Zwischen Zuversicht und Mahnung: Kelkheim setzt auf Zusammenhalt und Unternehmergeist Unternehmensinsolvenzen

Rainer Brestel, Vorsitzender der VKS, und Bürgermeister Albrecht Kündiger fanden beim Neujahrsempfang der VKS mahnende und lobende Worte. Zuversicht ist das Wort der Stunde.Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – Beim Neujahrsempfang der Vereinigung Kelkheimer Selbständiger (VKS) in der gemütlichen neuen Schirm-Bar „Holzapfel“ im Kelkheimer Gewerbegebiet kamen Unternehmer, Politiker, Vereinsvertreter und weitere Gäste zusammen. Unter dem charmanten Schirmdach herrschte eine lockere, fast „kuschelige“ Stimmung, wie VKS-Chef Rainer Brestel bemerkte, denn die Heizlüfter liefen auf Hochtouren.

Herausforderungen

In seiner Rede nahm er jedoch kein Blatt vor den Mund, als er zu Beginn einige Herausforderungen für die Wirtschaft ansprach: von der Unsicherheit der Bundespolitik, einem unberechenbaren amerikanischen Präsidenten über die komplizierte Kommunikation mit Banken und Großfirmen bis hin zu Problemen wie der Nachfolgeregelung in Unternehmen. Mit einer Mischung aus Ernst und Humor warnte Brestel davor, Work-Life-Balance zu idealisieren, wenn gleichzeitig hohe Erträge erwartet werden, und appellierte an die Politik, wirtschaftliche Rahmenbedingungen planbarer und unternehmerfreundlicher zu gestalten. An oberster Stelle steht für Brestel das Eindämmen der überbordenden Bürokratie, die immer mehr Unternehmer verzweifeln lässt und die Wettbewerbsfähigkeit einschränkt. Die Zahl der Insolvenzen steige, und „wenn wir unsere Wirtschaft nicht in den Griff bekommen, setzt sich eine Spirale in Gang“, weiß der Unternehmer Brestel. Gemeint ist damit, dass die Menschen weniger Geld verdienen, unzufriedener werden, Parolen folgen, die einfache Wege versprechen und damit den zivilen Frieden gefährden.

Positives: Stadtmarkt findet wieder statt

Trotz der kritischen Töne gab es auch viel Positives zu berichten. In Kelkheim tut sich einiges: Am 18. Mai soll es endlich wieder einen Stadtmarkt mit verkaufsoffenem Sonntag geben, organisiert von Sascha Weiß, mit Unterstützung der Stadt und zahlreicher Vereine. Ebenso erfreulich: Die Post in der Frankfurter Straße ist seit dem 29. Januar wieder geöffnet, und die beliebten „Unter-Uns“-Treffen des Vereins kommen gut an. Der Frühlingsball war ein voller Erfolg, und der nächste steht schon für den 26. April in den Startlöchern, wobei der Erlös der Tombola dieses Jahr an das Tierheim gehen soll. Aktionen wie die Nikolausstiefel-Aktion und die Gutschein-Card, die in Kelkheim ein Dauerbrenner ist, zeigen, dass die VKS erfolgreich daran arbeitet, die lokale Wirtschaft und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Zukunftsaussichten

Für die Zukunft plant die VKS Großes: Neben der Unterstützung der örtlichen Betriebe im Gewerbegebiet Münster will sie den Einzelhandel insgesamt stärken und 2026 eine Gewerbemesse veranstalten. Ein Highlight wird bereits in diesem Jahr die Band „Rodgau Monotones“ sein, die im September für einen guten Zweck in der Stadthalle auftreten wird. Auch die neu eröffnete Schirm-Bar „Holzapfel“, eine Idee des Unternehmers Dirk Preß, der sich von seinem Skiurlaub inspirieren ließ, wurde als positives Beispiel gelobt. Mit ihrer Mischung aus Après-Ski-Atmosphäre, kulinarischen Angeboten und Events belebt sie die Gastronomie-Szene in der Stadt und zeigt, wie viel kreativer Unternehmergeist bewegen kann. Gerade auch im Hinblick darauf, dass gerade die Gastronomie einen immer schwereren Stand hat, kommt hier nicht nur allein der Mangel an Arbeitskräften zum Tragen, sondern auch das veränderte Konsumverhalten der Menschen. Das Geld für „Essen gehen“ sitzt nicht mehr so locker, zumal viele Gastronomen ihre Preise erhöhen mussten.

Zuversicht bewahren

Bürgermeister Albrecht Kündiger betonte, dass Kelkheim wirtschaftlich insgesamt gut dasteht, warnte aber ebenfalls vor den Herausforderungen für Gastronomie und Einzelhandel. Dabei mahnte er auch das Verhalten der Bürger an, deren Online-Shopping-Gewohnheiten oft zur Schließung von Geschäften beitragen. Ebenso kritisierte er die wachsende Bürokratie, die Unternehmen behindert, und äußerte Bedenken über die Finanzierungsfragen des Deutschland-Tickets. Trotz aller Schwierigkeiten rief er dazu auf, Zuversicht zu bewahren und sich klar zur Demokratie zu bekennen. Er warnte davor, lokale Probleme wie den Glasfaserausbau oder die Robert-Koch-Straße durch die Wahl radikaler Parteien zu beantworten, und appellierte an die Vernunft der Bürger. „Nur weil Dinge nicht hundertprozentig funktionieren, sollte man nicht die gesamte Demokratie in Frage stellen“, so sein Hinweis nicht nur an die Anwesenden.

Der Empfang zeigte deutlich, dass Kelkheim eine lebendige Stadt ist, die sich trotz Herausforderungen weiterentwickelt. Doch der Abend war auch eine Mahnung: Ohne Engagement, Zusammenarbeit und klare Bekenntnisse zu demokratischen Werten wird es schwieriger, die positive Entwicklung fortzusetzen. Mit dieser Mischung aus Optimismus und Weckruf wurde schließlich das Büfett eröffnet – ein gelungener Abschluss für einen Mittag voller Denkanstöße und Zuversicht.

In Deutschland sind die Unternehmensinsolvenzen zuletzt deutlich gestiegen. 2024 gab es mit 22.400 Insolvenzen (+16,8 % im Vergleich zu 2023) den höchsten Stand seit 2015. Besonders betroffen waren Branchen wie Verkehr, Bau und Dienstleistungen. Ursachen sind steigende Energiekosten, wirtschaftliche Unsicherheiten, Bürokratie und der Fachkräftemangel. Prominente Fälle wie die erneute Insolvenz des Schuhhändlers Görtz verdeutlichen die schwierige Lage. Die Entwicklung bleibt auch 2025 ein kritisches Thema, da weitere Anstiege nicht ausgeschlossen werden können.

Unternehmensnachfolge

Die Unternehmensnachfolge in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Rund 231.000 mittelständische Unternehmen könnten bis Ende 2025 schließen, viele davon wegen fehlender Nachfolger. Das Durchschnittsalter der Inhaber liegt bei über 54 Jahren – ein neuer Höchststand. Hindernisse sind steigende Bürokratie, wirtschaftliche Unsicherheiten und oft unklare Nachfolgestrategien. Positiv hervorzuheben ist, dass erfolgreiche Übernahmen häufig zu Umsatz- und Gewinnsteigerungen führen und der Anteil weiblicher Nachfolger wächst. Politik und Unternehmen müssen jedoch verstärkt Lösungen entwickeln, um die Nachfolge zu sichern.



X