Jazziger Start des Kulturkreises ins neue Jahr

Jazz-Trompeter Jani Laakso begeisterte mit seiner Combo „Quattro J“zum Auftakt des Kulturjahres im Bürgerhaus.Foto: Kulturkreis Glashütten

Glashütten (kw) – Beim Neujahrskonzert des Kulturkreises Glashütten wurden für die Ohren mancher langjährigen Besucher ungewohnte, jazzige Töne angestimmt. Zwar hat Jazz in der kleinen Taunusgemeinde durchaus Tradition, gab es hier doch früher Jahr für Jahr einen beliebten „Jazz-Frühschoppen“ zu Pfingsten und in letzter Zeit – animiert durch die Einschränkungen der Pandemie – drei sommerliche Open-Air Jam-Sessions vor dem Bürgerhaus. Aber das neue Jahr wurde vom Kulturkreis noch nie mit Jazz begrüßt. Doch warum eigentlich nicht, hatte man sich im Dezember doch sogar an eine „Jazzy Christmas“ mit dem Lucas Kalbas-Trio gewagt ...

Bandleader stammt aus Glashütten

„Quattro J“, so der Name der noch ziemlich frischgebackenen Formation, die am 13. Januar mit Buddy Kayes und Billy Reids Jazz-Standard „I’ll close my Eyes“ den Abend eröffnete, fand vor gut zwei Jahren in Mannheim zusammen. Bandleader Jani Laakso, der in Glashütten aufwuchs und in Mannheim und Stuttgart Jazz-Trompete studierte, gab mit geschmeidigem, lässigen Spiel die für den ganzen Abend charakteristische Richtung vor.

Wie beim Jazz üblich, traten seine Mitspieler im Verlauf aus der Rolle des bloßen Begleitens mit prächtigen Soli heraus, so der ungemein flexibel spielende Pianist Justin Zitt in Duke Jordans „Glad I met Pat“, in dem Laakso seine Trompete gegen das samten klingende Flügelhorn eintauschte. Auch in „Heyoke“ vom Komponisten und Trompeter Kenny Wheeler zeigte Zitt seine zugleich weiche und virtuose Behandlung der Tasten, und der Bassist Julian Grüneberg kam mit intensiven Pizzicato-Läufen zum Zuge. Selbst der Rhythmusanker Julius Steyer am Schlagzeug glänzte solistisch im letzten Stück vor der Pause, einer eigenen Komposition Jani Laaksos mit dem Titel „Wütender Fuchs“ (finnisch „Vihainen Kettu“) – übrigens trugen noch drei weitere Kompositionen finnische Namen, ein Hinweis auf die teils finnischen Wurzeln ihres jungen Schöpfers. Damit haben wir die namengebenden vier „J“ genannt: Jani, Justin, Julian und Julius. Sie wurden nach der Pause dann auch einzeln vorgestellt und mit gebührendem Applaus bedacht.

Der Saal im Bürgerhaus bezog diesmal das Foyer mit ein, was einerseits für eine offene und etwas weniger formelle Atmosphäre, andererseits aber auch für eine recht frische Raumtemperatur sorgte – draußen lag schließlich Schnee. Trotzdem erfreute sich das Publikum am traditionellen Pausensekt und an der Gelegenheit zum Plausch mit Nachbarn und Freunden, der buchstäblich mehr Raum einnehmen konnte als sonst. Das soziale Miteinander macht schließlich den besonderen Charme dieser Kulturkreisveranstaltungen aus, auch deswegen kommen viele immer wieder gern, und das spezielle Programm dieses Abends lockte einige an, die sonst eher wenig Interesse am Kulturkreis haben.

Aus der Welt studierender Musiker

Nach der Pause wurde der musikalische Reigen mit einer „Akademischen Festouvertüre“ von Julius Steyer eröffnet, die weder akademisch-förmlich daherkam noch irgendwie an die gleichnamige Gelegenheitskomposition von Johannes Brahms erinnerte, sodass der Titel wohl eher ironisch zu verstehen ist, vielleicht als verbale Anspielung aufs Studentenleben? Auch Laaksos anschließende Eigenkompositionen reflektierten Situationen aus der Welt studierender Musiker, zum Beispiel das in dem Stück „Flatmania“ zum Ausdruck kommende Chaos in der WG oder die „blauen Wände“ („Siniset Seinät“), in denen sich die Isolation zur bedrückenden Zeit der Pandemie spiegelt. Hier wie auch im letzten Stück des Programmes, „Henya“ von Gretchen Parlato mit schönem Klaviersolo zu Beginn, bekam die gelassene Ruhe des Konzertes einen melancholischen Unterton. Dazwischen aber wurde nochmal ein Zug flottgemacht, der vor der Pause schon in Gang gekommen war: Hatte Quattro J‘s Version von „Take the A-Train“ von Billy Strayhorn Laaksos Trompete schon da die schönsten, quäkenden Dämpfertöne entlockt und die Zuhörenden swingen lassen, so wurde der Zug nun „abgewrackt“ in „Take the Trainwreck“ erneut in Bewegung versetzt – eine amüsante, verfremdende Parodie nach dem Vorbild von Duke Ellingtons und John Coltranes „Take the Coltrane“ mit virtuosen Soli für alle vier Instrumente.

Trotz der am Schluss leise ausklingenden „Henya“ war der Beifall enthusiastisch und anhaltend, und die vier jungen Künstler hatten „zufällig“ eine Zugabe mitgebracht, nämlich „Starmaker“ von Lou Marini. „Die schönste Interpretation dieses Stückes ist die von Roy Hargrove auf dem Album ,Ear Food‘“, kündigte es Jani Laakso an, aber so, wie das wieder sehr ruhige Stück an diesem Abend in Glashütten erklang, hätte es für den Moment nicht schöner sein können und war bestens geeignet, einen gut musikalisch durchgewärmt in den kalten Winterabend zu entlassen.

Fazit: Ein gelungener Auftakt für ein abwechslungsreiches Kulturkreisjahr und der Beweis, dass es in jeder Musikrichtung tollen Nachwuchs gibt und dass der Veranstalter nicht nur „Klassik“ kann. Es folgt am 15. Februar ein Vortrag über den Urknall – na bitte!



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