Schutz für „Inseln der Artenvielfalt“

Auch die alte Buche in der „Fantasie“ des Parks erhält die Kennzeichnung als „Habitatbaum“. Gartendenkmalpfleger Philipp Ludwig, Schlossgärtner Peter Vornholt, Baumsachverständige Daniela Antoni und Gärtner Mark Winzer (v. l.) freuen sich über die Initiative. Foto: jas

Von Janine Stavenow

Bad Homburg. Von der Birke im unteren Teil des Schlossparks steht nur noch der Stamm. Und auch ihre Nachbarin, die Eiche, hat schon bessere Tage gesehen. Dicke Äste sind abgesägt worden, nur der Baumtorso mit einigen Verzweigungen ist übergeblieben. In ihrem Stamm sind Höhlen, Spalten, an einigen Stellen fehlt die Rinde. „Sie sehen nicht aus wie Bäume aus dem Katalog, und doch gehören sie zum Landschaftspark dazu“, sagt Schlossgärtner Peter Vornholt. Es sind sogenannte Habitatbäume, „Inseln der Artenvielfalt“ wie Philipp Ludwig sie bezeichnet.

Ludwig ist vom Fachgebiet Gärten und Gartendenkmalpflege der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen (SG) und führt die kleine Gruppe an diesem kalten Vormittag zusammen mit Peter Vornholt, dessen Kollegen Mark Winzer und Daniela Antoni von der „Initiative Habitatbäume“ durch den Schloss-park. Mit dem Erhalt von Altbäumen und toten Bäumen als sogenannte Habitatbäume will man ein Zeichen setzen für mehr Biodiversität und Artenvielfalt. Denn Bäume sind nicht nur wichtige Sauerstofflieferanten, spenden Schatten und kühlen die Luft, sie dienen – auch, wenn sie bereits tot sind – Tieren, Pflanzen, Flechten und Pilzen als Lebensraum und Nahrungsquelle.

„Früher sind solche Bäume entfernt worden, aber unser Ziel ist es, diese Individuen so lange wie möglich auch im Tod zu erhalten“, sagt Peter Vornholt. Große stammähnliche Äste, die abgesägt wurden, werden liegengelassen. Denn: Die Holzkörper sind sehr wertvoll für Tiere und Pflanzen. „Auf den Baumveteranen wohnen nicht selten bis zu 1000 verschiedene Organismen. Die Anzahl der Baumbewohner steigt mit dem Alter, den Schäden und dem Befall des Holzes mit Pilzen. Für Lebewesen ist das sehr attraktiv“, sagt Daniela Antoni und fügt hinzu: „Die Natur mag es gerne unordentlich, daran müssen wir uns gewöhnen.“ Vor allem in alten Parks, auf Friedhöfen und auf Golfplätzen finden sich Habitatbäume, die im Zuge des Klimawandels immer mehr an Bedeutung gewinnen. „Die Bäume sind eine Symbiose aus Gartenhistorie und Naturschutz“, so Vornholt.

In Kooperation mit der „Initiative Habitatbaum“ der Baumsachverständigen Daniela Antoni machen die Staatlichen Schlösser und Gärten im Bad Homburger Schlosspark diese für die Natur wertvollen Bäume mit einer neuen Beschilderung deutlich sichtbar. Eine solche Kennzeichnung erhält auch die alte Eiche in der Eichenallee. Die UV-beständigen Schilder – zehn davon sollen an Habitatbäumen im Schlosspark angebracht werden – erklären die wichtigsten Sachverhalte kurz und knapp und animieren via QR-Code zum Weiterlesen. Sie eröffnen sowohl Kindern als auch Erwachsenen einen leichten Zugang zur Natur und fördern dadurch Akzeptanz und Bewusstsein für die Funktion der Habitatbäume.

Beschwerden über die „Unordnung“ Im Park sollen die Infotafeln nicht vorbeugen. „Sie sind rein zur Information. Wir wollen die Leute mitnehmen bei allem, was wir im Park machen“, sagt Schlossgärtner Vornholt. „Auch auf Arbeiten, die wir wegen der Klimaveränderung vornehmen müssen, machen wir aufmerksam.“ Das Verständnis der Besucher für diese Projekte sei bereits sehr groß, „das Denken verändert sich“, hat Philipp Ludwig beobachtet.

Von der Eiche geht es weiter zum nächsten Habitatbaum, einer alten Buche in der „Fantasie“. Ein Eichhörnchen klettert flink den Stamm hinauf, ein Rotkehlchen fliegt dicht an der Gruppe vorbei und nimmt in einem Busch Platz. Aus der Ferne beobachten Enten und Gänse die Gruppe um die Baumexperten. „Als wir an dieser Buche eine Klopfprobe gemacht haben, hat ein Siebenschläfer oben aus der Baumhöhle geguckt“, erzählt Vornholt. Gibt es denn auch Bewohner, die man auf den Habitatbäumen nicht haben möchte? „Es sind alle willkommen. Wenn sie sich ansiedeln, dann gehören sie auch hierher. Es gibt kein Tier und keine Pflanze, die wir nicht haben wollen“, sagt Gärtner Mark Winzer.

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