An der Grenze entlang durch den Wald

Förster Luis Kriszeleit (links) berichtet über die dramatischen finanziellen Schäden, versucht durch den Borkenkäfer. Foto: bg

Oberursel (bg). Alle Jahre wieder lädt der Beirat Bommersheim zwischen den Jahren zu seiner traditionellen Grenzwanderung ein. Diesmal machten sich die Grenzwanderer auf den Weg in den Bommersheimer Wald.

Viele Orschler wissen es gar nicht, aber das Dorf Bommersheim brachte in seine Ehe mit der Stadt Oberursel ein großes Waldgebiet als Mitgift ein. Gut 750 Hektar umfasst der Oberurseler Stadtwald, davon sind gut 150 Hektar ehemaliger Waldbesitz von Bommersheim. In früheren Zeiten wurde der Wald als reines Wirtschaftsgut betrachtet, der Brenn- und Bauholz lieferte und seinem Besitzer gute Einnahmen bescherte.

Heute ist er für viele Menschen aus dem gesamten Rhein-Main-Raum wichtiges Naherholungsgebiet. Viele Wanderwege ziehen sich durch den gesamten Stadtwald, auch Extremsportler wie Mountainbiker frönen rund um den Feldberg gerne ihrem Hobby. Dafür wurde ein offizieller Trail angelegt. Daneben gibt es zum Kummer des Försters und des Jagdpächters Norbert Krammich immer wieder schwarze Schafe, die verbotenerweise mitten durch das Dickicht sich selbst Trails bauen. Aber auch manche Wanderer halten sich nicht an die offiziellen Wege und begeben sich dabei in Gefahr – von der Störung für das Wild ganz abgesehen.

Nach dem Hitzerekord und der großen Trockenheit im Sommer weiß es jeder: Der Wald ist durch das Wüten des Borkenkäfers in Gefahr. Im Oberurseler Stadtwald sind durch die notwendigen flächendeckenden Abholzungen große Lichtungen entstanden. Jetzt wollten sich die Grenzwanderer vor Ort ein Bild von den Schäden im Bommersheimer Forst machen.

Auf den Spuren des Borkenkäfers

Die Wanderer trafen sich am Taunus-Informationszentrum und wurden von Winfried Schmidt, dem Vorsitzenden des Beirats Bommersheim, begrüßt. Förster Luis Kriszeleit, der die Führung auf den Spuren des Borkenkäfers übernahm, hatte eine alte Karte aus dem Jahr 1853 aufgespürt und davon eine Kopie mitgebracht. Darüber beugten sich jetzt die Wanderer, darunter auch BSO-Leiter Michael Mag. „Unser Ziel ist das Waldgebiet Nummer 36“, erläuterte der Förster. Es ist mit Abstand das größte des Bommersheimer Waldes, umfasst 25 Hektar und erreicht an der „Schönen Aussicht“ den höchsten Punkt mit 580 Höhenmetern. Von dort zieht sich das Gebiet bis hinunter zur Hünerbergwiese.

Durch die Birkenallee setzte sich die Gruppe in Bewegung und bog am Hochbehälter nach links in Richtung Emminghaushütte ab. Einen ersten Stopp gab es an Baumstämmen, die in unterschiedlichen Stapeln aufgeschichtet am Weg lagen, bereit für den Abtransport. „Wenn es gelingt, die Stämme zu vermarkten, erhalten wir – wenn wir Glück haben – noch 35 Euro für den Festmeter“, erläuterte der Forstmann. Sie liegen containergerecht auf 11,40 Meter geschnitten und werden per Lkw an den Main transportiert. Weiter geht es auf dem Rhein in Containern, die eine Länge von 12 Metern haben. Dann treten sie auf dem Seeweg die Reise nach China an.

Die schnell wachsende Fichte war jahrzehntelang der „Brotbaum“ in der Forstwirtschaft, dessen Vermarktung viel Geld einbrachte. Noch vor einigen Jahren gab es 100 Euro für den Festmeter. „Bei dünnen Stämmen, die wir nur als billiges Industrieholz verkauften können, verdienen wir kaum noch etwas. Mit Müh und Not bleiben am Ende, wenn wir die Fäll- und Lagerkosten abziehen vielleicht 50 Cent pro Festmeter übrig. Insgesamt mussten wir in diesem Jahr schon 15 000 Festmeter einschlagen, die Lage ist wirklich dramatisch“ beklagte sich Kriszeleit.

Außer der logistischen Herausforderung, den Einsatz der Harvester, die in allen Waldgebieten händeringend gebraucht werden, zu takten, und das geschlagene Holz zu vermarkten, zählt obendrein die Wegesicherung im gesamten Waldgebiet zu den wichtigsten Aufgaben der Forstleute. Ausgerechnet in dieser Ausnahmesituation hat jetzt der Kollege von Luis Kriszeleit den Dienst in Oberursel quittiert und zieht nach Nordhessen um. „Wir geben uns alle Mühe, jemanden zu finden“, sagte Maag, „aber der Arbeitsmarkt für Forstwirte ist leergefegt und Nachwuchs kaum in Sicht“. Das Interesse an dem Beruf ist nicht allzu groß, das musste er bei dem Besuch von Ausbildungsmessen feststellen, oft schrecke auch die niedrige Entlohnung Interessenten ab.

Harvester im Einsatz

Nach einem tüchtigen Höhenmarsch vorbei an der Emminghaushütte war das Gebiet Nummer 36 mit dem ehemals großen Fichtenbestand erreicht. Ziemlich betroffen blickte die Wandergruppe auf die große Lichtung, alles ratzekahl leer. Der schwere Harvester hatte ganze Arbeit geleistet. Gut zwei Wochen war er auf dieser Fläche Tag und Nacht im Einsatz. Für das Fällen einer Fichte benötigt diese Baum-Erntemaschine gerade fünf Minuten. Das Areal wurde vor mehr als 100 Jahren aufgeforstet. Wie damals üblich als Fichtenmonokultur.

Eigentlich ist die Fichte ein Baum der Taiga. Sie gedeiht gut in Höhenlagen und in morastig-feuchtem Boden. Die Bedingungen in der Höhe waren für die Fichte nicht schlecht, aber durch die extremen Temperaturen und den fehlenden Niederschlag in den vergangenen zwei Jahren hatte der Borkenkäfer jetzt leichtes Spiel. Für ihn gibt es keine Gemarkungsgrenzen, nur Fichten, die sich wegen der Trockenheit nicht mehr gegen sein Eindringen wehren können. „Normalerweise sind gesunde Bäume in der Lage, durch vermehrte Harzbildung sein Eindringen zu verhindern“, so Kriszeleit.

Regelmäßig muss er den Bestand kontrollieren und befallene Bäume markieren. Einen Befall erkennt er am braunen Mehl am Fuß des Baumes und am Absterben der Kronen. Dann gibt es keine Rettung mehr, und im Umfeld von 500 Metern müssen alle Fichten gefällt werden. Der Käfer bohrt sich durch die Rinde und legt im Bast eine Rammelkammer an. Dann werden durch Duftstoffe die Weibchen herbeigelockt, die in den Muttergängen gut 100 Eier ablegen. In einem trockenheißen Sommer können gut drei Borkenkäfergenerationen heranwachsen. Auf einem großen Rindenstück konnten die Wanderer die angelegten Muttergänge deutlich erkennen.

Der Kampf gegen den Borkenkäfer ist eine kaum zu stemmende Herkulesaufgabe für den Oberurseler Förster, der mit großem Engagement im Wald unterwegs ist. Die Harvester sind überall im Einsatz. Sorgfältig wird darauf geachtet, dass nur wenige Rückwege angelegt werden, denn wo das schwere Gerät den Boden verdichtet hat, kann nichts angepflanzt werden.

Warum der „Feldberg“ so heißt

Durch die großen Flächen, die jetzt völlig neue Ein- und Ausblicke ermöglichen, kann eine natürlich Verjüngung des Baumbestands kaum stattfinden. Eine Neuaufforstung durch in Baumschulen angezogene kleine Stecklinge ist nicht nur kostspielig, sondern bei Trockenheit kaum möglich. Da gibt es Ausfälle bis zu 90 Prozent, weiß Kriszeleit und versucht, nicht nur schwarz zu sehen. „Wir müssen die Chance nutzen und anstelle der Fichtenmonokulturen Bäume auswählen, die dieses Klima besser vertragen. Bedenken sie mal, warum unser Hausberg Feldberg heißt. Da war in früheren Zeiten auch kein Wald, sondern Feld und Weide.“

Entlang der Lichtung ging es noch ein kleines Stück bergan, dann war der höchste Punkt des Bommersheimer Walds, die „Schöne Aussicht“, erreicht. Die Wanderer wurden an dieser Stelle von einem hölzernen Schild „Oberurseler Stadtwald“ begrüßt. Seitlich abwärts davon verläuft die Grenze zum Frankfurter Stadtwald. Danach machte sich die Wandergruppe wieder auf den Heimweg, den Kopf voller Gedanken, wie dem Wald zu helfen sei. Denn seine Rettung wird viel Geld kosten.

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