„Man muss auch loslassen können und den Staffelstab weitergeben“

Schönberg (pu) – Nikolausmorgen 9 Uhr: Die Ankündigung von Benigna von Nathusius, die Leitung der seit 2006 unter ihren Fittichen stehenden Vortrags- und Diskussionsplattform „Schönberger Forum“ zum Jahresende abzugeben, ist Anlass, der gebürtigen Heidelbergerin einen Besuch im Pfarrbüro der evangelischen Markus-Gemeinde abzustatten und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Trotz der frühen Stunde herrscht rege Betriebsamkeit. Kaum ist die Kurzbesprechung mit dem sich wenig später auf den Weg machenden Pfarrer Dr. Jochen Kramm zu Ende gegangen, klingelt das Telefon. Da sich das umfang- und abwechslungsreiche Aufgabenfeld der langjährigen Gemeindesekretärin von A wie Ablage über Buchhalterisches und Kirchenbuchführung bis zu Z wie „Zeit zum Zuhören nehmen“ erstreckt, laufen bei ihr viele Fäden zusammen. Sowohl für ihren Arbeitgeber dem Kirchenvorstand, Pfarrer, sämtliche Gruppen der Gemeinde, angefangen vom Kindergarten bis zum Freundeskreis der Chormusik, und natürlich die Bürger ist sie Ansprechpartnerin. Häufig kann sie an sie herangetragene Anliegen direkt persönlich erledigen, sofern dies nicht möglich ist, greift die Variante, dafür zu sorgen, dass „Dinge an der richtigen Stelle landen“.

Weg von Heidelberg nach Schönberg

A propos richtige Stelle – dass ihr Lebensmittelpunkt einmal in einer Kleinstadt namens Schönberg im Taunus liegen würde, war bei ihrer Geburt alles andere als vorhersehbar. Geboren ist sie in Heidelberg, der fünftgrößten Stadt Baden-Württembergs. Dort verbrachte sie die ersten Jahre ihrer Kindheit, bevor sie in ein Internat in der bayrischen Landeshauptstadt München wechselte. Mit dem Abitur in der Tasche hieß die nächste Station Freiburg zur Ausbildung als Arzthelferin. Als 21-Jährige erschien es ihr an der Zeit für eine kräftige Luftveränderung.

„Ich wollte etwas Neues machen und ging nach Hamburg“, erzählt sie. Durch die frische Brise in der Hansestadt beschwingt, nahm das Leben deutlich an Fahrt auf. Schon bald schlenderte gemeinsam mit ihr der Mann ihres Herzens, Friedrich von Nathusius, über den Fischmarkt. Als nächstes folgten Familiengründung sowie durch die Versetzung ihres Mannes ein sechseinhalbjähriger Aufenthalt in der Weltstadt London.

Seit der weiteren beruflichen Versetzung des Bankers lebt die Familie nun inzwischen 20 Jahre in Schönberg, wo sie rasch Fuß fasste und aus dem Gemeindeleben nicht mehr wegzudenken ist. Als Benigna von Nathusius nach dem Flüggewerden der Kinder ins Berufsleben zurückstrebte und die Markus-Gemeinde dringend eine Vertretung für die damals erkrankte Sekretärin suchte, sprang sie ein und übernahm den Posten endgültig zum 1. Oktober 2005, nachdem ihre Vorgängerin in Rente gegangen war. Das für diesen Job zwingend erforderliche Rüstzeug wie Fingerspitzengefühl, Diskretion und Organisationstalent brachte die gelernte Arzthelferin nach Meinung des Kirchenvorstands zweifellos mit. „Ich bin sehr dankbar, dass ich damals diese Chance erhalten habe“, macht sie keinen Hehl daraus, wie sehr ihr diese Aufgabe ans Herz gewachsen ist.

Chancen ergriffen

Sie zählt zu den Aktivposten, die sich seit Jahren bemühen, die Markus-Gemeinde stärker im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und gerade im Bereich der Erwachsenenbildung Angebote zu schaffen, die auch Menschen ansprechen, in deren Leben Religion und Kirche weniger fest verwurzelt sind. Als 2004 unter Federführung und Initiative von Pfarrerin Anita Nowak-Neubert und Anne-Catrien Pues das Schönberger Forum von insgesamt drei bis vier Aktiven aus der Taufe gehoben wurde, war sie von Anfang an mit involviert.

Zwei Jahre später übernahm sie die alleinige Regie, zeichnete in der Folge dafür verantwortlich, ihrem „Baby“ wie sie das von der EKHN-Stiftung und der Kronberg-Stiftung unterstützte Forum liebevoll bezeichnet, beim Herauswachsen aus den Kinderschuhen zu helfen. Sowohl im Frühjahr als auch im Herbst organisiert sie je drei Veranstaltungen, stets wird „am Puls der Zeit“ ein aktuelles, gesellschaftlich relevantes Thema von einem ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet aufgegriffen und – im Anschluss an dessen Vortrag – mit den Teilnehmern diskutiert. Jeder einzelne dieser Diskussionsabende hatte, wie sich Benigna von Nathusius erinnert, „ganz besondere Momente“ ,deshalb tut sie sich schwer bei der Frage, welche Veranstaltungen ihr in nachhaltiger Erinnerung geblieben sind. „In der Gesamtheit waren sie alle toll“, resümiert sie mit strahlenden Augen, „nichtsdestotrotz sind mir persönlich die ergreifenden und aufwühlenden Berichte von Schwester Heidi, der Oberin des Frankfurter Diakonissenhauses, ebenso im Gedächtnis geblieben wie der Vortrag von Professor Louwen zum Thema Präimplantationsdiagnostik“.

Trio übernimmt

Mittlerweile sieht sie den richtigen Zeitpunkt gekommen, den Staffelstab weiterzugeben. „Man muss auch loslassen können“, begründet sie diesen Schritt, zu dem sie sich nach reiflicher Überlegung entschlossen hat.

Die Nachfolge ist geregelt, ab 2014 übernehmen mit Heidy Schonebeck, Barbara Bredereck-Luh und Klaus Mellin als Trio die Verantwortung. Natürlich steht Benigna von Nathusius bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite, dann jedoch auf alle Fälle nur noch im Hintergrund, wie sie versichert. Stets auf der Suche nach Weiterbildung und Herausforderungen hat sie vor zwei Jahren eine auf kirchliche Projekte ausgerichtete Fundraising-Ausbildung gemacht und nach jetzigem Stand der Dinge wird sie ihren Lebensmittelpunkt früher oder später nach Berlin verlagern. Doch da ihren Worten zufolge noch längst kein Umzugstermin feststeht, bleibt sie der Gemeinde noch eine Zeit lang erhalten.



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