Trennungszoff um einen Tantalus

Da scheint die Welt noch in Ordnung. Curtis (René Steinke) erzählt Bonnie (v. l. Julia Bremermann) und Annie (Natalie O’Hara) die Geschichte, wie er seine Frau vor 20 Jahren kennengelernt hat. Diese gibt Minuten später die Trennung bekannt. Foto: Martin Sigmund

Von Christine Šarac

Steinbach. Gerade noch hatten sie zusammen gelacht, Rotwein getrunken und heiter geplaudert, da sagt Tess unvermittelt: „Hört zu, wir trennen uns.“ Wir trennen uns – es sind nur drei Worte, doch die schlagen ein wie eine Bombe. „Nur drei Worte“ heißt auch das Stück der australischen Autorin Joanna Murray-Smith, das am Dienstagabend im Rahmen der Theaterreihe Steinbach im Bürgerhaus gespielt wurde.

Eigentlich hatten Tess und ihr Mann Curtis mit ihren Freunden Bonnie und Annie, einem lesbischen Paar, ihren 20. Hochzeitstag feiern wollen. Doch dann zündet Tess die Bombe, und von da ist in dem Beziehungsgeflecht des Quartetts nichts mehr, wie es einmal war. Der Prozess kündigt sich zunächst schleichend an, denn selbstverständlich versichert das ehemalige Vorzeige-Paar, dass sich an der Freundschaft zueinander nichts ändern wird. Tut es doch. Spätestens als Bonnie und Annie wissen wollen, warum das einstige Traumpaar getrennte Wege gehen will, und herauskommt, dass Tess einfach genug hat von Curtis. „Auf einmal bin ich in der Frontlinie der Sterblichkeit“, sinniert Tess. „Meine Eltern sind tot, unsere Tochter aus dem Haus. Ich will nicht nur als Ehefrau definiert werden.“ Die Powerfrau und Verlegerin mit dem dominanten Auftreten gibt zu, Ängste zu haben. „Was ist, wenn nichts mehr von mir übrigbleibt?“, fragt sie sich selbst. Und Curtis? Der hat – wie immer – Verständnis. Für seine Noch-Gattin, für ihre Entscheidung, für einfach alles. Das wiederum geht der burschikosen Bonnie, die eindeutig in ihrer Beziehung die Hosen anhat, auf den Keks. „Wir lieben euch zusammen, nicht einzeln“, schleudert sie wütend ihren Freunden entgegen, während Annie erst einmal versucht, die Situation zu verstehen, in die sie da hineingeraten sind.

Während am Anfang der Trennung noch mit Witzen der Schrecken genommen werden soll – „Jede Frau über 40 ist Alkoholikerin“, „Die Geburt eines Paares ist der vorsätzliche Mord eines Individuums“ – wird der Ton zwischen den Vieren von Szene zu Szene schärfer. So richtig kommt der Rosenkrieg jedoch in Gang, als Tess erfährt, dass sich Curtis mit der 20-jährigen ehemaligen Schülerin Greta über die Auflösung seiner Ehe tröstet. So habe sie sich die Trennung nicht vorgestellt, mäkelt Tess, und Curtis tut es zum ersten Mal nicht leid.

Indessen folgen alle Stufen einer Trennung. Curtis zieht aus, Tess streicht die Wände neu, und am Ende trifft sich das Kleeblatt zum gemeinsamen Aufteilen der Habseligkeiten, die sich in einer Ehe über die Jahre so ansammeln. Groteskerweise entbrennt dabei ein Streit um einen Tantalus, der einst Tess’ Großvater gehörte. Ein Tantalus ist ein verschließbares Tragegestell für Flaschen oder Karaffen und wird in dem Stück zum Sinnbild eines unnötigen wie ergebnislosen Streits, bei dem sich alle Beteiligten wortwörtlich an die Gurgel gehen.

Das Stück ist mit René Steinke als Curtis und Lisa Wildmann als Tess hochkarätig besetzt. Die Schauspieler kennen Serienliebhaber aus „Blutige Anfänger“ und „Die Rosenheim Cops“. Auch Julia Bremermann (Bonnie) ist in vielen Produktionen zu sehen gewesen wie beispielsweise „Bettys Diagnose“ oder „Lena Lorenz“. Natalie O’Hara, die in dem Beziehungsdrama die Rolle von Annie verkörpert, spielt in der ZDF-Serie „Der Bergdoktor“ mit. Sowohl Lisa Wildmann als auch Natalie O’Hara stellen die dominanten Persönlichkeiten innerhalb ihrer Beziehung sehr glaubwürdig dar und schaffen es, eine Verwandlung sichtbar zu machen und auch ihre verletzliche Seite zu zeigen. In der Umkehrbewegung mausern sich Curtis und Annie im Laufe der Handlung, verschaffen sich und ihren Bedürfnissen mehr und mehr Gehör und gewinnen an Stärke. Das gilt besonders für die Figur der Annie, die besonders darunter leidet, mal für Tess mal für Curtis Partei ergreifen zu müssen.

Das minimalistische Bühnenbild aus Holzwürfeln und Spanplatten von Stefan Morgenstern lenkt den Blick nicht auf unnötige Details und lässt dem Zuschauer genug Raum, sich auf die Dialoge zu fokussieren.

„Ich liebe dich“, mit diesen drei Worten beginnt eine Beziehung, doch mit, „Wir trennen uns“, ist sie noch lange nicht zu Ende, wie das Stück zeigt. Vermeintlich stabile Verbindungen werden hier genussvoll zerlegt. Die Autorin seziert schmerzhaft genau menschliche Fassaden.

Für die Beziehung zwischen Curtis und Tess kommt offenbar jede Hilfe zu spät. Ob Annie und Bonnie ihre stabil halten können, bleibt offen. Aber ein erster Schritt ist am Ende gemacht. Ebenfalls mit nur drei Worten, die sie an ihre Freunde richten: „Ihr solltet gehen.“

! Das nächste Stück in der Theaterreihe Steinbach ist die turbulente Komödie „Rent a friend“. Sie wird am Donnerstag, 28. März, um 20 Uhr, im Bürgerhaus aufgeführt.



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