„Ich hatte ein fantastisches Burgfest“

Auch Helen Dawson, frisch zur hohen Burgfrau befördertes Ex-Burgfräulein, ist nicht mit Cyrus Lorenz einer Meinung:

Ich habe drei Burgfeste als Teil eines Hofstaats verbringen dürfen, habe einen Keller mitorganisiert und war als 15-jähriges Mädchen das erste Mal beim Burgfest betrunken. Ich denke ich kann recht gut erzählen, was das Burgfest wirklich ausmacht.

Zunächst: Ich hatte ein fantastisches Burgfest 2018. Bei wunderbarem Wetter verabschiedete ich mich als Burgfräulein Helen I. und genoss wieder ein Burgfest in zivil. Ich denke, wenn wir über das Burgfest reden, dann müssen wir auch akzeptieren, dass es zwei Burgfestwahrnehmungen gibt. Es gibt diejenigen für die das Burgfest einfach eine große Party ist, dazu zählt unter anderem Herr Lorenz. Und es gibt den Kreis, und ich bin sehr glücklich zu diesem Kreis zu gehören, für den das Burgfest tatsächlich eine Lebenseinstellung ist. Wir tun Jahr für Jahr alles dafür dieses Fest zu etwas Besonderem zu machen. Als Burgfräulein, als Kellerbetreiber, als Fußgruppen und Wagenbauer beim Umzug, als Vereine und als Organisatoren. Wenn ich dann Menschen über das Burgfest reden höre, die nur sagen, dass es so viele Betrunkene gab, dass die Gewalt zugenommen habe, dass die Keller leer seien und sich Vereine nicht mehr engagieren würden, dann bekomme ich, entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise, „das Kotzen“. Seit wann reduziert sich das Burgfest auf Freitag- und Samstagabend? Wo bleiben in dieser Art Schilderungen der Sonntag, der Umzug, das Kinderprogramm, der Dämmerschoppen oder die Inthro? Jede der Veranstaltungen, vielleicht mit Ausnahme des Sonntags auf der Burg, waren unfassbar gut besucht und sehr gelungen. Wie die Situation vor der Burg am Freitag war, das kann ich nicht beurteilen, ich war immer vor den Warteschlangen auf der Burg.

Wir müssen uns nichts vormachen, die Zahl der jungen Jugendlichen, die sich vor der Burg betrinken und auf der Burg herumtorkeln sind in den letzten Jahren gestiegen. Dies gilt aber nicht nur für Jugendliche auf der Burg, sondern überall. Kinder werden schneller erwachsen, dafür kann auch der Burgverein nichts. Man muss da auch ganz realistisch sein, nicht alle Torkelnden waren betrunken, viele tun ja doch nur so. Dass der ein oder andere beim Burgfest mal zu tief ins Glas schaut, dazu muss ich mich selbst auch zählen, ist keine Schande. Alte Freunde und Bekannte treffen sich auf der Burg, teilweise haben sie sich seit dem letzten Burgfest nicht mehr gesehen. Das ist ein Grund zum Feiern und Anstoßen! Die Sicherheitsvorkehrungen sind immens gestiegen in den letzten Jahren und ich habe durch Zufall die Schlichtung einer Schlägerei miterlebt, als am Freitagabend zwei Gruppen auf der Festwiese aufeinander zustürmten. Die IH-Security war hart, aber schnell und effizient, weil notwendig. Im Großen und Ganzen gelang es der Security, einerseits für unsere Sicherheit zu sorgen, aber gleichzeitig unser Burgfest als Heimatfest zu sehen. Dazu gehört, dass man wissen muss, was das Burgfräulein ist, dass Gewandete nicht auf die Dixiklos gehen müssen und dass diese auch nicht bei der Sperrstunde von der Burg gekehrt werden. Das alles war in diesem Jahr großartig.

Ich kann es ehrlicherweise nicht mehr hören, dieses ewige „früher war alles besser“. Jahr für Jahr geben sich viele Menschen Mühe, dass das Fest toll wird. Wenn die Rede von leeren Kellern ist und man das kritisiert, dann sollte sich jeder einmal selbst an die Nase greifen. Wie viele von Ihnen haben in den letzten Jahren einen Keller betrieben? (...) Gerade den Kontakt zu den Kellerbetreibern hätte ich allerdings anders gehandhabt, das „Lupus Alpha“ hätte ich aus Respekt an die Arbeit und Leistung der Jungs in diesem Jahr nicht weitervermietet. Einen externen Club in die Kellerräume einziehen zu lassen, ist für mich auch nicht passend. Aber mein Engagement und meine Liebe für das Burgfest schrumpft dadurch nicht.

Der Burgverein mag das Burgfest organisieren, aber die Menschen machen das Burgfest zu dem was es ist. Wenn ich ins Uptown komme und Britta und Alexander mir einen Äppler hinstellen und Berny nach meinem Liederwunsch fragt, dann ist das Burgfest. Bei den Rittern Burgfräuleinbrause zu trinken, Fleischwurst zu essen und dann später noch auf den Tischen zu „Despacito“ zu tanzen, das ist Burgfest. Zu trauern, dass das Lupus Alpha nicht mehr seinen Keller betreibt, aber die Möglichkeit zu haben mit Robi, Falco, Björn & Co in Ruhe zu quatschen, mit E.T. bei der Münze zu nageln, bei Kurti einen Flammkuchen zu essen und mit Anja Lingner und den anderen Hohen Burgfrauen auf der „Burgfräuleinlounge“ richtig abzugehen, das ist Burgfest.

Die Vorstellung, das Burgfest würde privatisiert werden ist schrecklich, weil das Burgfest dadurch genau zu dem würde, was es nicht ist. Mein Burgfest, die Lebenseinstellung Burgfest, würde durch eine Privatisierung wegfallen, denn das reduziert das Burgfest auf ein Saufgelage am Freitag- und Samstagabend. Dass der Burgverein sich Hilfe suchen könnte und den Kontakt zu den Vereinen intensivieren muss, das bleibt zu diskutieren. Egal wer das Burgfest wie unterstützen will, sollte die Möglichkeit dazu haben, allerdings zählt für mich dazu kein mittelmäßiges Bühnenprogramm, mit Gedränge an der Bühne oder betrunkenen Moderatoren, die lallend Karaoke singen. Für wen das das Burgfest ausmacht, der hat noch nicht begriffen, was das Burgfest tatsächlich ist. Für mich bleibt das Burgfest eine Lebenseinstellung und ich habe viele Ideen und viele Burgfestfreunde, die diese mit mir teilen und umsetzen wollen.



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