Oberursel (fch). Die Taunuskerb bildet im Reigen der Kirchweihen in der Stadt das letzte Glied. Passend zur Jahreszeit war das Wetter herbstlich. Es schwankte zwischen Regen bei Umzug und Eröffnung der 20. Taunuskerb über diesiges Wetter bis zu Sonnenschein am Sonntag. Doch nicht nur das Wetter, auch der Kerbebaum verlangte den 40 aktiven Orscheler Kerbeborschen und Kerbemädels, den 30 weiteren Mitgliedern des Vereins zur Förderung des Brauchtums in Oberursel mit dem Vorsitzenden Kai Hofstetter Durchhaltevermögen, Flexibilität und Nervenstärke ab.
Frohen Mutes waren die Aktiven in den Oberurseler Stadtwald gefahren, um im vom Förster freigegebenen Areal ihren Jubiläumskerbebaum zu schlagen. Normalerweise eine Tanne. Doch den Nadelbäumen hatte das trockene Wetter im Sommer schwer zugesetzt. Nach dem Fällen sprangen sie beim Aufprall auf den Boden in Stücke. So wurde eine 16 Meter hohe Birke zum Jubiläumskerbebaum erkoren, mit bunten Bändern festlich geschmückt und im musikalisch von der Brassband des Karnevalvereins „Frohsinn“ umrahmten Umzug durch die Stadt zum Festplatz Bleiche transportiert. Dort wurden der von den Kerbemädels angefertigte Kranz und die „Schlumpel“ samt pinkem Plastikflamingo am Baum befestigt. Das von Florian Steden moderierte Aufstellen des Kerbebaumes war eine mit Hilfe von Muskelkraft, vier aus dünnen Baumstämmen bestehenden Scherenstangen und Seilen bestehende Teamleistung der Kerbeborschen und -mädels. Das Kerbepaar im Jubiläumsjahr der 2002 wieder als Zeltkerb und Volksfest auferstandenen Tau- nuskerb bildeten Sabrina Talhofer und Dominic Rau.
Nachdem der Baum stand und gesichert war, lugte die Sonne durch die Regenwolken. Für Stöffche-Nachschub sorgte die Ortsvorsteherin Oberursel-Mitte, Susanne Herz. Mit drei gezielten Schlägen trieb sie den Zapfhahn ins Äppelwoi-Fass. Danach gehörte die Aufmerksamkeit aller Pater Matthäus von der Pfarrei St Ursula. Er sprach ein Gebet, nahm erst jeweils einen kräftigen Schluck vom Kerbe-Stöffche, um dann mit dem „Rest“ aus drei Gläsern die Kerbefahne 2022 zu weihen. Lorena Zilles und Ina Kaltenbach hatten sie genäht und passend zum Kerbemotto 2022 „Orschel & Kerb“ bemalt.
An das gelungene Aufstellen des Kerbebaumes und die Fahnentaufe schloss sich ein Platzkonzert der Brassband Frohsinn Oberursel unter Leitung von Jens Stern mit Hits wie „Rock Me“ „Word Up“ und „Narcotic“ an. Danach strömten die Besucher auf den Festplatz. Dort sorgten Fahr- und Vergnügungsgeschäfte sowie ein Weindorf für Abwechslung und kulinarische Genüsse. Beim Aufbau des Festzelts von Familie Bienmüller hatten sieben Kerbeborschen kräftig mitgeholfen. Eröffnet wurde das Programm am Freitagabend von der Band „Die Äbbelquetscher”. Am Samstagabend gehörte die Festzeltbühne der Band „Bongaz”. Gut gefüllt mit 500 Losen, davon 50 Preise, war die Kerbetombola. Zu gewinnen gab es eine Hüpfburg für ein Wochenende sowie zahlreiche Gutscheine von Orscheler Geschäften und Gaststätten.
Olympische Spiele
Die Taunuskerb steht für Musik und Tanz, Geselligkeit und Trubel, Brauchtumspflege und Wettkämpfe. Der Verein zur Förderung des Brauchtums in Oberursel gestaltet das Programm der Zeltkerb, pflegt den Kontakt zu allen anderen Kerbvereinen in den Stadtteilen und Nachbarkommunen. Zu den Höhepunkten im abwechslungsreichen Programm der Taunuskerb gehören die Kerbeborschen- und Kerbemädels-Olympiade und der Giggelschmiss. Bei der Olympiade der 22. Tau- nuskerb traten im Festzelt mit den Orscheler Kerbeborschen, den Orscheler Kerbemädels und den ehemaligen Kerbeborschen drei Gastgeber-Teams gegen je ein Team aus Bommersheim,-Burgholzhausen und Dillingen an. Fünf Spiele hatten sich Sabrina Talhofer, Julia Maas und Katharina Heß vom Organisationsteam für die um den neuen Kerbeborschen Wanderpokal konkurrierenden Teams ausgedacht. Bereits die Namen wie „Quiz-Bar“, „Maulsperre“, „Getränketesten“, „Wurfspiel“ und „Schobbe an de Kopp“ signalisierten, dass es hier neben Köpfchen und Geschmackssinn vor allem auf Geschicklichkeit ankam.
So war beim Zeitspiel „Schobbe an de Kopp“ ein gefülltes Apfelweinglas auf einem Brett befestigt, das an einem Galgen an Seilen auf Hüfthöhe hing. Der richtige Schwung und eine ausgefeilte Schaukeltechnik waren nötig, damit die Teilnehmer einen Schluck aus dem Glas nehmen konnten. Beim Getränketesten mussten die aus einem „Trinker“ und einem „Schreiber“ bestehenden Duos Bananensaft, Maracujasaft, Kefir, Rotwein und Wasser schmecken. Über die Antworten der Tester staunte nicht nur Moderator Valentin Reuter. Die Disziplinen der Olympiade zeigen, dass die Kerbeborschen aus Orschel und Umgebung noch an der Verfeinerung ihres Geschmackssinns und an ihrer Treffsicherheit arbeiten müssen. So gelang es keinem Team, einen Wurfring sicher im „Geweih“ des Mitspielers zu platzieren. Das mit Spannung erwartete Ergebnis: Den fünften Platz sicherte sich das spontan zusammengestellte Team aus Dillingen. Punktgleich teilten sich den dritten Platz die Kerbeborschen aus Burgholzhausen und Bommersheim. Auch der zweite Platz wurde an zwei Teams mit gleicher Punktzahl vergeben. Es waren die Teams der Orscheler Kerbemädels und Orscheler Kerbeborschen. Den Sieg sicherten sich mit den Orscheler Altkerbeborschen die erfahrenen Wettkämpfer Alex, Ingo, Kai, Flo und Bene. Stolz nahm Ingo die Urkunde samt neuem Kerbeborschen-Wanderpokal entgegen. Die Vorgänger-Pokale hatten sich 2018 die Orscheler Kerbeborschen und 2019 die Kalbacher Kerbemädels gesichert.
Nach einer Pause trafen sich alle wieder vorm Festzelt, um mit dem Giggelschmiss den letzten offiziellen Teil der Taunuskerb einzuleiten und zu beenden. Dabei war das Zusammenspiel des Kerbepaars gefragt. Mit verbundenen Augen musste Kerbemädel Sabrina versuchen, mit einem Dreschflegel den Bembel zu zerschlagen, indem ein Gummi-Giggel Zuflucht vor den Schlägen gesucht hatte. Dirigiert wurde Sabrina von Kerbeborsch Dominic. Ihr vierter Schlag war ein Volltreffer. Der Bembel zersprang in viele Teile. Der Henkel wurde dem Kerbemädel als Trophäe überreicht. Und der Giggel hat ein Jahr Zeit, sich vom Schrecken zu erholen. Nach dem offiziellen Ende der Kerb öffneten die Stände und Fahrgeschäfte nochmals am Familientag, dem Kerbemontag, ihre Geschäfte, um jungen und erwachsenen Besuchern Spiel, Spaß und Genuss zu reduzierten Preisen zu ermöglichen.
Kritik am Festzelt äußerte eine Gruppe von Seniorinnen: „Es ist zu dunkel und kalt, es ist ungemütlich und lädt nicht zum Verweilen ein. Auch weil es lieblos eingerichtet ist. Es fehlen Blumen auf den Tischen und eine Dekoration. Gerade bei diesem regnerischen und nasskalten Wetter hätten wir uns über ein schön eingerichtetes und warmes Festzelt gefreut.“