Kronberg (war) – Vor 100 Jahren, am 20. November 1924, erschien Thomas Manns weltberühmter Gesellschaftsroman „Der Zauberberg“. In der Erzählung wird der Sanatoriumsaufenthalt eines Hamburger Kaufmannsohns in einer fiktiven Lungenklinik im schweizerischen Davos beschrieben. Dabei verarbeitet Mann seine Eindrücke, die er bei einem mehrwöchigen Besuch in einem Davoser Lungensanatorium gemacht hatte, in dem sich 1913 seine lungenkranke Ehefrau längere Zeit aufhielt.
Im Zauberberg ist mehrmals der „Blaue Heinrich“ erwähnt. Damit wurde ein Fläschchen bezeichnet, bestehend aus einem kobaltblauen Glaskörper mit einem Sprungdeckel aus Metall, das zum Auffangen von abgehustetem Sputum diente. Das Gefäß ließ sich mit einer Hand öffnen und kam bevorzugt bei Tuberkulosekranken zum Einsammeln ihres infektiösen Schleimes zum Einsatz. Am Flaschenboden befand sich ein Drehverschluss, über den der Schleim abgelassen werden konnte. Woher der Name „Blauer Heinrich“ herrührt, ist nicht bekannt.
Erfinder war der aus dem rheinhessischen Wintersheim stammende Arzt Peter Dettweiler, der ab 1895 bis zu seinem Tod im Jahr 1904 in Kronberg lebte. Daher war auf dem Sprungdeckel der Schriftzug „Geheimrath Dr. Dettweilers Taschenflasche für Hustende“ eingraviert. Dettweilers Domizil, das wegen des mit zwei hölzernen Drachen verzierten Eingangstores bei den Kronbergern noch heute das „Drachenhaus“ heißt, befindet sich in der Hainstraße 21. Die beiden Drachen hat der künstlerisch talentierte Dettweiler selbst geschnitzt.
Der Arzt leitete seit 1876 die neu gegründete Lungenheilanstalt in Falkenstein, die bald Patienten aus der ganzen Welt anzog. Auf dem Gelände befindet sich heute das Luxushotel „Falkenstein Grand“.
Im Jahr 1889 stellte Dettweiler den durch ein Reichspatent geschützten „Blauen Heinrich“ in Wiesbaden auf dem 8. Kongress für Innere Medizin seiner Kollegschaft vor. Der Gebrauch der praktischen Flasche, die in verschiedenen Größen im Handel war, setzte sich recht schnell in Deutschland und der Schweiz und somit eben auch, wie von Thomas Mann beschrieben, in seinem Engadiner Zauberberg durch.
Außerdem erwähnt Mann in seinem Bestseller-Roman den „Davoser Liegestuhl“, den Detterweiler ebenfalls ursprünglich für die von ihm sommers wie winters verordneten Liegekuren im Freien für seine Patienten in Falkenstein konzipiert hatte. Mann lobt die Liege mit folgenden Worten: „Es konnte für das Wohlsein ruhender Glieder überhaupt nicht humaner gesorgt sein als durch diesen vorzüglichen Liegestuhl.“
25 Jahre nach Erscheinen des Zauberbergs nahm Thomas Mann Ende Juli 1949 in Schönberg, seit 1972 ein Stadtteil von Kronberg, für einige Tage Quartier. Der Grund für seinen dortigen Kurzaufenthalt war die Entgegennahme des Goethepreises in Frankfurt. Er war dafür extra aus den USA, in die er wegen der Nazis 1938 emigriert war, angereist. Die Stadt Frankfurt verfügte damals in Schönberg über ein inzwischen abgerissenes Gästehaus in der Parkstraße, in dem sie unmittelbar nach dem Krieg bevorzugt ihre besonderen Gäste logieren ließ.
20 Jahre zuvor war Mann bereits mit dem Literaturnobelpreis für seinen Debutroman „Buddenbrooks“ geehrt worden, in dem er den Aufstieg und Untergang einer Lübecker Familie beschreibt.
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