„Wir alle fühlen uns schon wohl hier“

Noch wird in der denkmalgeschützten Domäne Oberhof eifrig gebaut, doch die Tagesstätte der Evangelischen Diakonie Hochtaunus für Menschen mit seelischer Behinderung und psychischen Erkrankungen ist bereits in den weißen Gebäudeteil (r.) eingezogen: Heilerziehungspfleger Michael Schäfer (l.) und Sozialpädagoge Stefan Erb freuen sich darauf, dass bald das ganze Areal belebt sein wird. Foto: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. Durch die bodentiefen Terrassenfenster der neuen Tagesstätte fällt der Blick auf einen alten Baum, der auf dem weiträumigen Innenhof der ehemaligen Staatsdomäne Oberhof steht. Noch liegen die historischen Pflastersteine aufgestapelt herum, und an den denkmalgeschützten Gebäuden der früheren Hofreite aus dem 19. Jahrhundert mitten inOber-Erlenbach wird eifrig gewerkelt. Doch die Leiterin der Evangelischen Diakonie Hochtaunus, Stefanie Limberg, sieht die Tagesstätte für Menschen mit einer seelischen Behinderung schon mitten im bunten Leben, das sich auf dem Oberhof jetzt entwickelt.

„Wir sind nun hier angekommen und freuen uns auf gemeinsame Aktionen und die Gemeinschaft, die hier entsteht. Seit einigen Wochen betreibt die Diakonie bereits die Tagesstätte, ein Bio-Hofladen und ein Web-Atelier werden bald dazukommen.“

Die 17 Menschen zwischen 23 und 63 Jahren mit psychischen Krankheiten und Beeinträchtigungen aus Bad Homburg und dem Umland haben seit Mitte Januar hier die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Leiter der Tagesstätte, Sozialpädagoge Stefan Erb, dem Heilerziehungspfleger Michael Schäfer und einem Ergotherapeuten eine Tagesstruktur zu entwickeln, soziale Kontakte zu pflegen und Hobbies nachzugehen. Derzeit kommen sie in Kleingruppen abwechselnd. „Wir alle fühlen uns schon wohl hier“, sagt Stefan Erb und zeigt begeistert den großen hellen Aufenthaltsraum und die daran anschließende geräumige Küche. „Die Küche ist das Herzstück, hier wird gemeinsam gekocht.“ Ein weiterer Ruheraum mit Sesseln, Sofas einem Computertisch mit Internet-Zugang, eine Kreativecke mit Werkbank, ein Raum für Ergotherapie und Büros – alles barrierefrei – runden das Angebot ab. Bereits vor zehn Jahren hatte das Diakonische Werk, das zwei Tagesstätten, in der Heuchelheimer Straße und im Bad Homburger Stadtteil Kirdorf betrieb, mit seinem Beitritt zur Genossenschaft Oberhof die 132 Quadratmeter für eine neue Tagesstätte in dem Mehrgenerationenprojekt reservieren lassen. Nun wurden die zwölf Tagesplätze aus Kirdorf hierher verlegt und um weitere fünf Plätze aufgestockt.

Für die Kranken sei der neue Platz auf dem Oberhof eine großartige Möglichkeit, sich sozial wieder zu integrieren. „Oft können Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht mehr arbeiten – hier können sie an fünf Tagen in der Woche von 8 bis 15 Uhr wieder im Alltag Fuß fassen“, sagt Stefanie Limberg. Nach manchmal langen Klinikaufenthalten und durch Medikamente in ihrem Antrieb oft beeinträchtigt, fänden die Menschen in der Tagesstätte unter Mitwirkung der Sozialpädagogen, die für jeden einen individuellen Hilfeplan aufstellen, wieder Halt. „Und viele von ihnen wünschen sich nichts mehr, als wieder in Kontakt mit anderen zu kommen.“

Michael Schäfer und Stefan Erb wollen aber gemeinsam mit ihren Klienten selbst dazu beitragen, dass das Gemeinschaftsprojekt Oberhof gelingt. Sie wollen nicht nur den jungen Familien, Singles und älteren Menschen, die in die 29 Wohneinheiten auf dem Oberhof eingezogen sind oder noch einziehen, sondern auch dem gesamten Stadtteil Ober-Erlenbach etwas bieten: Ein 70 Quadratmeter großer Bio-Laden soll im Frühjahr eröffnet werden, dazu ein Atelier, in dem Menschen sich in der Kunst des Webens üben und kreativ sein können. „Wir betreten mit diesem Beschäftigungsprojekt als Diakonisches Werk Neuland, das wird spannend!“, meint Stefanie Limberg. In dem Lebensmittel-Laden für den ganzen Stadtteil sollen Bio-Lebensmittel und regionale Produkte von Landwirten aus der Umgebung Bad Homburgs verkauft werden. „Wir freuen uns schon auf den Kontakt mit den Landwirten“, so Michael Schäfer. Die Organisation übernimmt die Tagesstätte. Die Klienten werden im Laden sortieren, verkaufen, und auch eine kleine Kaffee-Theke betreiben – „jeder nach seinen Möglichkeiten und seiner Tagesverfassung“, so Stefan Erb. In Kirdorf hatte die dortige Tagesstätte vor Corona auch ein Seniorencafé angeboten, wo gespielt und geklönt wurde.

Die ehemalige Staatsdomäne Oberhof, die die Stadt Bad Homburg 2012 dem Land Hessen abgekauft und der Genossenschaft in Erbpacht überlassen hatte, könnte bald zum neuen In-Treff für Ober-Erlenbach werden: Ein Friseur hat bereits eröffnet, und in die denkmalgeschützten Gebäude werden die Stadtteilbibliothek, das Jugendzentrum Ober-Erlenbach, eine Dependance der Volkshochschule, Arztpraxis und Restaurant sowie mehrere Ateliers und ein Imker einziehen. Auch ein Gemeinschaftsgarten ist geplant, an dessen Gestaltung und Pflege sich die Tagesstätte der Diakonie gerne beteiligen wird. Der Landeswohlfahrtsverband als Kostenträger der 17 Tagesplätze für Menschen mit seelischer Behinderung und der Tagesstätte hatte den Umzug von Kirdorf nach Ober-Erlenbach unterstützt. „Das Angebot auf dem Oberhof ist ein wichtiger Schritt zur Inklusion und fördert Leben und Begegnungen im Stadtteil“, so Limbach.

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