilweise kompensieren könnten. Diese neue Form der Kommunikation wäre jedoch ganz sicher kein Ersatz für die Pfarrer, die den Menschen zugewandt wären, was keine Suchmaschine leisten könne. Am Schluss stand die Feststellung, dass die Kirchen mangels Pfarrern und aufgrund nachlassender Spiritualität der jungen Leute leider immer leerer werden, dass das Internet dieses Problem jedoch auch nicht lösen wird. Man könne zwar Gottesdienste übertragen oder Online an Gebetsrunden teilnehmen, die gemeinschaftliche Glaubenserfahrung in einem Gottesdienst könnten diese Angebote jedoch nicht ersetzen.



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