Ein Sechser auf dem Eis: Der Mammolshainer Ralf Rollinger ist auf dem Weg in die deutsche Spitze

Linksschütze Ralf Rollinger im Trikot der Ravensburg Towerstars. Die 32 war nicht die Wunschnummer des Angreifers, aber sie ist zu seiner sportlichen Glückszahl geworden. Foto: Kim Enderle

Mammolshain (kw) – Als am frühen Nachmittag bei Ralf Rollinger der Anrufer der Königsteiner Woche einmal vergeblich klingelt, kommt schon wenige Minuten pflichtbewusst und mit einem „Sorry“ der Rückruf. Keine Ursache, aber so sind sie, die Rollingers – als Inhaber einer Spenglerei und Dachdeckerfirma aus Mammolshain ist der Name und das Gesicht dazu vielen Königsteinern ein Begriff.

Dieses Mal ist es aber nicht der Vater, der am Telefon ist, sondern Ralf Rollinger junior, so könnte man sagen, der 19-jährige Sohn, der in der Tradition seiner aus der Slowakei stammenden Mutter Alexandra den gleichen Vornamen wie der Vater trägt. Ralf ist eines der größten Talente im deutschen Eishockey und hat gerade mit Bravour seine erste Profisaison beim Zweitligateam Ravensburg Towerstars absolviert. Das Eis hat er heute aber mit dem Grün getauscht. „Ich war gerade mit Kumpels im Viernheimer Golfclub eine Runde spielen“, sagt er. Nächste Überraschung – das hätte man doch eher von alternden Sportstars erwartet, denen es zu Hause zu langweilig geworden ist ...? „Es spielen fast alle Eishockeyspieler Golf, es ähnelt dem Schlagschuss beim Eishockey ein wenig“, räumt Ralf Rollinger mit dem Vorurteil auf – „und man kriegt damit super den Kopf frei.“

Mal an etwas anderes als Eishockey zu denken, hat sich der junge Mann mit den dunklen Locken verdient. Denn die Saison 2023/24 war eine enorm ereignisreiche für den Stürmer: 51 Spiele hat er gemacht für Ravensburg und zwischen den Jahren auch noch bei der U-20-Weltmeisterschaft in Schweden auf großer Bühne gegen die besten Nachwuchsspieler der Welt antreten dürfen. Es war für ihn die Saison des Einstiegs in die echte Männerwelt der schnellsten – und viele sagen härtesten – Mannschaftssportart. Zehn Jahre lang hatte Ralf Rollinger in Mannheim bei den Jung­adlern, dem Nachwuchs der berühmten Adler Mannheim, alle Altersklassen durchlaufen, ist dort Deutscher Meister und Jugend-Nationalspieler geworden – und kehrt nach der Saison gerne zurück, denn die Familie besitzt hier eine Wohnung, die zweite Heimat der Rollingers. Hier hat er seinen Realschulabschluss gemacht und hier sind seine Freunde.

Neun Scorerpunkte

„Ich habe sehr viel mitgenommen, eine Saison gegen Männer durchzuspielen“, sagt Ralf Rollinger und redet von einer anderen Welt gegenüber dem Jugendbereich, die er ohne Verletzungen überstanden hat. Und: „Ich habe sehr konstant gespielt und bin als jüngster Spieler des Teams angekommen.“ Am Ende standen für den Linksschützen neun Scorer-Punkte in der Statistik (vier Tore, fünf Vorlagen), als Center führt er die dritte Sturmreihe an. Das ist selbst für große Talente in der DEL2, wo es mittlerweile durch die vereinfachten Spielberechtigungen von US-Amerikanern und Kanadiern nur so wimmelt, alles andere als selbstverständlich.

Wie schnell es für den 1,79 Meter großen Mammolshainer nach oben ging, zeigt seine Entwicklung über die Saison. In die Vorbereitung startete er, völlig normal für einen Jüngling, in der vierten Reihe. Aber TrainerGergely Majoross, früher ungarischer Nationaltrainer, erkannte schnell das Potenzial des Newcomers und steckte ihn in den Testspielen in die erste Reihe zum Amerikaner Sam Herr und Kanadier Charlie Sarauld, die Stationen in der großen NHL in Nordamerika vorweisen können. „Wenn ich schlechte Entscheidungen getroffen habe, sind sie sofort zu mir gekommen und haben mir gesagt, was ich anders machen soll. Das hat mir einen enormen Schub gegeben“, erklärt der 19-Jährige, seine Entwicklung, die ihn schließlich zum Anführer der dritten Reihe gemacht hat.

„Ich bin wie ein Sechser im Fußball, ein Arbeiter und Spielmacher. Ich liebe es, meine Mitspieler in Szene zu setzen“, vergleicht er. Dass sein Team als Titelverteidiger der Vorsaison diesmal schon im Playoff-Viertelfinale an Regensburg scheiterte, dort bei einer 3:1-Führung drei „Matchbälle“ nicht nutzen konnte und sich im entscheidenden letzten Spiel beim 3:4 in Regensburg mit drei Eigentoren quasi selbst schlug, wurmt ihn. „Ich bin ein sehr ehrgeiziger Junge, ich hasse es zu verlieren.“ Die richtige Einstellung für den Profisport hat er. Und das passende Vorbild auch: „Mein Idol ist Leon Draisaitl, zu ihm schaue ich hoch“, sagt Ralf Rollinger. Den Superstar der Edmonton Oilers, ebenfalls bei den Jungadlern gestartet und Deutschlands Sportler des Jahres 2020, durfte er bei einem Trainingscamp persönlich kennenlernen.

Beim Onkel zugeschaut

Wen sollte man auch anderes als Vorbild nennen als den Besten, wenn man wie Ralf schon seit dem Kindesalter an eine Karriere im Eishockey gedacht hat? Als kleiner Steppke stand er in der Frankfurter Eissporthalle schon auf Schlittschuhen, brauchte schnell den Pinguin als Haltehilfe nicht mehr und lernte, sich auf dem glatten Untergrund sicher zu bewegen. Das Eishockey-Fieber packte ihn, als er mit vier, fünf Jahren Peter, dem Bruder seiner ebenfalls als Basketballspielerin sehr sportlichen Mutter (unter anderem MTV Kronberg), beim HC Kosice in der ersten slowakischen Liga zuschauen durfte. Bei den Löwen Frankfurt fing er bei den Kleinstschülern an und wurde bei einem Turnier in Berlin von Andreas Metzeltin von den Adlern Mannheim entdeckt und prompt zu einem Probetraining zu den Jungadlern eingeladen. „Als diese Einladung kam, ist mir das Herz aufgegangen“, erinnert sich Ralf Rollinger. Damit war der Weg vorgezeichnet, der ihn bereits mit 14 Jahren ins Jugend-Nationalteam führte. Experten sehen ihn unter den besten vier Spieler seines Jahrgangs in Deutschland. Wohin wird ihn sein Weg führen?

Draisaitel ging in die USA ans College, wurde mit 19 Jahren im Draft der größten Talente in der ersten Runde von den Oilers „gezogen“ und startete eine Weltkarriere. Auch Ralf Rollinger stand 2022 auf der Draft-Liste der europäischen Talente und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, wurde aber nicht berücksichtigt. Schon in der Pandemie-Saison 2021/22 hatte er in Mannheim einen Lizenzspielervertrag, half als 17-Jähriger bei den „großen“ Adlern aus, siebenmal in der DEL und dreimal sogar in der Champions Hockey League. Nicht nur die Adler, auch die Löwen Frankfurt hatten im Sommer 2023 einen Blick auf ihn geworfen.

Warum hat ihn sein Weg nach Ravensburg geführt? Das Zauberwort ist „Eiszeit“, also die Einsatzzeit im Spiel. Die bekommt er bei den Towerstars, mehr als 14 Minuten stand er in der vergangenen Saison im Schnitt auf dem Spielfeld. „Ich vertraue da voll auf meinen Berater Michael Buehler. Es wird einem viel versprochen, aber am Ende sitze man auf der Bank“, argumentiert Rollinger. Daher die DEL2 und die Towerstars, wo er dank seines Fördervertrags aller Voraussicht nach auch in der kommenden Saison dem Puck und einem großen Anschlussvertrag nachjagen wird. Vielleicht ruft dann die DEL noch lauter, vielleicht wird aber auch Ravensburg seine Heimat. In der Saison 2025/26 will der Club, der schon mehrfach DEL2-Meister war, die infrastrukturellen Bedingungen geschaffen haben, um den ersehnten Aufstieg anpeilen zu können, erklärt Pressesprecher Frank Enderle. So weit will Ralf Rollinger nicht denken: „Ich konzentriere mich nur auf das nächste Jahr und versuche aufzufallen. Scouts sind immer da.“

Demnächst ist er wieder mal in Mammolshain für ein paar Tage – dann wird er wieder mit Vater Ralf auf Baustellen fahren, vermutlich ist er der einzige Dachdecker-Gehilfe mit einem Vertrag als Eishockeyprofi. Sein Motto: etwas zurückgeben, nicht nur in Form einer Sportkarriere, für deren Einsatz mit jahrelangen Fahrten zu Training und Spielen samt doppelter Haushaltsführung in Mammolshain und Mannheim. „Ich bin froh, dass mich meine Eltern von A bis Z unterstützt haben.“ Anfang Mai beginnt dann schon wieder in Mannheim seine Vorbereitung. Vormittags Crossfit-Training mit dem ehemaligen Adler-Profi Ronny Arendt, das stählt den Körper, nachmittags Muckibude mit der Mannheimer U20. Das Eistraining beginnt dann im Juni. Seinen zehnten Geburtstag hat Ralf Rollinger in seinem ersten Trainingslager mit den Jungadlern „gefeiert“ – und der 20. am 5. Juni? „Ich werde morgens trainieren, und nachmittags werde ich wahrscheinlich auch trainieren, es ist ein ganz normaler Tag“, sagt Ralf Rollinger ohne einen Hauch des Bedauerns. Das Leben eines Profis ist ein anderes als das von Gleichaltrigen. Und wenn er dann doch mal den Kopf freibekommen will, fährt er auf den Golfplatz und haut ein paar Bälle weg.

 

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