Kurzweilig und stimmgewaltig: Premierenabend mit Eva Baronsky und Katrin Glenz in der Dingeldein-Scheune

Der Kronberger Autorin Eva Baronsky (Zweite von links) gelang es, gemeinsam mit der Kronberger Sängerin Katrin Glenz (und Pianist Harald Eggert (rechts), ihr Publikum auf das legendäre Kreuzfahrtschiff zu entführen, auf dem sich 1959 zwischen Maria Callas und Aristoteles Onassis eine Liebesgeschichte entspann. Dafür gab es am Ende Blumen und viel Applaus. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Weit geöffnet sind die Scheunentore, die den Blick auf die in großen Teilen bereits sanierte Dingeldeinscheune freigeben. Anstelle alter Kutschen ist jetzt Platz für Kulturfans. Rund 60 sind zur Buchpremiere von Eva Baronskys neuem Gesellschaftsroman „Die Stimme meiner Mutter“ gekommen und füllen die Scheune und den Hof fast bis auf den letzten Platz. Außerdem zu Gast: Die Kronberger Sängerin Katrin Glenz mit Harald Eggert am Piano. Die romantische Sommerabend-Hofatmosphäre mit einem Glas Weißwein in der Hand genießend, warten die Gäste gespannt auf den Beginn der Lesung. Die Kronberger Autorin Eva Baronsky findet an der renovierten Scheune für ihre Premierenlesung ebenfalls Gefallen. Alte Gemäuer wie dieses haben ihre eigenen Geschichten zu erzählen, sie besitzen eine Seele. Man muss ihnen nur lauschen. „Ich frage mich dann, was hier wohl schon alles passiert ist“, sinniert die 1968 im Rheinland geborene und aufgewachsene Autorin. Eva Baronsky wagt in ihrem neuen Roman einen Blick in das Seelenleben der amerikanisch-griechischen Opernsängerin Maria Callas und auf ihre tragisch endende Liebe zu dem griechischen Milliardär Aristoteles Onassis, die in Monte Carlo an Bord der legendären Luxusjacht „Christina“ beginnt.

Gekonnt inszeniert und kurzweilig ist die musikalische Lesung dazu, die Baronsky zusammen mit der Sängerin Katrin Glenz an diesem Abend für ihr Publikum webt: Sie schildert humorvoll und beschwingt, oftmals mit einem ironischen Unterton, die psychologischen Zusammenhänge, die sich nach Studium zahlreicher Biografien über Maria Callas aus Mosaiksteinchen für sie zusammengefügt haben. Für Baronsky ist Callas geprägt durch eine Mutter, die sie einzig und allein geboren hat, um die Lücke zu schließen, die ihr zuvor an Hirnhautentzündung gestorbener Sohn gerissen hat. „Ersatzkinder“ ist der prägende Begriff in der Psychologie dafür, weiß die Autorin. Für Baronsky ist Maria Callas‘ gesamtes Leben geprägt durch genau dieses Gefühl des Nicht-Geliebt-Werdens. „Ich bin gar nicht wirklich gemeint, Deine Liebe gilt nicht mir.“ Dieses Gefühl würden sogenannte „Ersatzkinder“ immer wieder schildern. „Das Dumme ist, dass sie dieses Gefühl auch auf andere Personen in ihrem Leben übertragen“, sagt sie.

In sehr lebendigen Bildern erzählt die Autorin ihrem gespannt lauschendem Publikum Details aus Maria Callas Kindheit. Dick und wenig hübsch sei sie gewesen. Mit ihrer Stimme ließe sich was anfangen, stellte ihre Mutter fest, der eine Laufbahn als Sängerin selbst verwehrt geblieben war.

Katrin Glenz singt das Lied „La Paloma“ (I never forget the night with you my Darling...), wunderschön intoniert. „Nun stellen Sie sich vor, wie die achtjährige Callas dieses Lied auf zahlreichen Gesangswettbewerben gesungen hat.“ Doch der Erfolg sollte damals noch ausbleiben. Erst viel später stieg Maria Callas zur größten Sängerin am Firmament auf. 13 Jahre lang berührte sie auf der Bühne mit ihrer Stimme die Menschen, weil sie Leid, Zorn, Abschied oder Liebe gleichermaßen zum Tragen bringen konnte. Bei der Liebe sei es wohl eher die Sehnsucht danach gewesen, die sie so überzeugend hätte singen lassen, meint Baronsky, die einen ganz besonderen Erzähler für ihre Version der Geschichte der Liebe gefunden hat. Es ist „Omero“, der einer Legende nach in der Liebesnacht Gezeugte und kurz nach der Geburt verstorbene Sohn der Maria Callas, der als omnisziente „kleine Seele“ auf die Welt geschickt wird, um seine Eltern zu retten. Tatsächlich soll Maria Callas von Aristoteles Onassis schwanger gewesen sein, das Kind jedoch auf dessen Drohung hin, dass er sie sonst verlassen würde, abgetrieben haben. Eva Baronskys Figuren hangeln sich an jenem vielfältigen Wissen aus Biografien und entstandenen Mythen entlang. Ein Besuch bei der Enkelin von Winston Churchill, die damals, 1959, auf der legendären Kreuzfahrt als Teenager mit an Bord gewesen war, läuft zunächst ins Leere, erzählt sie. Dort hoffte sie, noch mehr über das Seelenleben der willensstarken, jedoch auch sehr verletzlichen großen Sängerin zu erfahren. „Irgendwann merkte ich, sie will mit mir gar nicht über Maria Callas reden.“ Daraus erwuchs ihr eigenes Gefühl, wie Maria Callas sich auf der Kreuzfahrt gefühlt haben muss. „Sie war eine persona non grata, erst recht, nachdem sie die Liebesgeschichte mit Onassis begann. Und Onassis mit ihr, im Beisein ihrer beider Ehepartner.“ Baronsky malt das Bild, das Maria Callas, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, durch starke Willenskraft und Disziplin befreit von ihren Pfunden, sich selbst endlich auch körperlich lieben lernt und damit offen für echte Leidenschaft wird. „Auch meine Mutter wollte die Begeisterung für ihren Körper nun teilen“, lässt sie Omero sprechen. Damit war die bis dahin gut funktionierende Zweckehe mit ihrem Manager Giovanni Battista Meneghini zum Scheitern verurteilt.

„I had a King“ von Joni Mitchell erklingt, in dem Glenz von der verlorenen Liebe in den Partner singt.

Nach einer Pause und einem weiteren Glas Weißwein fühlen sich die Gäste an diesem Sommerabend mitgenommen auf Onassis 100-Meter langen Luxuskreuzer „Christina“, mit denen er seine Gäste und seine Angebetete, Maria Callas, von Monte Carlo bis nach Griechenland und in die Türkei schippert. Baronsky beschreibt ihnen anschaulich das Luxusleben der Aristokraten auf dem Schiff, genauso wie später die Nacht aller Nächte, in der Callas und Onassis gemeinsam in einem Rettungsboot zueinander finden.

Ob nun das in dieser Nacht angeblich gezeugte Kind „Omero“ als Erzähler bei seinen Lesern auf Zustimmung trifft, ob es Baronsky gelingt, die Charaktere ihre Figuren feinsinnig zu entwickeln oder sie doch etwas flach gestrickt wirken, ob das psychologische Bild einer gar nicht so starken Frau, aber grandiosen Sängerin, zu überzeugen vermag, ob ihre Sprache fließt oder vielleicht mitunter gestelzt und ins Klischee abgleitend daherkommt, dass mögen die Leserinnen und Leser selbst entscheiden. Die Frage ist auch, ob diese allseits bekannte wie fatale Liebesgeschichte zwischen Callas und Onassis, in diesem Roman neu erzählt, zu fesseln vermag. Oder ob sie am Ende doch so bedeutungslos wie das langweilige Luxusleben an Bord bleibt. Jedenfalls ist von der Maria Callas, die auf der Bühne das Leid und die Unterdrückung der Frau ungemein stark zum Ausdruck bringen konnte, an diesem Abend wenig die Rede, wohl aber davon, dass Callas‘ Können ähnlich der Funktion, aus der die „gestaltete Form hervorgeht“, funktioniere, quasi eine Transformation von Leidenschaft sei.

In jedem Fall ist die musikalische Lesung des im Ecco Verlag erschienenen Romans von Eva Baronsky ein erzählerischer wie klangvoller, geschickt ineinander verwobener Genuss. Und das Ende, wie sollte es auch bei einer tragischen Liebe anders sein, stimmt melancholisch, als Katrin Glenz den Musical-Song „Never enough“ singt, der von dem Wissen handelt, eigentlich alles erreicht zu haben und trotzdem das Gefühl immer bleibt, dass etwas fehlt. „Und genau das trifft auf sie beide zu, auf ,Omero‘, der von Beginn der Schwangerschaft mitredet und seinen eigenen Blick auf die Dinge entwickelt und auf seine Mutter.“

Damit ist die kurzweilige Premierenfeier eines neuen Romans und einer neuen Kulturlocation – beides vielversprechend – zu Ende.



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