Heimische Winterpilze

Die Lauscher des Waldes: Judasohren (Auricularia auricula-judae)Foto: Diehl

Bad Soden (nd) – Die meisten Menschen verbinden die Pilzsuche oder das Pilzesammeln eher mit dem Spätsommer oder dem Herbst, aber selbst nach beziehungsweise während einer Kälteperiode, wie in den vergangenen Wochen, kann man in unseren Wäldern den einen oder anderen Speisepilz erspähen.

Austernseitlinge – nicht nur lecker, sondern auch gesund

Der Austernseitling (P. ostreatus) zum Beispiel benötigt sogar einen Kälteschock, um zu fruktifizieren. Man kennt ihn durchaus in seiner Zuchtform aus dem Supermarkt, denn er gehört zu den weltweit am meisten gewerblich gezüchteten Pilzarten. Der schon seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Kräuterbüchern erwähnte Austernseitling wird im Handel gerne als sogenannter „Lichtpilz“ verkauft. Die Begrifflichkeit bezieht sich auf die durchaus nennenswerte Menge an Vitamin D, die sich im Fruchtkörper tatsächlich befinden kann. Der Seitling benötigt allerdings UV-Licht zur Bildung des Vitamin D, weswegen er auch in der professionellen Zucht oft „belichtet“ wird. Diese Eigenschaft dürfte gerade für Menschen, die unter Osteoporose oder Winterdepressionen leiden, interessant sein.

Wissenswert ist auch, dass man Austernseitlinge nie roh und immer ausreichend gegart verzehren sollte. Dies gilt sowohl für die Wildform aus dem Wald als auch für die Zuchtform und für alle anderen essbaren Seitlingsarten, denn sie enthalten Lektine, die hämolytisch wirken, also die roten Blutkörperchen zerstören. Diese Inhaltsstoffe zerfallen aber beim Kochen oder Braten vollständig und werden somit ungefährlich.

Samtfußrüblinge – die frostfesten Spezialisten

Eine weitere Pilzart, die man im zauberhaften Winterwald finden kann, ist der Gemeine Samtfußrübling (F. velutipes). Der Samtfußrübling, der im europäischen Lebensmittelhandel leider noch nicht so häufig anzutreffen ist, wird meistens unter seinem japanischen Namen „Enoki“ oder „Enokitake“ angeboten und gehört interessanterweise trotzdem weltweit zu den „Top 5“ der am häufigsten angebauten Pilzarten. Allerdings ist die Zuchtform meist deutlich weißer und heller als in der Natur, was sich aber glücklicherweise nicht auf den vorzüglichen Geschmack auswirkt. Der Pilz fruktifiziert erst ab etwa Null Grad Celsius und übersteht durchaus mühelos Temperaturen bis Minus 12 Grad, weswegen er „DER“ Winterpilz ist. Außerdem wirkt sich diese Fähigkeit auf das Aufbewahren im Kühlschrank aus, denn dort er bleibt ungewöhnlich lange frisch und kann verwendet werden. Der „Enoki“ hat aber auch viel „Gutes“ in sich. In Japan wie auch im ganzen ostasiatischen Raum bekannt, schätzt man ihn schon lange nachweislich als Speise- und Heilpilz. Erste Zuchtanleitungen aus China finden sich aus einer Zeit zwischen 800 und 900 n. Chr. Auch der Samtfußrübling gehört zu den schmackhaften und ergiebigen Speisepilzen, enthält Vitamin B und C, ist aber vor allem in größeren Mengen roh unverträglich bis giftig. Dies wird auch hier von Lektinen ausgelöst, die aber beim Garen ebenfalls zerstört werden und damit unproblematisch sind.

Ein weiterer kurioser, aber interessanter Fakt ist, dass dieser Pilz als erster Großpilz 1993 im Weltraum war. Zusammen mit zwei deutschen Astronauten flog eine Probe des Myzels im Rahmen der D2-Mission in den Orbit, um das Wuchsverhalten in der Schwerelosigkeit zu studieren.

Judasohren – Die „Lauscher“ des Waldes

Der Dritte im Bunde ist das Judasohr (A. auricula judea) oder volkstümlicher Holunderschwamm. Wer schonmal auf der Zutatenliste einer asiatischen Suppe oder in seinem Rezeptbuch den „Mu-Err“-Pilz entdeckt hat, hatte es unweigerlich mit diesem Speisepilz zu tun. Die heimische Art wächst bevorzugt auf Holunder und erinnert in seiner Wuchsform an ein menschliches Ohr, wovon sich sowohl die chinesische Bezeichnung „Mu-Err“ (Baum-Ohr) als auch der deutsche Trivialname Judasohr ableiten.

Der auch als Vital- und Heilpilz bekannte Speisepilz wird schon in einem heimischen Kräuterbuch von 1679 erwähnt und ist in China schon seit mindestens 2000 Jahren bekannt. Er wird meistens als Suppenpilz verwendet, da er sich wegen seiner gallertartigen Konsistenz nicht zum Braten in der Pfanne eignet. Seine Konsistenz und sein eher geringer Eigengeschmack sorgen dafür, dass der in Asien äußerst beliebte Pilz in Europa beziehungsweise in Deutschland eine weniger große Rolle spielt. Dabei hat das Judasohr durchaus gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe, darunter viele ungesättigte Fettsäuren. Auch wenn die meisten Autoren und Fachleute den „Mu-Err“ auch roh als ungiftig oder essbar einstufen, wird grundsätzlich empfohlen, die Pilze vor Verwendung erst zu trocknen, dann vor Gebrauch zu wässern und quellen zu lassen.

Ein schönes Hobby, bei dem man sich wirklich auskennen muss

Abschließend bleibt neben dem kulinarischen Erlebnis „Winterpilz“ und den an „Superfood“ erinnernden Inhaltsstoffen noch zu erwähnen, dass Pilzesammeln ein potenziell tödliches Risiko birgt und nur von Menschen mit genügend Sach- und Fachkenntnis betrieben werden sollte. Wer diese Fähigkeiten aber erwerben möchte oder seine Funde überprüfen lassen will, kann sich vertrauensvoll an einen Pilzsachverständigen (PSV) aus seiner Region wenden. Mehr Informationen unter www.dgfm-ev.de.



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