Kronberg (hmz) – Die Sensibilisierung der Menschen für den Artenschutz und die Biodiversität macht deutliche Fortschritte. Selbst dann, wenn es immer noch Gemüter gibt, die sich über die in ihren Augen ungepflegten Flächen beschweren. Es sind nicht wenige, denen das „Gestrüpp“ von ihrer Haustüre ein Dorn im Auge ist. Die Leiterin des Umweltreferates der Stadt Kronberg, Yvonne Richter, bleibt hartnäckig, wenn es um Erklärungen über die Notwendigkeit der Biodiversität geht: „Das ist die Vielfalt des Lebens, von der genetischen Vielfalt über den Artenreichtum bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme. Alle drei Bereiche stehen in enger Wechselwirkung zueinander. Die Biodiversität ist eine Lebensgrundlage für das menschliche Wohlergehen und ihre Erhaltung ist daher bedeutsam.“ Gemeinsam mit Maria Hartmann von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON) und dem Insektenspezialisten Klaus Dürr sucht sie regelmäßig die ausgewiesenen Flächen in Kronberg auf, um den jeweiligen Zustand zu überprüfen. Das gilt für die naturnahe Gestaltung des Spielraums „Amselweg“ und der öffentlichen Grünflächen im zugehörigen Wohngebiet, die naturnahe Sanierung des Spielplatzes in der Friedensstraße, die Wiesen etwa im Victoriapark und auf Friedhöfen, den Naturgarten bei den Stadtwerken, die Flächen im Waldschwimmbad und auf der Burg, die Anlage der Wildstrauchhecke auf dem Spielplatz Triftweg und die naturnahe Gestaltung des Regenüberlaufbeckens (jetzt Marianne-und-Heinz-Haimerl-Platz) in der Altkönigstraße.
Die Bepflanzung des Platzes ist in Zusammenarbeit mit dem Verein „Freunde Heckstadts“ entstanden. Michael Vetter nahm für den Verein am Ortstermin teil. Keine Fläche wird sich ganz selbst überlassen und am Beispiel des Haimerl-Platzes in Oberhöchstadt, der den Bewohnerinnen und Bewohnern wichtig ist, erläuterte Yvonne Richter eines der Pflegekonzepte für die unterschiedlichen Bereiche (Lebensräume):
Bei der Wiese (unterer Bereich) ist die Mahd im Juni und im September/Oktober. Das Mahdgut wird anschließend von der Fläche entfernt. Das Staudenbeet in der Mitte wird mehrmals im Jahr gejätet. Vertrocknete Stängel bleiben zum Teil als Nistplätze und Überwinterungshabitate für Insekten stehen. Im Frühjahr erfolgt dann ein Rückschnitt.
Die Hecke mit dem Staudensaum bleibt im Winter stehen, die Sträucher werden nicht geschnitten. Erst im Frühjahr erfolgt der Rückschnitt. So können dort Insekten überwintern.
„Wir achten darauf, dass wir auf naturnahen städtischen Flächen unterschiedliche Lebensräume für Tiere mit möglichst heimischen Pflanzenarten gestalten, da für die Biodiversität nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die Vielfalt an Lebensräumen wichtig ist“, erläutert Yvonne Richter. Da einige Sträucher in der Hecke eingegangen seien, würden dort im Herbst wieder welche nachgepflanzt werden. „Auch im Bereich des Saums werden wir neue trockenheitstolerante Stauden ergänzen. Und wir werden einen neuen Baum pflanzen.“
Die Hecke ist vom Verein Heckstadt im Frühjahr 2019 gepflanzt worden. Die anderen Flächen wurden im Herbst 2019, ebenfalls mit Unterstützung von „Heckstadt“, angelegt. Die Planung und die Koordination der Umsetzung lag in den Händen des Umweltreferates.
In Sachen Biodiversität und Artenschutz hat die Stadt Kronberg die Nase ganz weit vorne: Blühwiesen für Wildbienen statt kurz geschorene Vielschnittrasen, Insektenbündnis und naturnahe Flächen. Dies sind nur einige Maßnahmen, mit denen Kronberg Punkte für das Label „StadtGrün naturnah“ sammeln konnte und damit die begehrte Auszeichnung erhalten hat. Wenn alles klappt, „werden wir im kommenden Jahr nachzertifiziert“. Die Voraussetzungen sind gut. „Kommunen für biologische Vielfalt“ und die Deutsche Umwelthilfe im Rahmen des Projektes „Stadtgrün – Artenreich und Vielfältig“ würdigen damit Einsatz und Fortschritte.
„Wir werden uns weiter auf den Klimawandel einstellen und entsprechend reagieren müssen“, so Klaus Dürr, der durch Vorträge, zum Beispiel beim Obst- und Gartenbauverein, immer wieder auf die Verluste verschiedener Insektenarten aufmerksam macht. Bei seinen Streifzügen durch den Taunus registriert er die Veränderungen, die er dann an die HGON meldet. Durch ein systematisches Monitoring „ist eine dauerhafte und fortlaufende Überwachung von Prozessen und Vorgängen möglich“, erklärt Maria Hartmann. Anhand der erlangten Daten könnten Schlüsse gezogen, Prozesse optimiert und Fehler frühzeitig erkannt werden. „Insekten sind die Basis für die komplette Nahrungskette und inzwischen sind fünfzig Prozent der Wildbienenarten gefährdet. Sie reagieren besonders sensibel auf Veränderungen und haben erschwerend besondere Vorlieben für ganz bestimmte Pflanzenarten als Nahrungsquelle, etwa für den blaublühenden Natternkopf.“ Insgesamt 580 Wildbienenarten gibt es und sie sind, anders als die Honigbiene, ganz besonders gefährdet. Das heißt, bei der Aussaat auf den naturnahen Flächen muss auf eine große Sortenvielfalt geachtet werden, um die kleinen fliegenden „Dienstleister“ bei Laune zu halten. Wildbienen sind Einzelgänger und das Weibchen legt maximal 15 Eier. Sie seien die Spezialisten unter den Generalisten und daher bei der Nahrungssuche sehr wählerisch.
Die Wildbienen bilden einen eigenen kleinen Kosmos, der mit seiner Bestäubungsleistung die Lebensgrundlagen der Menschen sichert und der allergrößten Respekt verdient. So gesehen kann das Gestrüpp vor der Haustüre gar nicht hoch und groß genug sein.
Sie kontrollieren regelmäßig den Insektenbestand und den Zustand der Flächen, v.l.n.r. Michael Vetter, Maria Hartmann, Yvonne Richter und Klaus Dürr Fotos: Muth-Ziebe
Im Herbst sind Nachpflanzungen in der Hecke vorgesehen.