Thomas Cook wirbelt die Statistik auf

Hochtaunus (js). Ohne den Crash im Reisekonzern Thomas Cook mit zentralem Firmensitz in Oberursel wäre das Arbeitsmarktjahr 2019 wohl als „unauffällig“ eingestuft worden. So wird bei der Agentur für Arbeit (AfA) ein Jahr ohne große Schwankungen bezeichnet. Im Jahresdurchschnitt waren im Hochtaunuskreis 4060 Menschen arbeitslos gemeldet, das entspricht einem leichten Plus von 1,5 Prozent. Die Arbeitslosenquote als wichtige Leitzahl blieb indes unverändert bei 3,4 Prozent. Leichte Steigerungen in den Wintermonaten Dezember und Januar mit Anstieg der Quote um 0,2 Prozentpunkte beunruhigt die Statistiker noch nicht, saisonale Schwankungen sind üblich, die Belebung am Arbeitsmarkt findet erfahrungsgemäß im Frühjahr statt. Allenfalls die Meldung eines Rückgangs der offenen Stellen um knapp 250 zu Jahresbeginn lässt die Geschäftsführung und den Ausschuss der Selbstverwaltung aufmerksamer werden. Die „Aufnahmefähigkeit“ des Marktes sei trotz allem gegeben, so AfA-Geschäftsführer Matthias Oppel, der Wirtschaftsstandort Rhein-Main bleibe „unverändert stabil“. Sichtbar seien allerdings „erste Eintrübungen“ mit drohenden Betriebsschließungen im Hintergrund.

Thomas Cook hat die Statistik aufgewirbelt und die Statistiker wachgerüttelt. Die Zahl gekündigter Arbeitnehmer ist von einem Jahr zum anderen Jahr um knapp 1000 im gesamten Geschäftsbereich der AfA Bad Homburg auf 2686 gestiegen. Unter deren Obhut sind auch der Main-Taunus-Kreis („Unauffällig auf hohem Niveau“) und der Landkreis Groß-Gerau mit der höchsten Arbeitslosenquote (4,7 Prozent) angesiedelt. Die Zahl der Betriebsschließungen stieg von zwölf auf 17, in der Statistik tauchen 2019 am Jahresende 1848 betroffene Arbeitnehmer auf. Rund 300 davon stammen aus dem Pool des von Insolvenz betroffenen Konzerns Thomas Cook Deutschland. Ein Jahr mit „besonderen Spezifika“, resümiert Matthias Oppel. Ein Jahr mit Auswirkungen auf die Region und die Zukunft, für die es auch gute Signale gebe.

Abgesehen vom „verhalten optimistischen Ausblick“ (Oppel) angesichts der günstigen Lage im Rhein-Main-Gebiet, reflektiert der Geschäftsführer bei den guten Signalen auch auf die eigene innovative Arbeit, die bei den Betroffenen gut angekommen sei. Die Tage und Wochen nach dem „schwarzen Montag“ im November mit der Bekanntgabe der Insolvenz von Thomas Cook haben sich bei Oppel, den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses Harald Fiedler (Arbeitnehmer) und Friedrich Avenarius (Arbeitgeber) und deren jeweiligen Mitarbeitern tief und positiv eingebrannt. Der neue Weg, den die Agentur für Arbeit dabei gegangen ist, „eine Option für die Zukunft“, so lautete das Fazit auf beiden Seiten der jeweiligen Arbeitstische. Angesichts der hohen Zahl der von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer sollten nicht diese ins Arbeitsamt nach Bad Homburg kommen und dort „Schlange stehen“, so Oppel, sondern das Arbeitsamt zu ihnen an den alten Arbeitsplatz. Ein System, das vor allem deshalb funktionierte, weil das Unternehmen kooperativ war.

Die Zeit bis Weihnachten war nicht mehr lang, es sollte schnell gehen bei Thomas Cook. Noch vor den Feiertagen sollte bei den von Arbeitslosigkeit betroffenen 900 Menschen der Bescheid der Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf dem Tisch liegen. „Ich musste am Ort an die Daten kommen“, das war die Idee von Matthias Oppel.

Arbeitsamt-Dependance

Ein Online-Verfahren zur Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen musste erstellt werden, eine tragfähige IT-Schnittstelle für die Datenübermittlung programmiert und aufgebaut werden. Auf Seiten der AfA wurden dafür knapp 20 Mitarbeiter abgestellt, Büros im Zimmersmühlenweg eingerichtet, eine Arbeitsamt-Dependance aufgebaut, in der später ein kleines Team von drei bis vier Leuten eine Mini-Messe für die Vermittlung von neuen Arbeitsplätzen organisiert haben. Von den 300 Betroffenen aus dem Bereich der AfA Bad Homburg konnten bis zum jetzigen Zeitpunkt 230 in neue Jobs vermittelt werden.

Positiv bewertet die AfA auch das abgeschlossene Ausbildungsjahr im Agenturbezirk für den Hochtaunuskreis. Steigende Bewerberzahlen und stabile Berufsausbildungsstellen seien eine gute Ausgangslage für das kommende Ausbildungsjahr. Unternehmen und Betriebe im Hochtaunuskreis hatten im vergangenen Jahr 1212 Ausbildungsstellen gemeldet, nur ein paar weniger als im Jahr zuvor. Ausbildungsstellen gesucht wurden von knapp 1300 Bewerbern. Unversorgt waren zum Stichtag Ende September noch 49 Jugendliche, 18 weniger als im Jahr zuvor. Veranstaltungen wie die „Nacht der Ausbildung“ in Bad Homburg und die „Ausbildungstour Oberursel“ würden zum Interesse an Ausbildung in Betrieben und an dualen Studiengängen beitragen, lobt die Agentur für Arbeit.

Die Tage und Wochen nach dem „schwarzen Montag“ im November 2019 mit der Bekanntgabe der Insolvenz von Thomas Cook in Oberursel sind längst nicht vergessen. Foto: js



X