Oberursel (ow). Eine Ära geht zu Ende: Alice Bouyer (19) und Jaquelin Kosanke (19) geben die von ihnen initiierten „Wohnzimmerkonzerte“ ab. Diese Konzertform entstand vor wenigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Jugendbüro. Achim Hasselberg, Leiter des Jugendbüros, bedauert das: „Eigentlich ist es ein bisschen traurig. Die Wohnzimmerkonzerte sind gut eingeschlagen.“ Doch die zwei jungen Frauen sind demnächst mit ihren Abiturprüfungen fertig und haben jeweils vor, im Anschluss ins Ausland zu gehen.
Gemeinsam erinnern sie sich an die Anfänge der Konzertreihe. „Wir saßen hier eines Mon-tagnachmittags zusammen“, bei einem Treffen der Jugendforumsgruppe. „Und ich sage das zwar nicht gern, aber ich hatte die Idee“, lacht Kosanke. Dass es so selbstständig und so groß wird, habe allerdings keiner kommen sehen.
Der Gedanke im Hintergrund war, dass das damalige musikalische Angebot für Jugendliche lückenhaft erschien. „Mit den Wohnzimmerkonzerten wollten wir einen intimen Kreis schaffen.“ Einen Rahmen, in dem junge Musiker die Möglichkeit haben aufzutreten, ohne direkt auf einer großen Bühne stehen zu müssen. Bei den Wohnzimmerkonzerten dürfe sich jeder ausprobieren. „Es muss nicht perfekt sein“, sagt Kosanke. „Für das Erste war viel Vorbereitung nötig“, erinnert sich Bouyer. „Für das erste Mal waren auch einige da.“ „Ja, es war wirklich gut besucht“, stimmen Kosanke und Hasselberg zu. Generell sind 30 bis 50 Zuhörer bei den Konzerten anwesend.
Da man sich unter Freunden sowohl freier als auch sicherer fühle, bekomme jeder Musiker drei Karten für sein Umfeld. „Unsere Gruppe wächst daher weiter“, erklärt Kosanke. „Wir hatten hier schon fast alles. Es gibt nur eine Regel, alles muss akustisch sein.“ Das ermöglicht Musikern der verschiedensten Genres, an den Konzerten teilzunehmen. „Wir hatten schon ein Schubert-Trio, und danach kommt der Rapper“, berichtet Hasselberg amüsiert. Es sei eine positive Erfahrung, erzählt Bouyer. Die Leute seien alle happy und kämen gerne alle wieder.
Das Besondere an den Abenden sei das „Sing Along“. Alle Beteiligten singen gemeinsam mit dem Publikum vorab ausgewählte Lieder wie „Wander Wall“ oder „Sweet Dreams“. „Das Coole ist, dass Musiker, die wir einladen, spontan einspringen“, schwärmt Bouyer. Kosanke ergänzt: „Es macht Spaß. Das ist der Moment des Abends.“ Durch die Musik-Affinität aller Anwesenden sei sogar das „Sing Along“ ein Genuss. „Das Niveau ist unfassbar hoch“, staunt Hasselberg augenscheinlich weiterhin.
Dennoch geht es bei den Wohnzimmerkonzerten locker und freundlich zu. „Wenn man einen Fehler gemacht hat, ist es kein Problem, neu anzufangen“, so Kosanke. Alle seien freundlich und respektvoll. Und „ohne unsere wundervollen Helfer wäre das alles gar nicht möglich. Wir bezeichnen es immer als Familie“, meint Kosanke. „Den anderen geht es auch so, die da reingewachsen sind“, ergänzt Hasselberg.
Wie Bouyer und Kosanke. Ursprünglich kamen beide über das Theater zum Jugendbüro. Zum Casting, das beide vor einigen Jahren besuchten, druckst Kosanke herum: „Eigentlich hatte ich Alice nicht eingeplant. Sie war meine zweite Wahl.“ Sie lacht. Heute ist von „zweiter Wahl“ nichts mehr zu spüren. Die beiden Freundinnen sind offensichtlich froh und dankbar, wie sich alles entwickelt hat. „Wir treten auch selbst auf“, erzählt Kosanke. „Wir singen meistens. Ich bin bei jedem Konzert aufgetreten. Das hatte ich mir fest vorgenommen und auch geschafft. Es ist toll, wie Leute sich entwickeln.“ Bouyer: „ Ich habe ab dem ersten Wohnzimmerkonzert moderiert. Das hat uns Türen geöffnet.“ Beide Moderatorinnen wurden für verschiedene Veranstaltungen gebucht. So etwa für den Landesentscheid vom „Local Hero Bandcontest“. „Ich glaube, wir konnten auch Leuten helfen“, so Bouyer. Bei insgesamt 161 Musikern, die bei den Wohnzimmerkonzerten aufgetreten sind, ist davon auszugehen. Für die zwei Abiturientinnen waren diese Erfahrungen zumindest richtungsweisend. „Ich habe erkannt, mein Leben dreht sich mehr oder weniger um die Bühne“. Deshalb geht Bouyer nach Frankreich an eine Schauspielschule. Kosanke, die es für ein gutes Jahr in die USA zieht, will hingegen Journalistin werden. Seitdem sie moderiert, ist sie sich sicher, dass der Berufsweg mit Sprache verbunden sein muss. Hasselberg: „Das zeigt, wie wichtig Angebote für Jugendliche sind.“
Umso schöner, dass für Nachwuchs gesorgt ist. „Wir sehen zu, dass wir das beim letzten Konzert in vertrauensvolle Hände geben“, erklärt Kosanke. Bouyer ergänzt: „Da würde uns das Herz schwer werden, wenn es nicht weitergeführt wird.“
Abschied am 21. Juni fällt schwer
Dieses letzte Konzert der beiden findet am Freitag, 21. Juni, um 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr) in der Musikhalle Portstraße, Hohemarkstraße 18, statt. Und es ist komplett offen gehalten, auch Erwachsene sind auf der Bühne und beim Publikum willkommen. „Selbst meine Oma könnte auftreten, wenn sie wollte“, kichert Kosanke. Ob sie das will, bleibt fraglich. Sicher ist jedoch, dass den beiden jungen Frauen der Abschied schwer fällt. „Ich war beim letzten Wohnzimmerkonzert schon sehr melancholisch. Das letzte ist drei Tage vor meiner Abreise…“, erzählt Kosanke. Hoffentlich wird es so unvergesslich, wie es der bisherige Weg verspricht.