Interview mit Kai Poerschke vom Verein „Aktives Kronberg“ zum Thema Energie und Wärme in Kronbergs Zukunft

v.l.n.r. Diskussionsrunde in den Kronberger Lichtspielen mit Kai Poerschke, Florian Bienias, Peter Paul Thoma und Steffen BaurFoto: Dauber

Kronberg (mg) – Im Anschluss an die mit rund 40 Besucherinnen und Besuchern gut besuchte Veranstaltung des gemeinnützigen und gesellschaftspolitischen Vereins „Aktives Kronberg“ zum Thema „Energie und Wärme“ in Kronberg – in Zukunft sicher, bezahlbar und klimaneutral“ führte die Redaktion des Kronberger Boten ein Interview mit dem Vorstandsmitglied Kai Poerschke.

Redaktion (Markus Göllner): Herr Poer-schke, was war die Motivation des Vereins „Aktives Kronberg“, dieses Mal eine Veranstaltung für die Bevölkerung zu organisieren, die sich mit dem Thema „Energie und Wärme in Kronberg – In Zukunft sicher, bezahlbar und klimaneutral“ beschäftigte?

Kai Poerschke (Aktives Kronberg): Einmal mehr war der Ausgangspunkt für unsere Veranstaltung die Grundüberlegung: Klimaschutz und Dekarbonisierung sind zwingend notwendig. (Dekarbonisierung: Die Abkehr von fossilen und damit kohlenstoffhaltigen Energieträgern, die zur weiteren Erderwärmung beitragen. Ziel ist es, diese zu verlangsamen und im besten Fall zu stoppen, Anmerkung der Redaktion). Unabhängig von dem, was beispielsweise Gesetzeslage ist, was Vorschriften beinhaltet und auf Landes- oder Bundesebene diskutiert wird oder jede Kommune selbst für das Erreichen ihrer Klimaneutralität plant, ist all dem dieser Grundgedanke immanent. Wenn man als Kronberger Bürger vor die Tür geht und Richtung Altkönig schaut, dann sieht man, was die Stunde geschlagen hat. Auch die Starkregenereignisse der letzten Jahre, unter anderem die Geschehnisse in Oberhöchstadt am 9. Juni 2018, machen bewusst, dass der Klimawandel bereits längst im Gange ist. Ein Hebel, der bereits angesetzt wird, um das Klima zu schützen, ist der Fakt, dass der CO2-Preis erhöht wird. Er stieg bereits und wird weiter steigen; das ist gesetzlich beschlossen und bereits im Prozess. Ich habe den Eindruck, dass das in größeren Teilen der Bevölkerung noch nicht so richtig angekommen ist. Dazu trug vermutlich bei, dass der CO2-Preis in den Jahren 2022 und 2023 wegen der im Zuge des Krieges in der Ukraine stattgefundenen Energiekrise hierzulande eingefroren wurde. Nun stieg der CO2-Preis jedoch dieses Jahr, und zwar von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2. Im Jahr 2025 wird der Preis bei 55 Euro, in 2026 zwischen 55 und 65 Euro liegen. Im Jahr 2027 beginnt dann der europäische Immissionshandel. Aktuelle Schätzungen gehen dann von einem Preis für eine Tonne CO2 aus, der im Jahr 2030 bei 125 Euro liegen würde, statt der aktuellen 45 Euro, die bereits eine fünfzig prozentige Preissteigerung zum vergangenen Jahr bedeutete. Dieser Faktor muss in meinen Augen „motivieren“, sich Gedanken über die Gas- und Ölheizung zu machen, die die meisten Menschen noch besitzen.

Redaktion: Ihre Veranstaltung war mit rund 40 Leuten gut besucht, in den Nachbarkommunen Oberursel und Eschborn fanden in zeitlicher Nähe ähnliche Veranstaltungen statt. Und dennoch sind es insgesamt noch verhältnismäßig wenige Menschen, die sich mit dem Thema Energie und Wärme vor und hinter der eigenen Haustür beschäftigen. Welche Gründe vermuten Sie für dieses Verhalten? Wartet man nach wie vor in einem Großteil der Bevölkerung schlichtweg ab? Und warum?

Kai Poerschke: Das Ganze unterliegt natürlich politischen Entscheidungen. Man beschloss in der Vergangenheit, dass es ab dem Jahr 2027 einen europäischen Immissionsschutzhandel geben wird. Die Wahlergebnisse der Wahl zum Europäischen Parlament könnten gleichzeitig nun auch dazu führen, dass diese Entscheidungen wieder in Frage gestellt werden. Womöglich liegt das im Kalkül einiger Teile der Bevölkerung.

Redaktion: Eine Mehrheit der Menschen in Europa könnte die Klimaschutzmaßnahmen sozusagen möglicherweise wieder „abwählen?“

Kai Poerschke: Ja, das könnte eventuell passieren. Gleichzeitig ist das lediglich eine mögliche Wahrscheinlichkeit. Zudem stellt sich die Frage für diesen potenziellen Umstand, wie viel Zeit dieser neuerliche Gesinnungswechsel in Anspruch nehmen würde, bis die Gesetze bei entsprechenden anderen politischen Verhältnissen erneut verändert werden würden, denn bis dahin gelten die beschlossenen gesetzlichen Regelungen schlichtweg und treten bereits in Kraft. Und diese werden wie bereits beschrieben zu starken CO2-Preiserhöhungen für jeden Bürger führen und tun dies bereits. Wenn sich zusätzlich die fossilen Brennstoffe erneut aufgrund anderer Parameter verteuern, ist Abwarten und Hoffen definitiv keine Alternative. Unabhängig von der wissenschaftlichen Relevanz; an dieser ändern politische Mehrheiten und Entscheidungen nichts.

Redaktion: Könnte es auch sein, dass die Menschen schlichtweg überfordert sind? Vor allem dann, wenn sie ihre eigenen Häuser eigenverantwortlich und aufgrund alter Bausubstanz – auch zahlreich in Kronberg – sehr umfangreich umrüsten und renovieren müssen?

Kai Poerschke: Das kann ich mir gut vorstellen, da es sich in der Tat auch um komplexe private Projekte handelt. Ich habe im Klimaschutzkonzept der Stadt Kronberg nachgesehen, wie sich die Immobilien zusammensetzen. Ganze 83 Prozent der Wohngebäude in Kronberg bestanden im Jahr 2019 aus Ein- und Zweifamilienhäusern. Für diese sind ausschließlich private Eigentümerinnen und Eigentümer verantwortlich, die sich selbst kümmern und entscheiden müssen. Verbunden ist das mit dem Einholen von Informationen, der sich anschließenden Organisation der Maßnahmen und den Kosten, für die man selbst aufkommen muss. Zum letzten Punkt ist zu sagen, dass es mehr als bedauerlich ist, dass das Klimageld bislang noch nicht zustande kam, obwohl es im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung vorgesehen ist. Damit möchte man grundsätzlich Menschen unterhalb eines gewissen Einkommens zumindest ein Stück weit entlasten, wenn sie beginnen, ihr Wohneigentum im Sinne des Klimaschutzes anzupassen. Zu den beiden zuerst genannten Punkten kann unter anderem unser Verein mit Veranstaltungen und mehr etwas beitragen. Von der Kommune ist jetzt gleichzeitig die kommunale Wärmeplanung vorzunehmen – der zweite Hebel, den ich ausmachte, um dem Klimawandel entgegenzutreten.

Redaktion: Wenn ich mich nun entschließe, das Projekt anzugehen, mein Haus energetisch zu sanieren, ich gleichzeitig überfordert bin und nicht weiß, wo ich anfangen soll, da ich den Eindruck habe, dass es zu viele „Baustellen“ sind, was mache ich?

Kai Poerschke: Dann können Sie beispielsweise einen Energieberater beauftragen, der Ihnen einen „iSFP“ verkauft, also einen individuellen Sanierungsfahrplan, der stark gefördert wird, und zwar in Höhe von 80 Prozent. Hier findet dann eine vermutlich objektive Gesamtbetrachtung des Gebäudes statt, vom Dach bis zum Keller. Man erhält eine Orientierung für das gesamte Gebäude. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind hier beim Thema Förderung zu nennen. Für ein Einfamilienhaus sind dann noch nach Abzug der Förderung bei einem beispielhaften Anbieter 325 Euro für die Energieberatung zu zahlen. Die Betonung liegt meiner Ansicht nach auf dem Begriff „individuell“, denn Ein- und Zweifamilienhäuser können sich doch deutlich unterscheiden. Wo steht das Haus, wie alt ist es? Das sind nur zwei Fragen, deren Antworten verschiedene Maßnahmen priorisieren, die im Übrigen schrittweise umgesetzt werden müssen, oft genug auch aus Kostengründen. 49 Prozent der Häuser in Kronberg sind zwischen den Jahren 1949 und 1978 gebaut, das ist nahezu die Hälfte. Hier bedarf es einer zugeschnittenen Lösung auf das einzelne Objekt. Details hierzu können Sie auf der Internetseite unseres Vereins Aktives Kronberg erfahren, unter www.aktives-kronberg.de. Dort stellt der Verein auch Präsentationen von Fachleuten zur Verfügung, die als Gäste auf der Veranstaltung waren, auch die des Energieberaters. Jeder, der dazu einen Beitrag leisten kann, ist gefragt, die Leute bei den vielen schwierigen Themen mitzunehmen, die zwangsläufig kommen werden.

Redaktion: Das geschieht ja bei der Stadt Kronberg ebenfalls, nehmen wir mal die Teilhabe der Bevölkerung und den Prozess um das Nahmobilitätskonzept der Kommune.

Kai Poerschke: Absolut. Man muss schlicht und ergreifend ins „Machen“ kommen und nicht wie das Kaninchen vor der Schlange warten. Das hilft dann auch aus der Überforderung heraus. Nach und nach. Die zahlreichen Fördermöglichkeiten sind bedauerlicherweise in einem „Dschungel“ dieser Angebote wiederzufinden, das hätte man bundespolitisch sicherlich meiner Ansicht nach einfacher und damit verständlicher lösen können. Man kann beispielsweise für eine Wärmepumpe bis zu 70 Prozent Förderung beantragen.

Der Berufsstand des Energieberaters scheint in der Tat essenziell für die Verwirklichung der Ziele, da viele Dinge wirklich sehr kompliziert sind. Selbst dann, wenn man sich intensiv damit beschäftigt, wie die Mitglieder unseres gemeinnützigen Vereins.

Redaktion: Als zweiten wichtigen Punkt hatten Sie bereits die Kommunale Wärmeplanung genannt. Diese ist ein langfristiger und strategisch angelegter Prozess mit dem Ziel einer weitgehend klimaneutralen Wärmeversorgung. Grundsätzlich sollte die Wärmeplanung das gesamte Gemeindegebiet umfassen und in diesem Zusammenhang die privaten Wohngebäude, die kommunalen Liegenschaften und die gewerblichen Gebäude darstellen.

Kai Poerschke: Ja, hier ist die Stadt Kronberg schon ziemlich weit in der Planung und begann im Vergleich zu anderen Kommunen früh. Für Kommunen unter 100.000 Einwohnern ist der Stichtag für die fertige Planung der 30. Juni 2028. Die Verwaltung kümmerte sich schon zeitig und hat eigeninitiativ Fördermittel beantragt für die Erstellung der Kommunalen Wärmeplanung. Viele Menschen bei der Stadt Kronberg handeln bereits intensiv, müssen gleichzeitig auch Bescheide abwarten. Nach meinem Kenntnisstand könnte die Kommunale Wärmeplanung seitens der Stadtverwaltung Ende des Jahres 2025 stehen, also deutlich vor dem Stichtag im Jahr 2028.

Redaktion: Während der Veranstaltung hatten die beiden Gäste, Florian Bienias und Peter Paul Thoma, noch andere Informationen angeboten. Gibt es an dieser Stelle noch Themen, die Sie gerne hervorheben möchten?

Kai Poerschke: Es ging auch um die Frage, ob in Kronberg ein Nah- oder Fernwärmenetz möglich ist. Das wird nach Ansicht der beiden Experten in nur sehr wenigen Teilen der Kommune möglich sein, denn dafür bräuchte es unter anderem Strukturen von Mehrfamilienhäusern.

Allerdings brachte Florian Bienias von der Syna GmbH zur Sprache, dass in Oberhöchstadt möglicherweise Geothermie zur Verfügung stünde, was gleichzeitig noch genauer mit Tiefenbohrungen untersucht werden müsse. Unter anderem wurde auch über die Grenzen Kronbergs hinausgeschaut. Am „Kronberger Hang“, der zum Stadtgebiet des Nachbarn Schwalbach gehört, wird ein Rechenzentrum entstehen. Dieses Zentrum liegt im Grunde genommen näher an Kronberg als an Schwalbach. Rechenzentren benötigen viel Energie, geben in Form von Abwärme jedoch gleichzeitig auch eine ganze Menge ab.

Redaktion: Sozusagen Energie-Recycling?

Kai Poerschke: Genau. Die Abwärmeenergie kann man nutzen, um warmes Wasser oder eine andere Trägerflüssigkeit in ein Nah- oder Fernwärmenetz einzuspeisen. So gelangt es in den nachhaltigen Energiekreislauf. Bei der Untersuchung zur Kommunalen Wärmeplanung wird meiner Ansicht nach jedoch gleichzeitig herauskommen, dass in vielen Teilen Kronbergs die Wärmepumpe das Mittel der Wahl sein wird. Peter Thoma brachte aber auch noch in diesem Zusammenhang sogenannte Hybridheizungen ins Spiel, die eine Mischung aus beispielsweise Gasheizung und Wärmepumpe darstellen.

Spätestens ab Mitte 2028 wird die Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie für alle neuen Heizungen verbindlich. An dieser Stelle der „Mischlösung“ können kleiner dimensionierte Wärmepumpen genutzt werden. Wenn diese nicht mehr genug Wärmeenergie liefern, springen dann die Gasheizungen oder anderes ein. Nur wenn es richtig kalt wird, tritt die fossile Energie in Kraft, was zu einer deutlichen Reduzierung dieser führen wird.

Redaktion: Abschließend noch die Frage: Wie reagierte das Publikum auf die Veranstaltung?

Kai Poerschke: Es gab im Anschluss noch viele gute Diskussionen, die gleichzeitig sehr am Einzelfall orientiert waren. Eine Bewohnerin der Altstadt brachte zum Beispiel die Frage auf, wie es funktionieren solle, wenn sie sich eine Wärmepumpe anschaffen würde und dabei auf dem engen Raum der Altstadt dann ihre Nachbarn mit der brummenden Geräuschkulisse belaste. Florian Bienias von der Syna GmbH kommentierte daraufhin, dass die Kronberger Altstadt womöglich ein Fall für ein Nahwärmenetz sein könnte.

Das würde bedeuten, dass man außerhalb der Altstadt beispielsweise ein Blockheizkraftwerk baute und damit die Altstadt versorgen würde. Allerdings müssten in diesem Zuge dann sämtliche Straßen des Quartiers geöffnet werden, um den Anschluss zu realisieren. Das könnte dann ein Ergebnis der Kommunalen Wärmeplanung sein, über die wir zuvor sprachen. Es gab noch Fragen zu Solarpanelen und zum Laden von Elektrofahrzeugen und den dazugehörigen Stromnetzkapazitäten. Es kam noch allerhand zur Sprache.

Redaktion: Vielen Dank, Herr Poerschke, für das Interview und den damit einhergegangenen Erkenntnisgewinn.

Kai Poerschke: Gerne, vielen Dank Ihnen für die Möglichkeit, wichtige Inhalte für die Kronberger Bevölkerung zu transportieren und zu publizieren.



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