Bad Homburg (jas). Den Anfang nahm alles im Jahr 1978, als Alexander Harth mit einigen Freunden in einem alten VW-Bus durch Marokko reiste. „Auf einem Markt traf ich das erste Mal einen Geschichtenerzähler“, erzählte Harth. „Ich verstand nichts, war aber begeistert von der Mimik und Gestik, vor allem aber vom Augenkontakt mit den Zuschauern.“ Die Begeisterung fürs Erzählen von Geschichten hatte ihn gepackt. Doch auch zwei andere Leidenschaften waren geweckt worden: die für Menschen und die fürs Fotografieren von Menschen.
Auf zahlreichen Reisen in viele Länder der Welt sammelte Harth, der 1960 in Frankfurt geboren worden war und viele Jahre als Informatiker bei IBM gearbeitet hatte, seither mit der Kamera interessante Menschen und deren Geschichten. Einige seiner Aufnahmen sind derzeit in der Englischen Kirche am Ferdinandsplatz zu sehen. Zur Vernissage seiner dritten Ausstellung in Bad Homburg hatte Harth für Freitag ins Kulturzentrum eingeladen.
Wer gekommen war, konnte nicht nur seine faszinierenden Fotos betrachten, sondern sich auch von ihm auf seine Fotoreisen mitnehmen lassen. Anschaulich, lebhaft und bestens gelaunt erzählte der Homburger seine Geschichten. „Diese Ausstellung hier in der Englischen Kirche zeigt in besonderer Weise Ihre einzigartige Bildsprache“, sagte die ehrenamtliche Stadträtin Nina Hoff-Kott, die Oberbürgermeister Alexander Hetjes vertrat, in ihren einführenden Worten an Harth gerichtet. „Sie wollen Menschen nicht nur porträtieren, Sie wollen Geschichten erzählen, Lebensmomente einfangen.“ Dass Alexander Harth das gelingt, davon konnte sich das Publikum in Anschluss überzeugen.
„Guten Tag, ich würde gerne ein Foto von Ihnen machen“ – so oder so ähnlich beginnt jede Geschichte, die Harth mit der Kamera festhält. Die Reaktionen auf diese direkte Frage seien sehr unterschiedlich, berichtete der Fotograf am Vernissage-Abend. „Es gibt wenige Menschen, die sofort ja sagen. Dann gibt es die, die sofort nein sagen und erklären, sie hätten ein dringendes Meeting oder einen unaufschiebbaren Termin. Und dann gibt es die große Mehrheit der Gefragten, die erst einmal wissen möchte, was ich denn mit den Aufnahmen mache und ob sie ins Internet kommen“, erzählte Harth. Sorgfältig überlege er vorher, wie er antworte. Dabei müsse er immer bedenken, in welchem Land er gerade sei. Denn: „Andere Länder, andere Sitten. Die Deutschen sind generell misstrauisch, die Italiener locker, die Iraner lassen sich sehr gerne fotografieren.“ Einige wenige Fotos der Ausstellung pickte sich Harth heraus, um deren Entstehungsgeschichte zu erzählen. Zum Beispiel das Schwarz-Weiß-Foto einer extravaganten Frau, die er 2015 in einer Telefonzelle ohne Tür am Londoner Trafalgar Square abgelichtet hatte. An genau derselben Stelle, in derselben Telefonzelle, hatte Harth fast zehn Jahre später einen adrett gekleideten älteren Gentleman fotografiert – und noch immer hatte die Telefonbox keine Tür. „Ein irrer Zufall. Ich bin begeistert. Zufälle im Leben sind einfach was Schönes“, so der Künstler.
Teilhaben ließ Harth seine Gäste auch an der Entstehung des Fotos „Wer macht hier die Scherze?“, das 2017 im Benin entstanden war. Die Aufnahme zeigt eine ganze Gruppe von Frauen, scherzend, lachend, ausgelassen. Das Gruppenfoto sei ihm erst verwehrt worden, berichtete Harth. Nachdem er aber die Chefin der Clique hatte überzeugen können, durfte er die Frauen dann doch aufnehmen. „Und immer wenn ich mal schlechte Laune habe, gucke ich mir dieses Foto an.“ Viel Geduld hatte auch das Foto mit dem Titel „Sanfter Rausch“ von Harth gefordert. Es zeigt einen heiligen Mann, einen indischen Sadhu, mit einem mächtigen roten Turban, der eine Marihuana-Pfeife raucht. „Ich bat ihn, den Rauch seitlich aus den Mundwinkeln zu pusten. Bei der dritten Pfeife hat es schließlich geklappt.“
Viele Motive fesseln die Blicke des Betrachters, verleiten, die Geschichten zu lesen, die zu ihnen gehören. Alexander Harth erzählt sie auf einem ausgelegten Infozettel. Die Aufnahmen zeigen eine stolze Großmutter mit Enkelkind in der Ukraine, Hindus am Ganges, Männer beim Stockkampf in Äthiopien, Tuaregs in der Sahel-Zone, einen Bauern im Iran, einen trauernden Mann in der Türkei und viele, viele Menschen mehr.
Wer sich die Fotos von Alexander Harth ansehen und die Geschichten, die dahinterstecken, hören möchte, hat noch bis zum Sonntag, 15. Dezember, in der Englischen Kirche, Ferdinandsplatz, Gelegenheit dazu. Geöffnet ist die Ausstellung eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn sowie samstags und sonntags jeweils von 11 bis 14 Uhr. Der Künstler ist an den Wochenenden anwesend. Der Eintritt ist frei.