Weiterhin Streit um „Baufeld V“ und Definition „bezahlbarer Wohnraum“

Kronberg (pu) – Wie bereits berichtet, befassen sich die zuständigen Gremien aktuell mit dem von der Koalition aus CDU, SPD und UBG eingebrachten Antrag für das Baufeld V am Bahnhof, der vorsieht, den städtebaulichen Entwurf unter Berücksichtigung der geänderten Rahmenbedingungen, sprich der Neuordnung der Gleis- und Bahnsteigsituation, zu überarbeiten und anschließend einen Realisierungswettbewerb durchzuführen. Als Basis dient die am 11. Juni 2015 beschlossene Vorlage 5230/2015.

2015 breite Mehrheit

„Dieser damalige Beschluss wurde von einer breiten Mehrheit mit 25 Ja-Stimmen bei nur einer Gegenstimme getragen“, rief der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas stellvertretend für die Antragsteller zum Einstieg in diesen Tagesordnungspunkt während der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) in Erinnerung. Doch die damit verknüpfte Hoffnung, mit dieser „fast schon besorgniserregenden Mehrheit“ im Rücken , wie es Haas kämpferisch formulierte, erledige sich „die Notwendigkeit einer weiteren Grundsatzdiskussion zu diesem Baufeld“, erfüllte sich fast schon erwartungsgemäß nicht. Die emotional geführten Debatten um diese von vielen als „Filetstück“ bezeichnete Fläche reißen nicht ab und daher nahmen auch an diesem Abend die Wortgefechte ihren Lauf.

Eckpunkte der Vorlage 5099/2017

Als Orientierungshilfe nochmals die wichtigsten Eckpunkte aus dem Antrag der Koalition: Zwecks Erhalt einer ausgeglichenen Bevölkerungsstruktur und damit einhergehend zur Sicherung für das Stadtleben wesentlicher sozialer Strukturen ist es aus Sicht der Antragsteller zwingend notwendig, Wohnraum auch für Menschen und Familien mit unteren und mittleren Einkommen zu bauen, nachdem zuletzt mit den Baugebieten Haide Süd und Henker und aktuell mit den Schillergärten Bebauungen umgesetzt wurden und werden, die sich primär an Eigentümer im mittleren und gehobenen Einkommensbereich wenden. Die Koalitionäre streben daher auf dem Baufeld V die Schaffung von 40 bis 50 Wohneinheiten an, überwiegend bezahlbarer Wohnraum, davon 40 Prozent als sozialer (geförderter) Wohnraum und 60 Prozent frei vermietbar im unteren Preissegment (Zielgröße: weniger als 10 Euro pro Quadratmeter). Es soll ein ausgewogener Wohnungsmix für Alleinstehende, Familien und Senioren in Einheiten von 50 bis 120 Quadratmetern für Ein-bis Sechs-Personen-Haushalte entstehen. Die Vorhaltung von Teilflächen im Plangebiet für ein Wohnprojekt durch eine Bauherrengemeinschaft oder andere Gemeinschaftswohnprojekte wollen CDU, SPD und UBG ebenso geprüft haben wie die Möglichkeit der Vergabe des Grundstückes im Rahmen des Erbbaurechts. Die Umsetzung des Projektes soll mit einer Baugenossenschaft erfolgen. Es ist ferner eine tiefergelegte Parkebene beziehungsweise Tiefgarage vorzusehen, die neben den erforderlichen Stellplätzen für die Wohnbebauung optional auch eine bedarfsgerechte Anzahl an öffentlichen Stellplätzen vorsieht, über deren Umsetzung nach Evaluierung der Parkplatzsituation am Bahnhof Kronberg beziehungsweise am Haltepunkt Kronberg-Süd im Laufe des weiteren Verfahrens entschieden werden soll. Für die öffentlich nutzbaren Stellplätze sind nach dem Willen des Dreierbündnisses Zuschüsse des Landes und des Rhein-Main-Verkehrsverbunds für P&R- Parkplätze auszuschöpfen. Des Weiteren soll die verkehrliche Erschließung überarbeitet werden.

Stellplätze auf Basis neuer Satzung

Unter anderen plädiert die Koalition für eine Festsetzung der Anzahl der Stellplätze auf der Basis einer neuen Stellplatzsatzung, die die optimale Anbindung des Planungsgebietes an den ÖPNV berücksichtigt sowie fußläufige Erschließung über Gehwege, Schaffung einer durchgehenden Fuß-und Radwegverbindung bis zur Oberhöchstädter Straße, Schaffung der Voraussetzungen für Car Sharing und Angebote wie E-Ladestationen für Autos und Fahrräder.

Vorgesehen ist des Weiteren eine Gewerbeeinheit als Kopfbau mit drei bis vier Einheiten Mehrgeschosswohnungsbau, keine Riegelbebauung, maximal dreigeschossig plus Dachgeschoss bei Wahrung der Proportionalität zwischen Bahnhof- und Ludwig-Sauer-Straße, gestalterische Orientierung der Architektur in Qualität und Material an Hotel und Kammermusiksaal, um eine Quartierseinheit zu schaffen, so CDU, SPD und UBG.

Zeitschiene

Im Anschluss an die Überarbeitung des städtebaulichen Entwurfs, über den die städtischen Gremien nach dem Willen der Koalition spätestens in der Sitzungsrunde vor den Sommerferien 2018 entscheiden, soll ein mit der Architektenkammer abgestimmter Realisierungswettbewerb durchgeführt werden. Im weiteren Verlauf ist vorgegeben, den Satzungsbeschluss im Jahr 2020 herbeizuführen. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung „Quartier am Bahnhof“ sind den am Wettbewerb teilnehmenden Architekturbüros zur Verfügung zu stellen und sollen – soweit diese im Kontext der übrigen Vorgaben stehen – im weiteren Verfahren Berücksichtigung finden.

Reaktionen

In Bezug auf die Zeitschiene musste Erster Stadtrat Robert Siedler (parteilos) die Erwartungen prompt ein wenig dämpfen. Seiner Aussage nach kann realistisch gesehen frühestens im Herbst 2018 über den überarbeiteten städtebaulichen Entwurf abgestimmt werden.

Die Einwände von KfB und FDP waren anderer Natur. Die Co-Fraktionvorsitzende der Wählergemeinschaft, Alexa Börner, störte sich an der „straffen 10 Euro Vorgabe pro Quadratmeter“, fehlen würden eine Höhen-Festsetzung zwei-geschossig plus Dach sowie ein Hinweis für den Erhalt des derzeitigen grünen Riegels.

Konsequenzen

Die FDP ging noch einen Schritt weiter. „Es war die Fraktion der FDP, die die Forderung auf die Tagesordnung gesetzt hat, ‚bezahlbaren Wohnraum‘ in Kronberg zu schaffen“, platzte dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Walther Kiep der Kragen. Trotz wiederholter Nachfrage sei „bis heute nicht klar, wie das Konzept hierzu aussieht und welche finanziellen Konsequenzen das für die Bürger der Stadt hat“. Bezüglich des Baufeldes V sei in der Vergangenheit die Rede davon gewesen, lediglich einen Teil des Wohngebiets für dieses Thema zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz dazu gehe der nun vorliegende Antrag offensichtlich von 100 Prozent für sozialen Wohnungsbau und „bezahlbares Wohnen“ aus. Vor einer solchen Entscheidung müssten sich, so Kiep weiter, die Stadtverordneten und auch die Bürger im Klaren sein, was das für die Finanzen der Stadt bedeutet, das heißt, man müsse gegenüberstellen, was ein freier Verkauf am Markt pro Quadratmeter der Stadt einbringt, um es mit den Konsequenzen aus der Umsetzung des Konzeptes „bezahlbares Wohnen“ und sozialer Wohnungsbau zu vergleichen. Erst dann seien die Stadtverordneten in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Baudezernent Siedler sah das anders. Er gab Kiep zwar dahingehend „grundsätzlich recht“, dass die FDP „vor Monaten ein Konzept zur Definierung von bezahlbarem Wohnraum“ angestoßen hat, gleichwohl gab er hinsichtlich einer nachhaltigen Haushaltung zu bedenken, Tafelsilber könne lediglich einmal verkauft werden, während die Kirchen seit Jahrhunderten die Vergabe von Grundstücken im Rahmen des Erbbaurechts vormachten. Eine der möglichen Stellschrauben von Kommunen kostengünstiges, langfristiges und nachhaltiges Wohnen zu gewährleisten, sei außerdem die Möglichkeit über Baugenossenschaften und Mietwohnungen.

Anträge

Ungeachtet dessen und vor dem Hintergrund weiterer ungeklärter Fragen beantragte die FDP, das Thema von der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung am heutigen Donnerstag zu nehmen. Dafür gab es ebenso keine Mehrheit wie für Anträge von Bündnis 90/Die Grünen, die den Anteil der geförderten Wohnungen auf 60 Prozent angehoben haben wollten sowie für die KfB zum Erhalt des Grünriegels, der Begrenzung der Gebäudehöhe und Streichung der Zielgröße 10 Euro pro Quadratmeter. Für den eigentlichen Hauptantrag der Koalition votierten sechs ASU-Mitglieder mit „Ja“ bei drei Gegenstimmen. Unabhängig von der grundsätzlichen Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, gab die FDP an diesem Abend ihrer Überzeugung Ausdruck, dass dieser Wohnraum in den anstehenden neuen Baugebieten verteilt werden sollte. Eine „Ghettobildung“ werde die FDP nicht befürworten.



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