Kelkheim (ju) – Das alte Gemäuer in Kelkheim hat schon vieles erlebt. Über Jahrzehnte diente es der Münsterer Feuerwehr als Heimat, danach nutzte die Ukrainehilfe die leerstehende Halle, um hier Hilfsgüter für das kriegsgeplagte Land zu sammeln und auf Transporter zu verfrachten. Mit einer großen Party wurde das ehrenvolle Haus noch einmal gebührend gefeiert, im April sollen die Abrissbagger rollen, das ehemalige Feuerwehrhaus weicht einer Wohnbebauung. Und doch hatte es jetzt nochmal einen letzten, allerletzten großen Auftritt. Denn das doch eher triste Gebäude erhielt einen farblichen Anstrich – obwohl Anstrich ist das falsche Wort. Vor gut einer Woche machten sich Sprayer bei einem vom Kelkheimer Graffiti- und Streetart-Künstler „Cesar One“ organisierten Event an die Arbeit. Schon von weitem springen einem die drei großen grünen Buchstaben ins Gesicht: SNC in ganzer epischer Breite über die ehemaligen Feuerwehrtore gesprayt. Im 3D-Style prangen die Blockbuchstaben umrahmt von sehr realistisch wirkenden Figuren im Rapperstil. SNC steht für die „Sick Nasty Crew“, eine Gemeinschaft von Sprayern, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. Eigentlich steht die Abkürzung für „Smart Nice Colours“, aber wer möchte schon „clevere schöne Farben“ versprühen. Aber so Nasty (garstig), wie sich die Sprayer in ihrem Crewnamen bezeichnen, sind sie gar nicht. Gestandene Männer stehen hier mit der Spraydose vor ihren Kunstwerken. So wie „Mind21“ und „Tor“, die die letzten sind, die mit „Cesar One“ Hand anlegen. Der hatte das Event eigentlich wesentlich größer geplant, hatte nationale und internationale Sprayer eingeladen – „Leute, die ich kenne und schätze“, verrät „Cesar One“. Allerdings gab es in näherer Umgebung zwei „Gegenveranstaltungen“ in Hanau und Heidelberg, so dass die Truppe immer mehr zusammenschrumpfte. Was dem Spaß an dem Event aber keinen Abbruch tat. „Cesar One“ hatten schon ein gutes Stück Vorarbeit geleistet, sodass die anderen entspannt einsteigen konnten. „Ich habe so ein ähnliches Projekt schon mal in Flörsheim allein durchgezogen, von daher weiß ich, wie so etwas abläuft“, verrät der Künstler. Der Vorteil hier an dem Feuerwehrhaus sei, dass sie vorher nichts hätten streichen oder grundieren müssen und „es ist echt toll, auf Glas zu sprayen. Nur die drei Sperrholzwände waren etwas tricky, weil Holz doch sehr aufsaugt“, so „Cesar One“.
Etwa 10 Sprayer gestalteten nicht nur die Front des Hauses, auch die Seiten erhielten humorvolle, comicartige Bilder. Das Ganze natürlich vollkommen legal, „Cesar One“ hatte den jetzigen Besitzer des Grundstücks angefragt und der hatte sein Okay gegeben. Auch das auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkte Fahrzeug einer Kelkheimer Firma mit der Aufschrift „Graffitientfernung“ ist ein lustiger Zufall. Einer der Mitarbeiter wohnt genau neben dem Feuerwehrgebäude. Dass Kunst vergänglich ist, sei dabei mit einzukalkulieren. „Das passiert ja immer wieder, aber es tut schon etwas weh, wenn man weiß, dass in ein paar Wochen von dem Ganzen nichts mehr zu sehen ist“, verrät „Mind21“ und „Tor“ fügt an: „Da steckt viel Liebe und Arbeit drin.“ Diese wurde von Spaziergängern und Interessierten, die vorbeigekommen waren, um einen Blick auf das Kunstwerk zu werfen, sehr geschätzt. „Die Resonanz war durchweg positiv. Auch die Anwohner waren zufrieden und führten das ein oder andere Gespräch mit den Sprayern.“
Es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Mitglieder der „Sick Nasty Crew“ in Kelkheim unterwegs gewesen sind. „Cesar One“ ist sehr umtriebig, stets im Gespräch mit dem Bürgermeister und immer auf der Suche nach neuen Wänden, die ein kunstvolles Graffiti gut vertragen könnten. Davon gibt es in Kelkheim einige.
„Tor“ macht sich an die Arbeit und gestaltet den Crew-Schriftzug.Fotos: Judith Ulbricht
Tags und Figuren im Comicstyle zeugen von der Kreativität der Sprayer. Dies inspirierte auch unsere Leserin Sylvia Busch zu diesem Foto. Auch sie war beeindruckt von der Arbeit der Künstler mit der Spraydose.Foto: Sylvia Busch
SNC prangt in weithin sichtbaren Lettern an der Front des ehemaligen Feuerwehrhauses in Münster. Anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums hat sich hier die „Sick Nasty Crew“ verewigt – obwohl, die Kunst ist vergänglich, das Gebäude wird demnächst abgerissen.
