Hochtaunus (how). Am Montag fingen in Hessen das neue Schuljahr. Für viele Eltern begännen damit auch wieder die Sorgen, wie sie die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten für Unterrichtsmaterialien, Ausflüge, Klassenfahrten, Sportwettkämpfe, Geburtstagsfeiern und Schulfeste finanzieren sollen. In Hessen soll jedes vierte Kind als von Armut bedroht gelten, im Bundesdurchschnitt ist es nur jedes Fünfte. Besonders schwierig gestalte sich die Situation für Alleinerziehende und für Familien mit drei und mehr Kindern. Hier habe die Bertelsmann-Stiftung Armutsgefährdungsquoten von 45,4 und 36,0 Prozent ermittelt. „Hessen ist ein wirtschaftlich starkes Land. Dass hierzulande gleichzeitig so viele Kinder in Lebensverhältnissen aufwachsen, die durch Mangel und Entbehrung geprägt sind, dürfen wir nicht hinnehmen“, sagt der Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Hessen-Thüringen, Paul Weimann.
Bereits 2010 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil festgestellt, dass zum Existenzminimum von Kindern mehr gehört als Essen und Wohnen. Vielmehr müsse Heranwachsenden auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe ermöglicht werden. Als Antwort hat die Bundesregierung ein Jahr später das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt. Mit Leistungen aus diesem Paket können Familien zum Beispiel das Schulessen, die Mitgliedschaft im Sportverein, Bücher, Hefte, Stifte sowie den Nachhilfeunterricht bezahlen. „Seit Jahren weisen wir allerdings daraufhin, dass dieses gut gemeinte Instrument sein Ziel, die Integration von armen Kindern und Jugendlichen zu befördern und mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen, verfehlt. Denn nach wie vor kommt diese Leistung bei viel zu wenigen Familien an“, kritisiert Weimann.
Eine Studie der Paritätischen Forschungsstelle bestätige diese Kritik: Von den knapp 101.000 Kindern und Jugendlichen in Hessen, denen Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zustehen, nehmen nur 11,3 Prozent diese auch tatsächlich in Anspruch. „Das zeigt uns: Der Weg zu dieser Förderung ist so kompliziert und führt über so viele bürokratische Hürden, dass die Mehrheit der Berechtigten sich davon überfordert fühlt und keinen Zugang findet. Es muss daher genau geprüft werden, wie die betroffenen Familien besser erreicht werden. Kinder können weder ihren Lebensunterhalt selbst verdienen noch Behördenanträge stellen. Deshalb muss alles dafür getan werden, dass staatliche Hilfen problemlos ankommen und ihnen ein Aufwachsen ohne materielle Not ermöglichen“, sagt der VdK-Landesvorsitzende.