Korrekte Weltkarte für das Zeitalter der Globalisierung

Beim „Weltspiel“ auf dem Platz vor der Hospitalkirche, dem Kulturcafé Windrose und dem Eine-Welt-Laden geht es darum, mal „den Standpunkt zu wechseln“. Dabei hilft die Bildungsreferentin Christina Schlag (l.).Foto: js

Oberursel (js). Bei Sybille Marschner ist der Zupfkuchen dank markanter Flecken zum Kuhkuchen mutiert. Sehr lecker, zum „Shopping der Sinne“ gibt’s ihn als Beilage beim Stöbern in neuen Büchern. Fein angerichtet auf einem kleinen Tisch mit auffällig rosaroter Decke, gleichfarbig die Lampions über Kopfhöhe, dazwischen neue Backbücher und Backtrends, bei denen es theoretisch um die Sinne Schmecken und Riechen geht. Sybille Marschner aus dem Team von Antonia Stock in der Buchhandlung Libra am Rathausplatz ist zufrieden mit dem Werbeeffekt der Aktion. „Es war richtig voll heute“, fasst sie am fortgeschrittenen Nachmittag zusammen, Kuchen und Literatur passen zusammen, das muss man festhalten.

Und auch der „Nähbär“ draußen vor der Tür der Buchhandlung ist zufrieden. Rund 300 Euro hat Heike Dörfer mit dem Verkauf ihrer selbstgenähten Taschen und anderem Zeug erwirtschaftet. Sie ist sozusagen eine externe Mitarbeiterin bei der inzwischen traditionellen Veranstaltung des fokus O. zum Frühlingsbeginn. Wie immer bei ihren Aktionen geht der komplette Erlös an die „Clowndoktoren“, die in der Uniklinik Frankfurt auf Visite im Bereich der Kinderklinik gehen. Das bestätigt der gut gelaunte kräftige Herr mit der roten Clownsnase neben ihr. „Ich bin Norbert, der Mann vom Nähbär“, sagt er allen, die ihn für einen Clowndoktor halten.

Weiße Lampions vor den Eingangstüren und große weiße symbolische Fußstapfen auf dem Pflaster zwischen den Geschäften markieren den Weg zu den Akteuren. Soll keiner hinterher sagen können, er hätte mangels Werbung der Protagonisten einen Cremant oder einen Sekt, ein Glas Wein oder eine kleine Nascherei beim sinnlichen Einkaufsvergnügen in den Boutiquen zwischen Altstadt und Holzweg am Samstag verpasst. Weine in Rot und Weiß gibt es schlückchenweise auch im Eine-Welt-Laden. Zur Blindverkostung von drei verschiedenen Tropfen, bei dem nur die Geschmacksnerven auf der hinteren Mittelzunge den Weg zur Rebsorte und zum Herkunftsland weisen, das der Eine-Welt-Verein durch den Verkauf im Laden beim fairen Handel unterstützen will.

Zum „Shopping der Sinne“ im vergangenen Jahr wurde der Laden im neuen Design eröffnet, jetzt zeigt Christiane Becker vom Vorstand den erhobenen Daumen. „Der Laden läuft super, auch wenn der Gewinn nicht groß ist, wir haben tolle Kunden und noch mehr neue Mitarbeiter gewonnen“, die Nachbarschaft mit dem Kulturcafé Windrose passt. Wein, Dipps und Weißbrot stimulieren die Geschmacksnerven, draußen belebt das „Weltspiel“ den Geist. Da kann man viel lernen, etwa über das vermittelte Weltverständnis durch nicht ganz korrekte Flächenprojektionen auf den meisten Weltkarten. Dafür sorgt Bildungsreferentin Christina Schlag, die das sonst bei Seminaren des Vereins im Büro über dem Laden tut. Sie lädt auch zum Schokoladen-Lernspiel auf der ausgerollten Weltkarte, die Europa und Südamerika, Afrika und Nordamerika in ihrem richtigen Flächenverhältnis zeigt. Wobei der Rohstoff aus dem riesigen globalen Süden stammt und die Wertschöpfung sich im Norden vollzieht, angeführt von den großen Börsen in London und New York.

Durchatmen also in der Hospitalkirche nebenan. Hier gibt es richtig was auf die Sinne. Wunderbare Hintergrund-Musik passend zu den dezent angestrahlten Details der skulpturalen Innenraumgestaltung für die Augen und dazu Düfte von Weihrauch und Kräutertee. Wer noch mehr für die Sinne braucht, kann sich per QR-Code einen Segen runterladen, da ist die Kirche ganz im Trend.

Endlich probeliegen

Das Bettenhaus Steinecker in der Unteren Hainstraße liegt übrigens perfekt auf dem Weg zur sinnlichen Wahrnehmung beim Einkaufen. Egal, ob am Anfang oder am Ende, Probeliegen ist von Inhaber Bernd Steinecker ausdrücklich erwünscht. Zum Relaxen und Kräftesammeln, bevor man sich auf die Tour durchs Reich der Sinne beim Einkaufen macht, zum Ausruhen am Ende der Route vielleicht, um die vielen Eindrücke beim Verschnaufen auf einer Matratze mit individuellem Liegekomfort Revue passieren zu lassen. Mit Sekt und Häppchen für die Kundschaft ist das Geschäft mit dem einladenden Slogan „Schau Mal Rein“ über der Glasfront in sein Jubiläumsjahr gestartet. Bernd Steinecker ist einer von denen, die bei jeder Aktion der Gewerbetreibenden des fokus O. dabei sind, Tisch und Stühle stehen dann immer einladend vor der Tür. Und manchmal ist auch noch ein roter Teppich ausgerollt.

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