Ein „Enfant terrible“ wird wieder lebendig

Der Schauspieler Dominique Horwitz schlüpft bei der letzten Vorstellung der Theaterreihe Steinbach 2023/24 in die Rolle des französischen Künstlers Serge Gainsbourg. Foto: Dietrich Dettmann

Von Christine Šarac

Steinbach. Der Saal im Bürgerhaus ist brechend voll. So viele Steinbacher sind an diesem Mittwochabend gekommen, um ihn zu sehen. Dominique Horwitz, der vielen Menschen durch Filme wie Dieter Wedels „Der große Bellheim“ oder Joseph Vilsmeiers „Stalingrad“ bekannt ist, bereichert mit „Je t’aime…“, die Theaterreihe Steinbach.

Der Gainsbourg-Abend bildet das „Grande finale“, den krönenden Abschluss, der Theatersaison 2023/24. Sich eine Zigarette anzündend, kommt Horwitz auf die Bühne. Die blaue Gitanes-Schachtel, die Lieblingsmarke des kettenrauchenden Gainsbourg, wird ihn den ganzen Abend über begleiten. In der anderen Hand hält er ein Glas, gefüllt mit etwas Hochprozentigem. Da sind sie also, die beiden großen Laster des französischen Chansonniers, Schauspielers, Komponisten und Schriftstellers, der nicht nur eine ganze Ära der französischen Popmusik beeinflusste, sondern auch das Kino und die Literatur seiner Zeit. Alkoholexzesse und übermäßiger Zigarettenkonsum haben Gainsbourg höchstwahrscheinlich am 2. März 1991 das Leben gekostet. Die offizielle Todesursache: Herzinfarkt. „Er hat zu viele Gitanes getrunken“, bemerkt Dominique Horwitz scharfzüngig. Im Verlauf des Abends zündet sich Horwitz, der eigentlich Nichtraucher ist, einen Glimmstängel nach dem anderen an. Torkelt über die Bühne und lässt hier und da eine Zote fallen. Aber so war er nun mal, der große Gainsbourg. Ein Provokateur, ein „Enfant teribble“. Horwitz schlüpft in die Rolle, zieht sich die fremde Identität über wie eine zweite Haut. Die Grenzen zwischen dem Schauspieler und dem Chansonier Gainsbourg scheinen sich von Minute zu Minute weiter aufzulösen, bis der eine im anderen aufgeht. Vielleicht auch deshalb, weil beide einiges verbindet. Auch Dominique Horwitz wurde in Paris geboren, auch er ist Sänger, Schauspieler und Schriftsteller und vielleicht kennt er ihn auch, den Dämon namens Selbstzweifel, der viele Künstler heimsucht. Unterstützt wird er beim Erzählen von einer vierköpfigen Liveband, die den Soundtrack eines Künstlerlebens beisteuert: Peter Engelhardt (Gitarre), Kai Weiner (Klavier und Keyboard), Volker Reichling (Schlagzeug), Johannes Huth (Bas). Bereits in der musikalischen Eröffnung, einer Mischung aus Jazz und Rock, blinzelt ganz leise als Nebenmelodie Gainsbourg größter Hit, der auch den Programmnamen beigesteuert hat, durch. „Je t’aime…moi non plus“ hat Gainsbourg über Nacht berühmt gemacht. Geschrieben für seine Ex-Geliebte Brigitte Bardot, die das Lied auch mit ihm eingesungen hat, das aber nicht veröffentlicht wurde. Stattdessen singt Gainsbourg das Stück zwei Jahre später mit einer weiteren Ikone, seiner späteren Frau Jane Birkin, noch einmal ein. Wie oft Gainsbourg betrunken im französischen Fernsehen aufgetreten ist – nicht zählbar. Die Marseillaise, die französische Nationalhymne, hat er als Reggae aufgenommen – ein Skandal. Das alles haben ihm die Franzosen aber nie übelgenommen. Als Gainsbourg stirbt, trauert ein ganzes Land.

Im Publikum bricht nach der Vorstellung Jubel los. Das Publikum zollt Horwitz und Band seinen Respekt für eine spektakuläre Darbietung durch Klatschen und Fußgetrampel, das den Saal erbeben lässt. Bien joué, Messieurs!



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