Schönberg (hmz) – Sinn und Zweck von Bürgerversammlungen ist, über Themen von großem öffentlichen Interesse zu informieren und Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsfindungen miteinzubeziehen. Wie schwierig das bei der Frage der künftigen Unterbringung von in Not geratenen Menschen im Bettenhaus des ehemaligen Religionspädagogischen Zentrums (RPZ) ist, zeigte sich bereits im Jahr 2014 und jetzt, elf Jahre später, erneut. Damals ging es um Flüchtlinge. Von den rund 50 Asylbewerbern sind heute etwa die Hälfe anerkannt und sie könnten ausziehen, würden sie geeigneten und bezahlbaren Wohnraum finden. Solange das nicht der Fall ist, müssen sie sich obdachlos melden, verbleiben also im Bettenhaus. Die Kommunen sind verpflichtet, unfreiwillig obdachlosen Personen eine Notunterkunft anzubieten, die eigentlich als kurzfristige Überbrückung gedacht ist. Tatsache ist aber, dass die meisten dort Monate und Jahre leben. Künftig sollen die derzeit in den Mobile Homes an der Frankfurter Straße untergebrachten Menschen, eine Gruppe zwischen 15 und 20 Personen, die als Obdachlose gelten, ins Bettenhaus einziehen. Auch bei den künftigen Bewohnern handelt es sich um Flüchtlinge, die teilweise seit Jahren bekannt sind.
Aktueller Sachstand
Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche hat zur Bürgerversammlung eingeladen und mit ihm nahmen Erster Stadtrat Heiko Wolf, Bürgermeister Christoph König und Pfarrer Lothar Breidenstein Platz, der die Versammlung in der Evangelischen Markusgemeinde moderierte und souverän mit einigen „Ordnungsrufen“ leitete. Vor einem besorgten Publikum, darunter zahlreiche Stadtverordnete und Magistratsmitglieder sowie der Schönberger Ortsvorsteher, erläuterte König detailliert die Zusammenhänge und den aktuellen Sachstand. Die Stadt stehe mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Kaufverhandlungen über das Bettenhaus. Der Kreis würde das seit dem Jahr 2015 im Bettenhaus bestehende Flüchtlingsheim auflösen und diejenigen, die nicht anerkannt sind, in anderen Einrichtungen unterbringen. Mit dem Zuzug der Personen aus der Frankfurter Straße ändere sich im Prinzip nichts, außer dass es künftig zehn Personen weniger im Bettenhaus seien. Über den Kaufpreis schwieg sich der Verwaltungschef aufgrund der noch laufenden Verhandlungen aus. Was das Wort Obdachlosigkeit assoziiere und welche Ängste es auslöse, habe er unterschätzt, so König, und schlüsselte detailliert die Begrifflichkeiten „freiwillige“ und „unfreiwillige Obdachlosigkeit“ auf. Ursachen für die soziale Ausgrenzung seien häufig Arbeitslosigkeit, Armut, familiäre Probleme oder gesundheitliche Herausforderungen.
Viele Befürchtungen
Stigmatisierung gegenüber Menschen aus Randgruppen können zu der Wahrnehmung beitragen, dass Obdachlose ein Risiko darstellen und oft gefährlich seien, ungeachtet dessen, dass sie häufig selbst zu Opfern werden. Das zeigte sich auch bei den Fragen besorgter Mütter, was geschehe, „wenn sich die Bewohnerschaft des Frankfurter Bahnhofsviertels bei der Stadt Kronberg obdachlos meldet und wie sich das kontrollieren lässt“. König erklärte dazu, dass bei der persönlichen Meldung die „Stadt schon eine verhältnismäßig gute Kenntnis der Leute erhalte“. In unmittelbarerer Nähe zur Unterkunft sind Kitas und eine Grundschule. Eltern haben Sorge, dass ihre Kinder sich nicht mehr unbeschwert im Viertel bewegen können. Eine Mutter fragte: „Ist denn angedacht, die Schul- und Kindergartenwege abzusichern?“ und eine andere befürchtet Flaschen und Drogenspritzen auf dem jeweiligen Gelände. Weil die Befürchtung vor Handgreiflichkeiten und Gewalt in den Mobile Homes, die sich dann ins Bettenhaus verlagern könnte, im Raum stand, wurde Polizeioberkommissar Falk Bonfils nach seiner Einschätzung befragt. Ihm seien keine schwerwiegenden Vorkommnisse dieser Art bekannt und Einsätze eher selten.
Im Vorfeld der Bürgerversammlung wurde von Anwohnern in Schönberg ein offener Brief an Bürgermeister König geschickt. Auf die Frage von Pfarrer Breidenstein, ob die Initiatoren anwesend seien, meldete sich niemand. Dafür aber der Neubürger Florian Bandel, der zuvor schon mit Zwischenrufen aufgefallen war. Er ist der Eigentümer der „Villa Spieß“.
Er wolle das Bettenhaus kaufen und darin eine „sensationelle Ganztagsbetreuung für die nächste Generation der Viktoriaschule einrichten“. Seine Kinder gingen derzeit in die Kita. Sein Alternativvorschlag war, das Bettenhaus zu einem Wohnhaus für ärmere Familien umzubauen und Räume der Grundschule zur Verfügung zu stellen. Erster Stadtrat Wolf führte dazu aus, dass so ein Umbau mit überschaubarem Aufwand kaum möglich wäre. Im Falle einer Nutzungsänderung drohte Bandel, Wasser und Gas sofort abzustellen, da die Einrichtung „von unserem Haus versorgt wird“.
Besorgte Bewohner
Bandel war es auch, der zuvor behauptete, dass die Leitung der Viktoria-Schule bewusst nicht von der Stadt zu dieser Versammlung eingeladen worden sei. Ganz abgesehen davon, dass niemand persönlich eingeladen wurde, widersprach Anika von Stünzner-Heymann auf Anfrage dieser Darstellung und betonte, dass sie einen privaten Termin hatte. „Ich verstehe die Sorgen der Eltern, aber ich sehe der Unterbringung dieser Menschen ganz entspannt entgegen, weil es in den letzten Jahren keine Vorfälle gegeben hat. Unsere Schülerschaft ist sehr sozial.“ Und zum Thema künftige Betreuung in einer Ganztagsschule sagte sie: „Wir haben unser Ganztagskonzept und die Raumplanung noch nicht ganz abgeschlossen, aber ich kann jetzt schon versichern, dass wir für die nächsten Jahre eine Lösung vor Ort mit dem uns zur Verfügung stehenden Gelände haben werden.“ Ganz abgesehen davon liege die Zuständigkeit beim Hochtaunuskreis.
Pfarrer Breidenstein bestätigte inzwischen, dass sich besorgte Bewohner des Bettenhauses im Pfarramt gemeldet hätten. Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass sie es vermutlich aus der Angst heraus gemacht haben, künftig auf der Straße zu sitzen. Vorurteile, die von vielen Menschen geteilt werden, fühlen sich irgendwann selbstverständlich an. Die wenigsten der Anwesenden dürften persönliche Kontakte zu den Obdachlosen haben und so pendelten sie zwischen Abwehr und Mitleid. Es war die erste, sehr frühzeitige Bürgerversammlung zu diesem Thema und vermutlich nicht die letzte. Vielleicht geht die nächste Einladung auch an die Betroffenen selbst, dass nicht wieder über sie, sondern mit ihnen geredet wird.