Hochtaunus (how). Nachdem das Sozialministerium Ende vergangener Woche erklärt hat, dass aufgrund fehlender Kapazitäten Patienten aus dem Versorgungsgebiet Frankfurt – zu dem auch der Hochtaunuskreis gehört – für intensivmedizinische Behandlungen nach Nordhessen gebracht werden sollen, erreichen die Hochtaunus-Kliniken viele Anfragen zur Versorgungssituation im Kreis. Auch die Veröffentlichung von Zahlen zur deutschlandweiten Auslastung von Intensivbetten trage zur Information der Öffentlichkeit bei, liefere aber auch die Basis für viele Fehlinterpretationen. „Wir wollen daher einen Einblick in die aktuelle Lage und unsere Arbeit geben“, sagt Dr. Julia Hefty, Geschäftsführerin der Hochtaunus-Kliniken.
Die Hochtaunus-Kliniken arbeiten seit März nach einem internen Organisationskonzept, das die Standorte Bad Homburg, Usingen und Königstein umfasse, die jeweils eine eigene Rolle bei der Versorgung von Covid19-Patienten und der anderen Patienten während der Pandemie ausfüllten. „Wir sammeln derzeit auf allen Ebenen Erfahrungen mit dieser Situation und passen das Organisationskonzept jeweils an“, berichtet Hefty. Derzeit gebe es neun Covid19-Patienten in den Hochtaunus-Kliniken. Am 7. April seien es 20 gewesen. „Das zeigt, dass die Maßnahmen auch im Hochtaunuskreis begonnen haben, Wirkung zu zeigen. Hoffen wir, dass es so bleibt“, so die Klinikchefin. Man habe aber auch beobachtet, dass die Patienten, die in die Kliniken kämen, in der Regel sehr schwer erkrankt seien. Das zeige sich auch an dem unerwartet hohen Anteil von Patienten, die auf der Intensivstation behandelt und zum überwiegenden Teil auch lange beatmet werden müssen.
Der Druck auf die Normalstationen sei hingegen derzeit noch wesentlich geringer als das befürchtet worden war. Auch aus diesem Grund habe die Klinik entschieden, vorläufig alle Corona-Patienten ausschließlich in Bad Homburg zu behandeln. Noch wichtiger sei aber folgende Erkenntnis aus den ersten gemachten Erfahrungen: „Mit zunehmender Kenntnis über die Krankheitsverläufe der Covid19-Patienten wird die Notwendigkeit einer engen fachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit hochspezialisierter Experten für jeden einzelnen Patienten bestätigt. Wir sind in den Hochtaunus-Kliniken hierfür durch die in Bad Homburg vorhandenen medizinischen Fachgebiete optimal aufgestellt, und die Einbeziehung der Usinger Schwerpunktabteilungen ergänzt das Spektrum. Um das bestmögliche Ergebnis für jeden einzelnen Patienten zu erzielen, ist eine Bündelung der Expertise und eine organisierte interdisziplinäre Behandlung von größter Wichtigkeit“, so Hefty. Erst wenn die für die Behandlung von Covid19-Patienten vorgesehenen Stationen in Bad Homburg an ihre Kapazitätsgrenze kommen, sollen auch am Standort Usingen wieder Patienten mit bestätigter Corona-Infektion behandelt werden.
Keine Blaupause
Die Hochtaunus-Kliniken haben ihre Organisation und ihre internen Abläufe so strukturiert, dass sie schnell und effizient auf die neue Situation reagieren können und „vor die Lage kommen“, wie es in Krisensituationen heißt. Die betriebsorganisatorischen und die medizinischen Herausforderungen sind enorm, der Zeitbedarf groß. Unter Leitung der Klinikchefin Julia Hefty tritt jeden zweiten Tag der Krisenstab zusammen, dem die Chefärzte, die Pflegedirektorin, der Krankenhaushygieniker, die Betriebsärztin, die leitenden Oberärzte der Infektions- und Intensivstation und der Betriebsratsvorsitzende angehören. Neben der neuen Krankheit, die noch viele unbekannte Seiten hat, gibt es auch für den Umgang mit den veränderten Rahmenbedingungen keine Blaupause. Und die Versorgung aller anderen Patienten darf unter der Situation nicht leiden. Neben der täglichen Patientenversorgung gilt es, wissenschaftliche Studien zu lesen, sich klinische Behandlungserfahrungen und organisatorische Konzepte aus allen Ländern der Welt anzuschauen, Erfahrungen mit Fachkollegen an anderen Kliniken auszutauschen und daraus Planungen für die Arbeit zu erstellen.
Die ärztliche Behandlung der Covid-19 Patienten an den Hochtaunus-Kliniken wird geleitet von PD Dr. Stefan Heringlake, Infektiologe und Chefarzt der Medizinischen Klinik 2. Er sorgt dafür, dass die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft, Forschung und Medizin aus der ganzen Welt in die Behandlung der Patienten aus dem Hochtaunuskreis übernommen werden und stimmt die Leitlinien der Therapie auf jeden einzelnen Corona-Patienten ab. Für die Versorgung dieser Patienten stehen auf der Infektionsstation des Krankenhauses 32 Betten zur Verfügung, sollten diese nicht ausreichen, wird eine weitere Station mit 76 Betten hinzugenommen. Für Patienten, die so schwer erkrankt sind, dass sie auf der Intensivstation behandelt oder gar beatmet werden müssen, haben die Hochtaunus-Kliniken ihre Behandlungsplätze um zwölf Beatmungsbetten in Bad Homburg und Usingen erweitert. Während die Usinger Intensivbetten derzeit mit Nicht-Covid-Patienten komplett gefüllt sind, werden in Bad Homburg beide Patientengruppen – einerseits mit Corona infizierte Patienten und andererseits nichtinfizierte Notfallpatienten – räumlich strikt getrennt behandelt. Die intensivmedizinische Versorgung der Covid19-Patienten steht unter der Leitung des Chefarztes der Anästhesie und Intensivmedizin, PD Dr. Jan Mersmann. Auch mit den Chef- und Oberärzten der anderen für die Behandlung relevanten Fachabteilungen tauschen sich Heringlake und Mersmann tagtäglich zu jedem einzelnen Patienten aus. Insbesondere sind dies die Fachexperten für Pneumologie (Lunge), Nephrologie (Niere), Kardiologie (Herz) und Neurologie (Nervensystem). Bisher konnten die Hochtaunus-Kliniken bereits 34 Patienten nach überstandener Krankheit wieder nach Hause entlassen. Vier Menschen konnten nicht gerettet werden.
Um die Angehörigen der Covid-Patienten mit all ihren Sorgen nicht alleine zu lassen, aber auch, um den eigenen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, über belastende Situationen zu sprechen, haben die Hochtaunus-Kliniken ein Kriseninterventionsteam eingerichtet. Dieses besteht aus Seelsorgern, Psychologen, Sozialarbeitern, Palliativ- und Intensivärzten und Pflegekräften. Es ist täglich von 8 bis 20 Uhr erreichbar.
Auch an anderen Stellen konnten wesentliche Schritte gegangen werden. Während die Klinik in den ersten Wochen der Pandemie mit einer gefährlichen Knappheit an Schutzausrüstung und dem völligen Zusammenbruch gewohnter Lieferketten zu kämpfen hatte, habe sich die Lage mittlerweile entspannt, weil die von der Geschäftsführung in China bestellte Ware nach und nach eintreffe. „In den kommenden Tagen werden wir auch beginnen können, die PCR-Testung auf den Corona-Virus in unseren eigenen Laboren durchzuführen. Das wird nicht nur die Abläufe nochmal wesentlich verbessern, weil die Testergebnisse deutlich schneller vorliegen werden, sondern wir können auch den niedergelassenen Ärzten und anderen Einrichtungen die erweiterten Möglichkeiten anbieten.
Mehr Tests möglich
Und damit ist auch die Sorge, dass die Testkapazitäten irgendwann nicht mehr ausreichen könnten, vom Tisch“, ist Hefty zuversichtlich. Dann solle nicht nur die Testung von Patienten intensiviert werden, sondern auch die der Pflegekräfte und Ärzte, die in der Klinik arbeiten. „Das hilft uns nicht nur, Infektionsketten zu vermeiden, sondern gibt uns auch eine direkte Antwort auf die Frage, ob unsere Schutzmaßnahmen lückenlos funktionieren.“ Bisher habe sich noch kein Mitarbeiter in den Hochtaunus-Kliniken bei der Arbeit angesteckt, und auch die Sicherheit der anderen Patienten konnte bisher uneingeschränkt gewährleistet werden. Dennoch scheuen sich viele Menschen, in anderen Notfällen oder mit behandlungsbedürftigen Erkrankungen ein Krankenhaus aufzusuchen. „Das macht uns große Sorgen, wir sehen viel zu viele Menschen, die eine Erkrankung besser überstanden hätten, wenn sie nicht zu lange gezögert hätten, den Rettungsdienst zu rufen – zum Beispiel bei einem Schlaganfall“, berichtet Hefty. Auch wenn sich vieles derzeit um Corona drehe, machten alle anderen Erkrankungen natürlich keine Pause. „Unser gesamtes notfallmedizinisches Leistungsspektrum funktioniert uneingeschränkt und in gewohnter Qualität, niemand muss mit akuten Beschwerden warten, bis die Pandemie vorüber ist“, betont die Klinik.