Mit Gold, Weihrauch und Myrrhe im Gepäck

Weihrauch war das „Erdöl der Antike“ im Orient: Dieser Brocken des warmgolden durchscheinenden Baumharzes stammt aus dem Jahr 1991 von einem Weihrauchhändler in der jemenitischen Stadt Sanaa – seit dem 8.

Jahrhundert vor Christus handelten die Sabäer mit dem kostbaren Harz aus Dhofar, das auch dem Jesuskind im Stall von Bethlehem als Geschenk dargebracht wurde. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Als die 30 christlichen Waldenser-Familien mit ihrem Pfarrer David Jourdan als Glaubensflüchtlinge im Juli 1699 aus dem italienischen Piemont über die Alpen nach Homburg kamen, gewährte ihnen Landgraf Friedrich II. in „Dürreholzhausen“ Wohnrecht. Den Gegnern dieser Neugründung auf landgräflichem Landbesitz im Norden der Stadt soll Friedrich II. geantwortet haben: „Lieber will ich mein Silbergeräthe verkaufen, als diesen armen Leuten die Aufnahme versagen.“ Am Dreikönigstag, dem 6. Januar, hängt an der hölzernen Kanzel in der 1724 erbauten kleinen Waldenserkirche in Dornholzhausen noch der Stern, der die evangelisch-reformierte Gemeinde durch die ganze Weihnachtszeit 2021 geleitet hat. Er beleuchtet die Inschrift „Je trouve ici mon asile“. Hier finde ich meine Zuflucht.

Die bewegende Geschichte der Dornholzhäuser Waldenser und des großzügigen Landgrafen erinnert genau an das, was Inhalt der biblischen Weihnachtsgeschichte und des historisch verbürgten Ereignisses der „Anbetung der drei Weisen aus dem Morgenland“ ist: Das Kommen Gottes auf die Erde in Jesus, der mit der Familie Zuflucht im Stall findet, dieser Wechsel von „Herr und Knecht“ löst Bewegung aus – im räumlichen wie im innerlichen Sinne. Da kommt ein Gasthausbesitzer und öffnet Bedürftigen seinen Unterstand fürs Vieh; da machen sich Hirten nach Bethlehem auf; da lassen sich „Magoi“, Magier und Astrologen aus dem fernen Zweistromland, dem heutigen Irak, von einer Himmelserscheinung bewegen, deuten die Sterne und ziehen voller Vertrauen in die sich daraus ergebende Prophezeiung los: Durch die Geburt Jesu entstand ein gewaltiger Bewegungsspielraum. Oben wird Unten und Unten wird Oben. Mit dem Urbild des wandernden Menschen auf dem Weg zu einem Ziel, auf der Suche nach „asile“, Zuflucht, sind die „Weisen aus dem Morgenland“ verknüpft. Und mit dem Vertrauen in eine neue friedvolle Zukunft, die der „Friedefürst“ (Mt. 2) schenkt.

Natürlich packten die Sterndeuter, die im Jahr 7 vor Christus insgesamt dreimal in ihrer Heimat Babylonien die Annäherung der beiden größten Planeten unseres Sonnensystems, Jupiter und Saturn, im Sternbild der Fische beobachteten und diese Sternkonjunktion als gleißend hell wahrnahmen, Geschenke ein, als sie sich entschlossen, diesem äußerst seltenen Himmelszeichen zu folgen: Jupiter galt ihnen als Stern der Könige, Saturn als Stern der Juden, und das Sternbild Fische deutete auf das südliche Syrien, also das heutige Israel, hin. Dort musste ein hochbedeutsamer jüdischer König geboren sein. Sie wollten ihm huldigen mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Anfang Oktober des Jahres 7 vor Christus, so ist es heute wissenschaftlich verbürgt, machten sich die Sterndeuter auf den mehr als 1000 Kilometer langen Weg und sahen am 4. Dezember, in Jerusalem angekommen, um 20.30 Uhr Jupiter und Saturn fast deckungsgleich optisch exakt über Bethlehem stehen. Vieles an Legenden und Ausschmückungen hat sich im Laufe der Jahrhunderte über die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland und ihre Anbetung des Jesuskindes gelegt. Geschenke hatten sie auf jeden Fall im Gepäck.

Ihre Huldigungsgaben bedeuteten ihnen dreierlei: Gold stand für Herrschaft, Reichtum und Macht, Weihrauch für Frömmigkeit, Demut und Gebet und Myrrhe als Zeichen des Opfers und Leidens. Alle drei Substanzen galten damals auch als wertvolle Heilmittel. Myrrhe, ein gummiartiges Baumharz, das vorwiegend in Somalia, Südarabien und Äthiopien von dort wachsenden dornigen Balsambaumsträuchern geerntet wird, wurde in der Antike und wird heute noch als Tinktur bei Entzündungen der Mundschleimhaut eingesetzt. Neueste medizinische Erkenntnisse geben der Myrrhe eine Bedeutung bei der Reduzierung entzündungsfördernder Prozesse im Darm – bei der entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa wird ein Myrrhe-Präparat neuerdings erfolgreich verabreicht. Wegen dieses Heilungs-Potenzials wurde die Commiphora myrrha zur Arzneipflanze des Jahres 2021 gewählt. Gold helfe gegen Melancholie, Geschwüre und Mundgeruch, schrieb der persische Arzt Avicenna im 11. Jahrhundert nach Christus, auch bei Herzkrankheiten und für den Haarwuchs sei es geeignet. Obwohl Gold heute keine große Rolle mehr als Heilmittel spielt, wird es in der Homöopathie aber nach wie vor als Antidepressivum gebraucht.

Teuer, begehrt und heilig

Das kostbarste Geschenk, das die Weisen aus dem Morgenland dem Jesuskind mitbrachten, war sicher damals der Weihrauch. Er zählte im Altertum zu den begehrtesten und teuersten Aromata, wuchs der das Harz liefernde Weihrauchbaum doch neben kleineren Beständen auf der Insel Soqotra und an der vorderindischen Westküste fast ausschließlich im südarabischen Gebirgsland von Dhofar, dem heutigen Jemen. Dort, im Nordosten des Landes, liegt Ma’rib, in der Antike die Hauptstadt des Reichs der Sabäer. Seit dem 8. Jahrhundert vor Christus handelte das Volk von Saba mit Weihrauch, der als etwas Heiliges galt. Über die berühmte Weihrauchstraße, die etwa 3400 Kilometer lang war, transportierten Karawanen das warmgolden durchscheinende Baumharz, das alle Welt begehrte, übers Gebirge bis nach Jordanien und Syrien, auch in den Irak – bedroht von Überfällen, vorbei an Zwischenhändlern, die kräftig draufschlugen auf den Kaufpreis. In den Tempeln der Zielländer behielten die Priester oft ein Drittel des Preises für den Gott ein, weitere königliche Bedienstete profitierten. Zur Zeit Jesu musste man für ein Pfund besten Weihrauch den Wochenlohn eines Arbeiters als Gegenwert zahlen. Bereits 246 vor Christus soll Weihrauch im Opferkult in Rom eine bedeutende Rolle gespielt haben. Die ersten Christen lehnten Opfer und Weihrauchopfer für den römischen Kaiser ab; bis ins 5. Jahrhundert war in den christlichen Gottesdiensten der Gebrauch von Weihrauch verpönt, später fand er Eingang in die Riten, doch nur als Symbol. Noch heute wird im Jemen, in Ma’rib und Sanaa auf den Märkten, mit Weihrauch gehandelt: Die Weihrauchhändler preisen ihre Ware in Körben an, und 1991 konnte man Brocken des Harzes für wenig Geld dort erwerben. Der Großhandel läuft lange schon über andere Kanäle.

Früher zum Haus-Ausräuchern, als wundreinigendes, ätzendes und austrocknendes Mittel bei Mumifizierungen gebraucht, gilt Weihrauch heute auch bei Atemwegs- und Darmerkrankungen und bei Arthritis als wirksam. Bei der Parfümherstellung wird Weihrauch verwendet.

In der katholischen Kirche und in den Ostkirchen gilt Weihrauch im Ritus heute als Zeichen der Gegenwart Gottes und des Wehens des Heiligen Geistes, Ministranten und Priester schwenken Weihrauchgefäße. Wenn die Sternsinger des Kindermissionswerkes – in Deutschland jährlich etwa 300 000 Kinder und Jugendliche – in den Tagen um den 6. Januar, dem Dreikönigstag, verkleidet als Heilige Drei Könige von Haus zu Haus ziehen, Lieder singen und über die Türen dieses Jahr „20 * C + M + B + 22“ (lat. Christus Mansionem Benedicat – Christus segne dieses Haus) mit geweihter Kreide schreiben und dabei das Weihrauchgefäß schwenken, erinnert das an die Weisen aus dem Morgenland, die das Kind aufsuchten – aber auch daran, wie wichtig es ist, äußerlich und innerlich Heimat und Zuflucht zu finden und Vertrauen in eine friedvolle Zukunft. „Je trouve ici mon asile.“

Weitere Artikelbilder



X