Ausflugstipp

Victoria im Alter von vier Jahren, gemalt von John Lucas 1844. In der linken Hand hält sie eine Porträtminiatur ihres Vaters, Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.

Foto: Kulturstiftung des Hauses Hessen

Kronberg/Fulda (war) – „Klein. Intim. Kostbar. Kleine Bilder ganz groß auf Schloss Fasanerie“. Hinter diesem Titel verbirgt sich aktuell eine sehr sehenswerte Ausstellung im Badehaus von Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda. Im Fokus der Schau stehen Porträtminiaturen des Hauses Hessen quasi als Vorläufer der Fotos. Dafür konnte die in Kronberg ansässige Kulturstiftung des Hauses Hessen im eigenen Sammlungsbestand aus dem Vollen schöpfen. Zählt doch deren Sammlung von mehreren hundert dieser kleinen Bildnisse vom meist adeligen Personen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert zu den Größten ihrer Art in Europa. Die Porträts im Kleinstformat, die eine eigene Gattung in der Malerei bilden, wurden früher gerne untereinander verschenkt und konnten als „Selfies“ permanent mit sich getragen werden.

Für Besucher aus Kronberg besonders interessant dürften die zahlreichen Porträts sein, die Victoria Kaiserin Friedrich, welche vor 120 Jahren im August 1901 auf Schloss Friedrichshof in Kronberg verstorben ist, von Jung an bis ins Erwachsenenalter zeigen. Die Kaiserwitwe selbst war zeitlebens eine leidenschaftliche Sammlerin der kleinen, oft sehr persönlichen Kunstwerke.

In der Ausstellung wird bei einigen Miniaturen auf deren versteckte Botschaften aufmerksam gemacht. So konnten sich hinter zunächst harmlos erscheinenden Attributen, insbesondere bei Frauenbildnissen, durchaus erotische Signale verbergen, deren Dechiffrierung den Menschen früherer Tage, vor allem in Adelskreisen, geläufig war. Wenn beispielsweise ein kleiner Schoßhund zu sehen ist, der gerade „Männchen macht“, deutete eine solche Pose daraufhin, dass die abgebildete Person für amouröse „Abenteuer“ durchaus offen war. Das zeigt, dass solche Bildmotive ursprünglich keinesfalls für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern als intimes Präsent ausschließlich für eine Vertrauensperson gedacht waren.

Die Schau verdeutlicht auch eindrücklich, welch großer Aufwand für die Erstellung der Porträts im Miniaturformat oft betrieben wurde. Die darauf spezialisierten Maler schufen ihre Mikro-Meisterwerke mit Vergrößerungsglas, feinsten Pinseln und vor allem ruhiger Hand. Da wurden die einzelnen Perlen einer Kette genauso akkurat festgehalten wie Haar für Haar. Hoch im Kurs standen hauchdünne Elfenbeinplättchen als Untergrund, auf denen die aufgetragenen Hautpartien besonders real und plastisch leuchten. Das Anfertigen der Einfassungen der Konterfeis aus und mit wertvollen Materialien erforderte ebenfalls viel Geschick der Juweliere. Spezielle, quasi atmungsaktive Uhrengläser waren notwendig, um der Bildung der zerstörenden Kondensfeuchtigkeit durch die Körperwärme bei längerem Tragen der empfindlichen Bildwerke vorzubeugen. Schließlich wurden die Minibilder meistens als Brosche, in einen Armreif oder Ring gefasst sowie als Anhänger einer Halskette direkt auf der Haut getragen, sodass einem der oder die Liebste stets symbolisch sehr nahe war.

An der Kasse werden Lupen ausgeliehen, mit denen die feinen Pinselstriche und sonstigen Einzelheiten der Mini-Porträts weit besser zu erkennen sind als mit bloßem Auge.

Parallel zeigen 13 Künstlerinnen und Künstler der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ihre „aktuellen künstlerischen Positionen zur Kleinen Form“ auf Basis „experimenteller Raumkonzepte“ als zeitgemäße Antwort auf die Porträtminiaturen vergangener Zeiten in den Schauräumen des Schlosses. Das Ergebnis ist ein spannender Kontrast zwischen früher und jetzt. Die Exponate im Badehaus und Schloss sind noch bis 31. Oktober zu sehen.



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