Ofenfrische Gans und auch ein wenig St. Martin

St. Martin ist mit seinem roten Mantel, Helm und Brezelkorb ganz traditionell auf dem Martinsmarkt auf dem Rathausplatz unterwegs und beschenkt die Kinder.Fotos: js

Oberursel (js). Mittelalterliches Flair, punktuell gesetzt in der Innenstadt, macht es möglich. In der City herrscht Leben, am Samstag bis in den dunklen Herbstabend, bis die kleine Feuershow auf dem Marktplatz als Höhepunkt für glühende Augen bei Klein und Groß sorgt. Am verkaufsoffenen Sonntag geschäftiges Leben auch in einigen Läden, bis die Dunkelheit im Städtchen aufzieht. Der beliebte „Historische Martinsmarkt“ lockt auswärtiges, gar internationales Publikum ins Herz der Stadt. Die Geschäftswelt im Zentrum und die Marktbeschicker sind mit der Resonanz zufrieden.

Mittelalter geht immer, das bewahrheitete sich einmal mehr, als Martinstag und der „Historische Martinsmarkt“ am Samstag zusammenfielen. Das Forum der Selbständigen „fokus O.“ als Veranstalter verfolgt die mittelalterliche Linie bewusst, an zwei Tagen im November sind die Plätze und die Räume dazwischen gut gefüllt, die sonst am Wochenende oft leer sind. Schnell können die genussfreudigen Flaneure die kaum verflogene Duftmarke vom „Herbsttreiben“ wieder aufnehmen und sich (je nach Blickwinkel natürlich) verfeinern lassen und sich bei „Gans oder gar nicht“ mit Glühwein im Hof des Ratskellers neben dem Vortaunusmuseum schon mal auf den Weihnachtsmarkt einstimmen. An Möglichkeiten, dem Gaumen Genuss zuzuführen, mangelte es wahrlich nicht. Auge und Ohr werden beim Markt ohnehin angeregt, am 11.11. um 11.11 Uhr kam die Eröffnung der närrischen Jahreszeit am benachbarten Eselsbrunnen noch als Zwischenspiel dazu.

Mittelalter geht immer, auch wenn es eine noch so dunkle Zeitspanne in der kurzen Geschichte der Menschheit war. Wenn es Met gibt und deftige Fleischspieße, Fladenbrot und „Orientalische Linsensuppe mit aphrodisierenden Gewürzen“, dann ist eigentlich alles Essbare mit mittelalterlichem Anstrich heiß begehrt und der Mensch auf Zeitreise, der hier an der ein oder anderen Bude seine Schuld mit Talern bezahlt, steht auch gerne mal in der Warteschlange.

Wenn Waren „feilgeboten“ werden von Menschen im Outfit der frühen dunklen Jahre des Mittelalters, wenn „Spielleute“ mit altertümlichen und skurrilen Instrumenten und „Gaukler“ sich das „Handgeklapper“ des Straßenvolkes redlich verdienen und Kinder beim „Wappenherold“ nackte Holzschwerter vom Band mit bunten Farben bemalen dürfen. „Herr Almring vom Semmichbache“ ist extra aus Thüringen angereist, um auf seinem Dudelsack mit australischem Büffelhorn und zwei Kollegen für den Sound ohne Verstärker zu sorgen, bei dem sich stets schnell Zuhörergruppen zusammenrotten. Mal auf dem Rathausplatz, mal auf dem schrägen Marktplatz, „Viesematente“ nennt sich das Trio, ein Markenname unter den „Followern“ von Mittelalterfesten.

Sankt Martin selbst, der eigentliche Patron des Marktes, geht ein bisschen unter im Getümmel, in dem das „Schmausen“ und Feilschen an den vielen Ständen mit Kunsthandwerk und mittelalterlicher Basisausstattung und andere Belustigung dann doch eher im Mittelpunkt steht.

Aber das war in früheren Zeiten wohl auch nicht anders. Dass viele Kinder keine Martinslieder mehr kennen, macht eine Gemeindemitarbeiterin von St. Ursula und Mutter schon ein wenig traurig. Auch die fehlenden Umzüge mit den schönen Laternen durch die Stadt, „ist alles zu kompliziert geworden mit notwendigen Straßenabsperrungen“. Die katholische Gemeinde St. Ursula hat den Helden und späteren Heiligen mitgebracht. Um ihn kindgerecht im schlichten „Martinszelt“ auf dem Rathausplatz ein bisschen aus seinem Leben erzählen zu lassen. Vom legendären Ritt des jungen „Martinus“ als Soldat in römischen Diensten nach Amiens durch Schnee und Wind, von der Begegnung mit dem armen frierenden Mann und der Mantelteilung durch einen beherzten Schnitt mit des Soldaten Schwert, der ihn zum Helden und späteren „Heiligen“ machte.

Auch von den Gänsen, die ihn durch ihr Geplapper verrieten, als er ich versteckt gehalten hatte vor seinen Verfolgern. Später mischt er sich im roten Mantel und mit Helm auf dem Kopf unter die Menschen und verteilt Brezeln vor allem an Kinder, die sie gerne annehmen. Und als die ersten Martini-Gänse bereits ofenfrisch verschmaust sind, kommt zumindest vor der Liebfrauenkirche nicht weit entfernt vom Marktgeschehen ein wenig Sankt-Martin-Flair auf. Beim kurzen Zug der Laternenkinder zum Martinsfeuer auf dem Vorplatz.

Weitere Artikelbilder



X