Das Vortaunusmuseum: Wenn ein Haus erzählen könnte…

Auf großes Interesse stößt der Vortrag zur Geschichte des Vortaunusmuseums von Renate Messer, den Marion Unger (v. l.) im Ferdinand-Balzer-Haus ankündigt. Foto: bg

Oberursel (bg). Im Vortaunus-Museum arbeiten die Handwerker. Wegen Renovierungsarbeiten stehen die Besucher vor verschlossenen Türen. Dafür präsentiert sich der idyllische Hinterhof in schönster Frühlingslaune. Das Wasser im Felsenkellerbrunnen sprudelt, und die Bäume stehen im ersten frischen Blattgrün, von der Baustelle ist hier, wo sich auch der Eingang zur Tourist-Information befindet, nichts zu sehen. Dafür toben die Bauarbeiten deutlich sichtbar an der Außenfassade und im Innern des historischen Hauses. Eigentlich sollte nur das alte Fachwerk erneuert werden. Aber Baustellen entwickeln meist ihre eigene Dynamik und dauern gerne auch etwas länger. So bleibt das markante Gebäude am Markplatz bis auf Weiteres Großbaustelle. Nach dem Fachwerk musste ein Boden im ersten Stock, in dem sich das Büro der Museumsleitung befindet, komplett erneuert werden. Inzwischen konnte das Museums-Team wieder einziehen, monatelang bewegte es sich zwischen Balken. Wegen der Sanierung des Fachwerks mussten die Ausstellungsvitrinen in den von Baumaßnahmen betroffenen Räumen leergeräumt werden. Trotz eingebauter Schutzwand, der Staub drang überall durch.

Auch ohne die aktuelle Baustelle könnte das markante Gebäude am Marktplatz viel erzählen. Es hat eine lange Baugeschichte, die durch Katastereinträge belegt ist. Über seine wechselvolle Geschichte und unterschiedliche Nutzung im Lauf der Jahrhunderte hat die Kulturanthropologin und Leiterin des Vortaunusmuseums, Renate Messer, einen spannenden Vortrag gehalten, zu dem der Geschichtsverein eingeladen hatte. Vorsitzende Marion Unger freute sich über das große Interesse, das Ferdinand-Balzer Haus war gut gefüllt. Sie zitierte den Spruch an einem Haus in der Altstadt „Alter Häuser, junge Weiber sind die schönsten Zeitvertreiber“. Und merkte an, dass „Alte Häuser“ sich oft als kostspieliges Hobby entpuppten.

Bevor Renate Messer einiges zur den Renovierungsmaßnahmen erzählte und dazu eindrucksvolle Fotos von der Baustelle im Innern des Hauses zeigte, widmete sie sich ausführlich der Geschichte des Hauses. Die Besitzer wechselten häufig. Das große Grundstück zwischen Marktplatz, Rahmtor und Schulstraße wurde immer wieder anders genutzt und bewirtschaftet. 1704 erwarb ein für das Amt Königstein tätiger Rentmeister mit seiner Ehefrau das Grundstück und baute dort ein Haus. Das Wappen des Ehepaares ist noch heute am Torbogen zum Museumshof zu sehen. Der ehemalige Stadtschultheiß und Spezereihändler Joseph Anton Schaller kaufte das Anwesen 1816. Danach erwarb der Bierbrauer Philipp Kamper das insgesamt 1900 Quadratmeter große Grundstück 1846. Er errichtete dort Anlagen zum Bierbrauen und führte dafür umfangreiche Abriss- und Umbaumaßnahmen durch. Um 1860 eröffnete er die Gaststätte „Zum Felsenkeller“. 1905 kaufte ein Frankfurter Weinhändler das Anwesen, der die Gastwirtschaft verpachtete und die übrigen Räume als Wohnungen vermietete. Er geriet in finanzielle Schwierigkeiten, und bei der Zwangsversteigerung 1912 erwarb die Stadt den gesamten Besitz. Die Gaststätte wurde verpachtet und trug nun den Namen „Gasthof zum Ratskeller“. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie aufgegeben. In die freigewordenen Räume am Marktplatz wurden Ämter der Stadt untergebracht, darunter die Bauverwaltung, das Standesamt und die „Stadt- und Volksbibliothek“, die durch engagierte Bürger 1903 gegründet worden war. Andere Teile des Gebäudes wurden als Wohnungen vermietet. Das ehemalige Brauhaus – heute das Stadtarchiv – wurde bis 1927 von der Columbus-Motorenbau AG Oberursel gemietet, später waren dort Wohnungen. Auch das Rote Kreuz war dort für einige Zeit zu Hause.

1972 beschloss der Magistrat der Stadt, dass das städtische Gebäude am Marktplatz 1 grundsätzlich für „Zwecke der Heimat- und Kulturpflege“ zur Verfügung gestellt werden sollte. Der Geschichtsverein und das Stadtarchiv benötigten mehr Platz, und auch die Hans-Thoma-Gedächtnisstätte sollte ihren Platz da finden. 1987 wurde schließlich das Vortaunusmuseum als modernes Stadtmuseum feierlich eröffnet. Inzwischen sind 37 Jahre vergangen, und es standen mal wieder Sanierungsmaßnahmen an. Das Fachwerk sollte erneuert werden. Mit den weiteren Schäden hatte niemand gerechnet. Renate Messer und ihr Team nehmen ihre Arbeit inmitten einer Baustelle als Herausforderung. „Wir sind dadurch halt immer vor Ort“, erklärte sie und lobte die Handwerker. „Die machen ihre Arbeit richtig gut.“ Die Bauleitung liegt in den Händen des BSO. Auch diese Zusammenarbeit funktioniere hervorragend. Durch die Baumaßnahmen wird das alte geschichtsträchtige Haus am historischen Marktplatz wieder fit gemacht um weiter als modernes Museum die Besucher mit der Oberurseler Geschichte bekanntzumachen.

Darüber ist Renate Messer froh und dankbar. Sie arbeitet daran, einige Teilbereiche des Hauses bald wieder eröffnen zu können. Am Pfingstmontag, 20. Mai, ist Deutscher Mühlentag. Da plant sie eine Führung durch die Mühlenabteilung. Treffpunkt ist um 15 Uhr im Museum. Am Sonntag, 16. Juni, hält sie um 14 Uhr im Museum einen Vortrag mit dem Titel „Das Frühjahr geht, der Sommer kommt – Kräuter und Gewürze in der Volkskunde“. Anschließend gibt es Kaffee und Kuchen im Museums-Cafe.

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