Olympische Spiele in Paris: Da müssen viele Sportler in die Seine

Frankreich im Fokus bei „Hallo Nachbarn“ (v. l.): Moderatorin Manuela Wehrle, Referentin Sil-via Schenk und Matthias Hermann. Er fährt als Volunteer zu den Olympischen Spielen. Foto: bg

Oberursel (ow). In seinem Jubiläumsjahr informiert der Verein zur Förderung der Oberurseler Städtepartnerschaften (VFOS) mit der Reihe „Hallo Nachbar“ über die Länder seiner Partnerstädte. Nach Russland, bei dem die Präsidentenwahl Thema war, stand jetzt Frankreich im Fokus mit den „Olympischen Spielen und den Paralympics in Paris sowie dem internationalen Sport in Zeiten von Kriegen und globalen Konflikten“. Das alle vier Jahre stattfindende Sportfest, an dem über 200 Länder aus aller Welt teilnehmen, findet vom 26. Juli bis zum 11. August statt, die Paralympics vom 28. August bis zum 8. September. Dabei ist der VFOS am Geschehen ganz nah dran. Die Partnerstadt Epinay-sur-Seine liegt nur elf Kilometer vom Stadtzentrum Paris entfernt, mit der Vorortbahn ist man in gut 20 Minuten in der City.

Das Interesse war auch diesmal groß, der Hieronymi-Saal wieder knackig voll. Die Schirmherrin, Bürgermeisterin Antje Runge, betonte, Demokratie sei ein Privileg und keine Selbstverständlichkeit, alle würden gebraucht, um sie aufrecht und am Leben zu erhalten. Der Verein, dem sie wie auch die Moderatorin Manuela Wehrle angehört, leiste mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Miteinander und zur Völkerverständigung.

Als Referentin hatte der VFOS Silvia Schenk gewinnen können. Sie nahm 1972 als 800-Meter-Läuferin an den Olympischen Spielen in München teil, war Athletensprecherin der deutschen Nationalmannschaft, qualifizierte sich für das Halbfinale und trug sich als Zehnte in die Siegerliste ein. Damals, vor über 50 Jahren, wurde sie dafür noch belächeltet und ihr erklärt, „800-Meter-Lauf, das ist doch nichts für Mädchen, da bekommt man dicke Waden. Damals bin ich noch gelaufen, nicht gejoggt, aber seitdem haben sich die Zeiten gründlich verändert“, sagte sie schmunzelnd. Seit Jahrzehnten engagiert sich die gelernte Juristin für Menschenrechte und sauberen Sport, kämpft gegen Doping und Korruption. Sie ist Mitglied im Human Rights Advisory Board des IOC und nahm erst kürzlich an einer Tagung des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne teil. In Frankfurt war sie von 1989 bis 2001 Stadträtin für Sport, Recht, Frauen und Wohnen.

Im anregenden Austausch mit der Moderatorin spannte sie klug und kenntnisreich einen Bogen von den „heiteren Spielen 1972 in München“, die bekanntlich in eine Katastrophe mit elf ermordeten Teilnehmern aus Israel mündeten, über viele Stationen bis hin zur die heutigen Situation kurz vor der Olympiade in Paris. Nach dem Anschlag der Hamas auf Israel und dem Krieg, der seitdem im Gaza-Streifen tobt, kamen bei ihr die Erinnerungen an den Anschlag in München wieder hoch. Damals hätten alle – ob Politik oder Polizei – die Lage nicht ernst genommen. Überhaupt habe sich die deutsche Politik mit dem politisch oft aufgeheiztem Thema Sport selten auseinandergesetzt. Ihr sei klar, die Sicherheitsfrage werde bei den Olympischen Spielen in Paris ein ganz wichtiges Thema werden. Sie fahre aber hin. Auf Nachfrage stellte sich heraus, auch aus Oberursel wollen sich einige zu dem sportlichen Großereignis auf den Weg machen. Martin Herrmann spielt beim TV Stierstadt Tischtennis. Durch Vermittlung der Stadt ist es ihm gelungen, als Volunteer (Freiwilliger) bei der Olympiade eingesetzt zu werden. Er freut sich schon auf den Einsatz.

Lebhaft und ausführlich berichtete die ehemalige Leistungssportlerin Silvia Schenk über ihre vielfältigen Aktivitäten. Mit Fotos dokumentierte sie anschaulich, die Veränderungen in der Olympischen Welt und ging bereitwillig in direktem Dialog auf Fragen ein. 2012 musste in London zum ersten Mal nach Vorgabe des IOC jedes Teilnehmerland Frauen in seiner Mannschaft haben, in Brasilien war es wegen des Gigantismus bei den Bauten der Olympischen Spielstätten zu heftigen Protesten gekommen. Viele Menschen, auch in Deutschland, wollen wegen der hohen Kosten keine Spiele im eigenen Land. Silvia Schenk stellte klar, die Organisationskosten übernimmt das IOC. Es fordere seit geraumer Zeit, keine neuen aufwendigen Spielstätten zu bauen, sondern lege den Ausrichtern nahe, auf vorhandene Sportstätten zurückzugreifen. Weg vom höher, weiter, teurer, sind in die Ziele für Paris: Völlige Geschlechtergleichheit, ein zweites Leben ephemerischer (nur kurze Zeit bestehender) Strukturen, null Abfall, kein Einwegkunststoff und Kohlenstoffneutralität. Ob sich das erreichen lässt, da ist sie skeptisch.

„In Paris sind daher viele sportliche Wettbewerbe mitten in der Stadt geplant, wie Laufwettbewerbe und Triathlon, da müssen die Sportler in die Seine“, erzählte Silvia Schenk. Sport sei immer auch politisch, aber parteipolitisch neutral. Dass Sportlern aus Russland und Belarus durch das ICO gestattet wurde, als neutrale Teilnehmer an den Start zu gehen, das wurde von einigen im Saal kritisch gesehen. Seit 1913 ist Frankreich laut Verfassung ein strikt säkularer Staat. Das führte nun dazu, dass Frankreich als Gastgeberland seiner Olympia-Mannschaft auferlegt hat, auf das Tragen von religiösen Symbolen, wie den Hijab zu verzichten. Das ist für die Menschenrechtlerin Silvia Schenk bedenklich, andere Olympische Komitees hätten diese Vorgabe nicht gemacht. Aber die Franzosen könnten manchmal eben richtig stur sein, merkte sie an.

Zum Schluss der Veranstaltung zog Manuela Wehrle zufrieden eine Bilanz: „Wir haben gelernt, das alles seine Zeit braucht, dass Sport politisch und die deutsche Sportpolitik ausbaufähig ist, dass wir unsere deutsche Brille mal absetzen müssen und viele Themen nach Epinay mitnehmen können“. Sie bedankte sich bei Silvia Schenk für den informativen, spannenden Abend. Alle Gäste spendeten begeistert Applaus.



X