Hochtaunus (fk). Nieselregen und frische Temperaturen sorgen im Hof der Kreisverwaltung in für unwirtliche Bedingungen. Trotzdem lässt sich Dmytro Khanis die gute Laune nicht nehmen. Kein Wunder, der Bürgermeister von Zhovti Vody (die Partnerstadt des Kreises) hat soeben aus den Händen von Landrat Ulrich Krebs die Schlüssel für einen nagelneuen Kleinbus übernommen. Auch die rund 2200 Kilometer bis in die Heimatstadt im Zentrum der Ukrainie, die noch vor Khanis lagen, konnten das Stadtoberhaupt und sein Team nicht schocken.
Der Bus im Wert von rund 56 000 Euro wurde nach den Wünschen der ukrainischen Gäste speziell konfiguriert und dient vor Ort in erster Linie zur Beförderung von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Als Sonderausstattung wurde eine ausklappbare Rampe intstalliert, um über die Hecktüren Rollstuhlfahrer aufnehmen zu können. Hinzu kommen im Inneren spezielle Griffe und Festhaltemöglichkeiten für einen sicheren Transport. Der Hochtaunuskreis hat den Wagen von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Spende erhalten. Mit dabei auf dem Rückweg in die Oblast (Verwaltungsgebiet) Dnipropetrovsk befinden sich noch fünf Notstrom-Aggregate und diverse orthopädische Hilfsmittel wie Gehhilfen.
„Die medizinische Versorgung ist in der Ukraine wesentlich zentraler organisiert als hierzulande“, berichtet der Landrat bei der Fahrzeugübergabe. Das System der bei uns möglichen Krankentransport gäbe es in dieser Form in der Ukraine nicht. Darunter sollen besonders Menschen im ländlichen Umfeld der Stadt leiden, für die die Wege zum Krankenhaus sehr weit sind. Für Bürger mit körperlicher Beeinträchtigung ein kaum zu lösendes Problem. „Deshalb bin ich froh, dass wir unserer Partnerstadt nun einen solchen Wagen zur Verfügung stellen können, um Menschen ins Krankenhaus bringen zu können“, so Krebs weiter.
Es ist nicht das erste Fahrzeug, das in Zhovti Vody zum Einsatz kommt. Bereits im März 2023 konnte der Verein „Ukrainehilfe Taunus“ in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz zwei Rettungswagen auf den Weg bringen. „Wir sind dem Hochtaunuskreis sehr dankbar für die große Hilfe und tolle Zusammenarbeit. In diesen sehr schweren Zeiten ist wichtig, solche Freunde an seiner Seite zu haben. In den letzen beiden Jahren konnte viel erreicht werden. So konnten letzten Sommer 30 Kinder aus unserer Region hier [in Oberreifenberg] einen unbeschwerten Sommer verbringen und sich von den ständigen Alarmen etwas erholen“, erzählt Khanis.
Der Bus, der jetzt über Dresden und die polnischen Städte Breslau, Kattowitz und Krakau zur Grenze bei Przemysl gebracht wird, bedeutet eine wichtige Verbesserung der Situation im medizinischen Bereich. Aktuell gibt es im Stadtgebiet ein Krankenhaus, das noch die Versorgung in allen medizinischen Fachgebieten erbringen kann. Lediglich größere Herz-Operationen sind nicht möglich.
„Die OP‘s und auch die Geburtsstationen sind 24 Stunden in Betrieb und auch mit Generatoren ausgerüstet. Durch die große Zahl an Inlands-Flüchtlingen, aktuell um die 6000 Menschen, ist die Einwohnerzahl auf knapp 50 000 Personen angewachsen. Das stellt natürlich eine besondere Herausforderung dar. Deshalb suchen wir junge Ärzte, um weiterhin eine medizinische Versorgung gewährleisten zu können. Als Verwaltung stellen wir deshalb für medizinisches Personal auch Wohnraum zur Verfügung“, so das Stadtoberhaupt.
Aktuell steht der Neu- beziehungsweise Ergänzungsbau eines Sozialzentrum ganz oben auf der Agenda. Durch die Nähe zur Front des Krieges, bis zu den Stellungen der russischen Armee sind es nur rund 250 Kilometer, gibt es in Zhovti Vody eine sehr große Anzahl von teilweise sehr jungen Kriegs-Rückkehrern, die schwer verletzt, oft Extremitäten verloren haben und fast alle stark traumatisierte sind. „In Reha-Bereich wird es deshalb sehr viel Arbeit geben und wir benötigen hohe Kapazitäten. Dank Gott sind wir von Zerstörungen im Stadtgebiet bisher weitgehend verschont geblieben. Ein Versuch, die Wasserversorgung zu zerstören, hat nicht funktioniert. Trotzdem haben wir zwei bis dreimal am Tag Luftalarm und müssen die Schutzräume aufsuchen. Das kann dann von 20 Minuten bis zu drei Stunden dauern. Trotzdem haben wir letzten September den Schulbetrieb wieder aufgenommen, was auch ganz gut klappt. Der Unterricht daheim war letztendlich keine Option“, fasst der Bürgermeister die schwierige Situation daheim zusammen.
Vor der Rückreise standen für den Lokalpolitiker diverse Termine auf dem Programm. So besuchte Khanis den Bad Homburger Ortsverband des Technischen Hilfswerkes, den Bauhof in Usingen, ein Spendenlager in Neu-Anspach und zuletzt erneut die Hochtaunus Klinik, um weitere Anregungen zur Verbesserung der lokalen Infrastruktur mitzunehmen. Schon für Ende Januar ist ein weiterer Transport von Hilfsgütern in die Partnerstadt geplant. Dann sollen unter anderem Solar-Straßenlaternen im Wert von 29 000 Euro auf den Weg geparkt werden, die ebenfalls von der GIZ gespendet wurden.