Griff in Tresor vor laufenden Kameras

Wegen Unterschlagung ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit gegen einen kaufmännischen Mitarbeiter der Francois-Blanc-Spielbank. Foto: Gerlach/Stadt Bad Homburg

Von Janine Stavenow

Bad Homburg. 99 Videokameras in den Räumen der Spielbank und zahlreiche weitere Sicherungssysteme sollten genau das verhindern, was jetzt passiert ist: 1,1 Millionen Euro sind verschwunden. Ein kaufmännischer Mitarbeiter des Casions wurde verhaftet, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Unterschlagung. Zwei seiner Kollegen stehen ebenfalls unter Verdacht. Was genau geschah, davon berichten Kurdirektor Holger Reuter und Spielbank-Geschäftsführer Lutz Schenkel bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Kaiser-Wilhelms-Bad.

Bereits im Januar, so informiert Reuter, sei man aufgeschreckt. 300 000 Euro an Devisen, die bei der Bank eingezahlt werden sollten, kamen dort nicht an. Sofort habe man Strafanzeige erstattet und sich professionelle Unterstützung geholt. Zum einen wurde eine „Top-Forensikerin“ einbezogen, zum anderen die Frankfurter Wirtschaftskanzlei DLA Piper beauftragt – bei der Pressekonferenz einen Tag nach der Sitzung des Verwaltungsrats vertreten vom Fachanwalt für Wirtschaftsstrafrecht, Dr. Christian Schoop.

Schon zu diesem Zeitpunkt habe man einen Verdacht gehabt. Um dem Schuldigen möglichst schnell auf die Schliche zu kommen, wurde eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet. „Es gab einen intensiven Austausch“, sagt Reuter. Doch die Ermittlungen waren schwierig. Nicht nur der Kreis der Verdächtigen war groß, auch habe es „mehrere Möglichkeiten gegeben, wie das Geld abhanden gekommen sein konnte“. Fest stand jedoch bald: Es war kein Betrug „durch Gäste oder an Gästen“, so Schenkel, sondern ein „Betrug von einem Mitarbeiter oder Mitarbeitern am Arbeitgeber. Der Spielbetrieb war nicht betroffen.“

Innerhalb von 48 Stunden

Im März dann die zweite Tat: Einer der verdächtigen Mitarbeiter greift in den Tresor der Spielbank, entnimmt 800 000 Euro und steckt diese, statt sie aufs Casino-Konto einzuzahlen, in die eigene Tasche. Bei seinem kriminellen Vorgehen wurde der Mann von den Überwachungskameras gefilmt und so auf frischer Tat ertappt. Die Verhaftung war die logische Folge.

Warum ein Mitarbeiter der Spielbank, der seit vier Jahren für das Unternehmen arbeitet und genau weiß, dass der Tresorraum von Kameras überwacht wird, trotz allem in den Tresor greift, um Geld zu entwenden, bleibt unklar. „Vielleicht war er im Tunnel“, mutmaßt der Kurdirektor. Da die Auswertung der Videoaufzeichnungen aufwendig gewesen sei, habe es eine Zeit gedauert, um den Mann zu identifizieren. Als jedoch die Staatsanwaltschaft informiert und die Unterlagen übergeben worden waren, sei der Zugriff innerhalb von 48 Stunden erfolgt, so Schoop. Wo das Geld abgeblieben ist, ist ebenso ungeklärt wie das Motiv des Beschuldigten. Die Spielbank habe ihre Versicherung eingeschaltet. Natürlich, so bestätigen sowohl Reuter als auch Schenkel, sei der Geldraub Anlass dafür, die Sicherheitssysteme der Francois-Blanc-Spielbank zu überprüfen. „Wir werden die Prozesse grundsätzlich überarbeiten. Aber in meinen Augen sind sie schon sehr professionell“, sagt Schenkel. „Trotz allem gibt es immer wieder Mitarbeiter, die mit viel krimineller Energie und Finesse auch Kollegen überrumpeln. Man kann in Menschen eben nicht hineinschauen.“ Diese Aussage unterstreicht Reuter: „Es geht jetzt nicht darum, hinter jedem Busch einen Räuber zu sehen. Wir müssen Vertrauen in die Mitarbeiter haben, sonst läuft so ein Unternehmen nicht.“

Während der Hauptbeschuldigte derzeit in U-Haft sitzt, sind auch die beiden weiteren Verdächtigen – alle drei Männer sind zwischen 20 und 31 Jahre alt – erst einmal nicht mehr für die Spielbank tätig. Gegen sie wird wegen einer möglichen Mittäterschaft ermittelt. Ob sie im Falle eines Freispruchs weiterbeschäftigt werden, ließ Reuter offen. „Wir spielen mit dem Schicksal von Menschen, aber auch mit dem Vertrauen unserer Gäste.“

Durchschnittlich zählt die Spielbank, eine Tochtergesellschaft der Kur- und Kongress-GmbH, 600 Gäste pro Tag. Der Bruttospielertrag lag im Jahr 2017 bei 26,8 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss betrug 1,1 Millionen Euro. Von einer erheblichen Steigerung für das Jahr 2018 spricht Reuter. Endgültige Zahlen liegen noch nicht vor. 170 Millionen Euro pro Jahr werden als „zirkulierender Umsatz“ laut Kurdirektor an den Automaten und über die Spieltische bewegt.



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