Debatte mit Marcus Schenk über Moscheen in deutschen Städten

Marcus Schenks Vortrag über Moscheen in Deutschland forderte beherzte und emotionale Wortbeiträge heraus. Foto: Diel

Schönberg (die) – „Fünf Millionen Muslime in Deutschland, da stellt sich gar nicht die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Es ist so, er gehört zu Deutschland, ob wir das wollen oder nicht!“, so die einführenden Worte von Marcus Schenk, der am vergangenen Montagabend im Gemeindezentrum der Evangelischen Markus-Gemeinde Schönberg vor dem Schönberger Forum referierte. Und er ging noch weiter, denn für ihn sei diese Frage so überflüssig wie die Frage, ob der Nationalsozialismus zu Deutschland gehöre. Aber dieses Thema war eigentlich gar nicht seines, denn er wollte über die Moscheen in Deutschland referieren. Und eigentlich wurde es doch – auch – zu seinem Thema, denn viele der anwesenden Bürger griffen zum Mikrofon und wollten es ganz genau wissen. Sie stellten teils interessierte, teils sehr kritische Fragen zum Islam, zum Leben in den Moscheen, zum Frauenbild des Islam und zur Organisation des Islam im Vergleich zum deutschen Kirchenrecht.

Und Marcus Schwenk stellte sich den Fragen, ohne ihnen aus dem Weg zu gehen. Der 51-Jährige leitet in Frankfurt und Offenbach als Sozialpädagoge sogenannte Quartiersmanagements mit insgesamt sechs Stadtteilbüros und 13 Mitarbeitern. „Meine Arbeit ist das tägliche Leben mit dem Islam“, so beschreibt Schenk den Kerngedanken seines Tuns. Er sieht sich und sein Team als „Kümmerer“, die in erster Linie versuchen, die Menschen zu verstehen, nicht zu betreuen. In seinem Gebiet leben 80 Prozent Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, nur 20 Prozent sind Deutschland-stämmig „Da stellt sich schon die Frage, wer wohin integriert werden soll, die 80 Prozent in die 20 Prozent oder umgekehrt“, so Schenk provokativ. Er bezeichnet die Stadtteilbüros als Anlaufstelle, wo die Leute nicht nur mit Problemen, sondern auch mit Ideen zum Zusammenleben vorbeikommen können. „Wir leisten Integrationsberatung, bieten Kultur-, aber auch Essensangebote, wir organisieren Straßenfeste und arbeiten mit Vereinen zusammen.“ Auch die Vernetzung mit anderen Entscheidungsträgern und Behörden sei sehr wichtig und er beschreibt, wie in den Gremien Vertreter verschiedener Vereinigungen ein bis zwei Mal monatlich zusammenkommen, um unter anderem Informationen auszutauschen. Es handelt sich dabei um Vertreter von Schulen, Kindertagesstätten, aber auch von Jugendämtern, Polizei sowie Caritas, Freizeitvereinen, Kirchen und Moscheevereinen. Man versuche auch zu vermitteln, etwa in dem Fall, in dem sich eine Anwohnerin über das Leben in und um die Moschee permanent beschwert hätte. Es sei ihr zu laut gewesen, wenn bei offenem Fenster gebetet wurde, also habe man veranlasst, dass die Fenster geschlossen wurden. Auch über die mangelnden Parkplätze während der Gebetszeiten habe sich die Dame beschwert, ebenso über den Lärm auf der Straße durch die anwesenden Gläubigen oder den Lärm aus der Koranschule. Die Mitglieder der Moschee hätten alles mitgemacht, aber die Anwohnerin sei einfach nicht zufriedenzustellen gewesen und sei schließlich ausgezogen.

Neben diesen Einblicken in die tägliche Arbeit zeigte Schenk eindrucksvoll und mit Bildern anschaulich gemacht die Situation der Moscheen in Deutschland auf. Die meisten Moscheen sind sogenannte Hinterhofmoscheen, die als solche höchstens an einer Aufschrift an einer Einfahrt zu erkennen sind. Meist werden sie in Gewerberäumen in einem Hinterhof untergebracht. 90 Prozent der Moscheen seien damit für das deutsche Stadtbild überhaupt nicht relevant. Er stellte andererseits am Beispiel der DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld dar, wie schwierig die baurechtlichen Bestimmungen Deutschlands in diesem Zusammenhang sind. So habe die Bauzeit stolze 13 Jahre betragen, weil die Höhe der Minarette zum Zankapfel unter den Beteiligten wurde. Die meisten Moscheen gibt es, so Schenk, in den Ballungsräumen Deutschlands, dort, wo die meisten Gastarbeiter leben.

Zu der Funktion einer Moschee erklärt er den Anwesenden, dass nicht das Gebet die alleinige Funktion sei, sondern Moscheen auch ein sozialer Treffpunkt darstellten, ein Mittelpunkt des kulturellen Lebens, zugleich Versammlungsräume und Begegnungsstätten. Der Umstand, dass geschlechtergetrennt gebetet werde, sieht er nicht als etwas Außergewöhnliches, gebe es das im ländlichen Bereich in der katholischen Kirche in Deutschland doch heute schließlich auch noch. Übrigens hatte das Deutsche Reich 1915 in Wilmersdorf in Brandenburg selbst eine Moschee gebaut, um „die Muslime für den Dschihad im osmanischen Reich zu stärken“, so Schenk. Die Moschee sei damals noch an den Rand der Innenstadt gebaut worden. Die Moscheen als Orte der Integration sind angesichts dieser Situation nur schwer erklärbar, so Schenk. „Wir organisieren zwar religionsübergreifende Aktionen, zum Beispiel gemeinsames Fastenbrechen“, so Schwenk, aber bereits beim Thema Bürgerbeteiligung werde es kritisch: „Die Bürger kommen einfach nicht.“

Schenk macht in seinem Vortrag auf Nachfragen aus dem Publikum unmissverständlich klar, dass etwa voll verschleierte Frauen nicht seinem christlich-abendländischen Verständnis von Emanzipation und Frauenrechten entsprechen. „Die Frauenrechte haben wir uns erkämpft, diese Religion ist uns fremd, sie wird auch in den Moscheen gelebt.“ Auch deshalb sei es schwierig, eine Moschee als Ort der Integration zu begreifen. „Wir müssen lernen, miteinander zu reden“, so seine Forderung an die Zuhörer, „unsere freiheitlich – aufgeklärte Gesellschaft dürfen wir aber nicht aufgeben.“

Die beherzten und zum Teil emotionalen Beiträge aus dem Publikum haben an diesem Abend gezeigt, wie groß das Interesse ist. Und dabei ging es immer wieder doch um die Frage, ob, beziehungsweise inwieweit, der Islam zu Deutschland gehört. So überflüssig, wie es Schenk eingangs festgestellt hatte, war dieser Punkt jedenfalls für die anwesenden Bürger offensichtlich doch nicht.

Ein gemeinsames Kennenlernen des Islam bietet dabei Chancen, wie eine anwesende Muslima eindrucksvoll in Worte fasste: „Gott hat die Menschen unterschiedlich geschaffen, damit sie sich gegenseitig kennenlernen!“ Eine Idee dazu: Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist seit 1997 zugleich Tag der offenen Moschee. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat diesen Tag bewusst gewählt, um die Zugehörigkeit der Muslime zur Einheit Deutschlands zu zeigen. In ganz Deutschland öffnen etwa 1.000 Moscheen verschiedener Verbände ihre Tore für über 100.000 Besucher. Das könnte doch auch einmal eine Alternative zum Faulenzen sein.



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