Platter Reifen, kaputte Bremse: Die Fahrradwerkstatt hilft

Bad Homburg (hw). „Learning by doing“ oder „Hilfe zur Selbsthilfe“: In der Gemeinschaftsunterkunft im Niederstedter Weg hat jetzt eine Fahrradwerkstatt ihren Betrieb aufgenommen. Ein aus dem Sudan stammender Bewohner macht defekte Räder gemeinsam mit ihren Besitzern wieder flott und verhilft ihnen damit zu einem Stück Mobilität, die Sozialarbeiter Johannes Pegler und Flüchtlingshelfer Michael Dillmann als Teil der Integrationsarbeit besonders wichtig ist.

In der vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Hochtaunus betriebenen Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete verfügt etwa ein Drittel der Bewohner über Fahrräder, die nicht immer im besten und häufig auch in einem nicht ganz verkehrssicheren Zustand sind, schließlich handelt es sich in der Hauptsache um gespendete, von ihren Erstbesitzern ausgemusterte Räder. Dennoch sind die Gefährte grundsätzlich geeignet, den Geflüchteten, von denen die Wenigsten über einen Führerschein oder ein Auto verfügen, zu einer gewissen selbstständigen Mobilität zu verhelfen.

„Wenn die Bewohner nicht aus der Unterkunft herauskommen, fällt ihnen über kurz oder lang die Decke auf den Kopf, Konflikte entstehen, es entwickeln sich die Parallelgesellschaften, die wir gerade verhindern wollen. Natürlich müssen die Räder intakt und verkehrssicher sein, dafür sorgen wir jetzt hier in eigener Regie“, sagt Sozialarbeiter Johannes Pegler beim Rundgang durch die kleine Fahrradwerkstatt im Erdgeschoss von Haus 3. Dort wächst zusammen, was bereits 2016 in der Gemeinschaftsunterkunft im Hessenring begonnen hat, dort aber inzwischen wegen des Verkaufs der Liegenschaften aufgegeben werden musste.

Michael Dillmann, Flüchtlingshelfer der katholischen Kirchengemeinde St. Marien, der die mit Spenden finanzierte Fahrradwerkstatt dort initiiert und vom Anfang bis zum Ende im September begleitet hat, ist froh, dass nun in der Gemeinschaftsunterkunft des DRK Hochtaunus eine Nachfolgeregelung gefunden werden konnte. Der ehrenamtliche Mitarbeiter, der die Räder im Hessenring wieder flottgemacht hat, ist zudem bereit, auch im Niederstedter Weg, wo er inzwischen auch wohnt, Mobilitätshilfe zu leisten und will Werkstattchef Mukhtar Jaber nach Kräften unterstützen. „Mukhtar, der 2019 aus dem Sudan zu uns gekommen ist, ist dafür die Idealbesetzung, er ist in der GU mit seiner Familie voll integriert und bei den allermeisten unserer Bewohner geschätzt, ebenso seine aus Eritrea stammende Ehefrau, die seit 2015 in der GU lebt, mehrere Sprachen spricht, gerne dolmetscht und Mitbewohnern in anderer Weise als jetzt ihr Ehemann, etwa bei Behördenangelegenheiten, behilflich ist“, begründet Pegler die Entscheidung, ihm die Leitung der Werkstatt zu übertragen.

Jaber sei zwar kein ausgebildeter Fahrrad-techniker, verstehe sein Handwerk aber trotzdem. Johannes Pegler betont zugleich, dass Jaber kein „Dienstleister“ im eigentlichen Sinne sei: „Er soll die Räder nach Möglichkeit gemeinsam mit ihren Besitzern reparieren, damit die später auch einmal selbst einen Schlauch flicken, eine Bremse nachstellen oder ein fehlendes Schutzblech montieren können – ‚Learning by doing‘ eben.“ „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennt Michael Dillmann die Initiative.

Die Arbeitsleistung kostet die „Kunden“ nichts, gespendete oder mit Spendengeldern finanzierte Ersatzteile werden kostenlos eingebaut, werden Ersatzteile aber zugekauft, müssen sie zum Selbstkostenpreis bezahlt werden. Die Werkstatt steht nur Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung.

Es ist durchaus im Sinne von Johannes Pegler, dass die Bewohner der Unterkunft in gewisser Weise mobilisiert werden, um ihre Lebensumstände dadurch zu verbessern, aber: „Häufig kommt es vor, dass uns defekte Räder einfach vor die Tür gestellt werden. Oft taugen die aber nur noch zum Ausschlachten. Gut erhaltene Fahrräder sind natürlich immer willkommen, allerdings sollte deren Abgabe vorher mit dem Kreisverband abgesprochen werden.“



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